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(picture alliance) Keime haben in der Berliner Charité zum Tod eines Babys geführt

Krankenhauskeime - Wie kam es zu den tödlichen Infektionen?

Nach dem Tod eines Säuglings wird über Hygienestandards an Krankenhäusern diskutiert. Wie konnte es zu den Infektionen kommen?

Die Verunsicherung bleibt: Bisher ist der Infektionsherd nicht gefunden, der am Anfang der Infektion von Frühgeborenen in der Berliner Charité mit einem Darmkeim gestanden haben muss. Nun wird Kritik am Hygiene-Management der Charité laut, einige fordern mehr Personal.

Wurde bei der Hygiene geschlampt?

Grundsätzlich gilt: Infektionen mit Viren und Kolonisationen mit Keimen geht meist mangelnde Hygiene voraus. Nur: Unabhängig davon, dass strengere Vorschriften das Verbreiten von Keimen einschränken können, gehen viele Experten davon aus, dass es kaum möglich sein wird, jede Infektion und jeden Befall auszuschließen.

Im Krankenhaus kommen eben Kranke zusammen. Viele Keime werden von Besuchern in die Kliniken gebracht, jeden Angehörigen erst nach intensiver Desinfektion in Schleusen in die Krankenzimmer zu lassen, dürfte wohl schwierig umzusetzen sein.

Ist der Keimbefall an der Charité so gefährlich wie der in Bremen, wo insgesamt drei Kinder in einer Klinik gestorben sind?

Nein, nach bisherigen Erkenntnissen nicht. Bei den an den betroffenen Berliner Kleinkindern gefundenen Keimen handelt es sich nach Charité-Angaben nicht um jene multiresistenten Erreger, denen in Bremen mehrere Frühchen erlegen waren. Dort waren hochgefährliche Keime die Ursachen, die in dieser Form erst im Krankenhaus entstanden sind. Viele Erreger entwickeln sich in Kliniken und sind deshalb gegen Antibiotika resistent, die in Krankenhäusern massenhaft eingesetzt werden. Künftig soll ihr Einsatz besser gesteuert werden, eben weil sich erst durch deren Gebrauch einige Erreger zu multiresistenten Keimen entwickelt haben.

Wie streng sind die Berliner Hygiene-Vorschriften?

Bis vor kurzem galt in Berlin eine Hygieneverordnung von 2006, die schließlich als unzureichend eingestuft worden ist. Im Sommer dieses Jahres hat Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) eine neue Verordnung erlassen. Nun muss der Einsatz von Antibiotika in den Krankenhäusern besser gesteuert werden. Die Krankenhäuser müssen ihren Verbrauch mit den Daten anderer Kliniken vergleichen.

Für die Krankenhäuser hat die neue Verordnung auch personelle Konsequenzen. Bislang mussten nur Kliniken mit mehr als 450 Betten einen eigenen Haushygieniker einstellen, künftig sollen schon Einrichtungen mit mindestens 400 Betten einen eigens dafür angestellten Fachmann beschäftigen müssen. Außerdem muss in allen Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen mindestens ein behandelnder Arzt als Ansprechpartner für Hygienefragen fungieren. Hinzu sollen künftig Kommissionen eingerichtet werden, deren Mitglieder sich mit Maßnahmen und Mitteln in der Bekämpfung von Klinikkeimen auskennen. Aber die neue Regelung verlangt dies nicht nur von Krankenhäusern. Auch Arztpraxen, in denen operiert wird, und Dialyse- und Reha-Einrichtungen haben nun die Pflicht zu eigenen Hygieneplänen. Die Berliner Grünen forderten schon im Sommer eine strengere Vorschrift. Deren Gesundheitsexperte im Abgeordnetenhaus, Heiko Thomas, sagte: „Das Kostenargument darf hier nicht zählen.“

Wie ist die Situation an der Charité und was sagen die Beschäftigten?

An der Universitätsklinik wird seit Jahren über die Personalsituation gestritten. Die landeseigene Klinik war wegen hoher Schulden vom Berliner Senat zum Sparen verpflichtet worden; deshalb wurden Stellen gestrichen. Der Personalratschef der Charité, Carsten Becker, sagte am Sonntag, der Ausbruch könne an zahlreichen, auch individuellen Pannen gelegen haben, womöglich aber eben auch daran, dass Beschäftigte durch den Personalmangel überfordert waren. Wie der Tagesspiegel berichtete, verhandeln die Beschäftigten der Charité mit der Klinikleitung derzeit nicht um höhere Löhne, sondern darum, dass die Personalausstattung besser wird. Der Personalschlüssel auf Intensivstationen wie denen für Neugeborene sieht Becker zufolge derzeit wie folgt aus: Eine Schwester ist im Schnitt für drei Frühchen da. Die Arbeitnehmervertreter fordern einen Schlüssel von einer Schwester für maximal zwei Kinder. Personalrat Becker hatte in einem offenen Brief an die Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angemahnt, dass bis zu 200 ausgebildete Krankenpfleger fehlten. Scheeres ist Aufsichtsratsvorsitzende der Charité. Die Charité beschäftigt 3400 ausgebildete Pflegekräfte, die sich 2500 Vollzeitstellen teilen.

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