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(picture alliance) Die meisten Skandälchen perlten einfach an ihm ab – Theo Zwanziger

Naumann über Zwanziger - Der Helmut Kohl der Fußballwelt

14 bekannte Juroren küren im neuen Cicero in sieben unterschiedlichen Kategorien ihre Auf- und Absteiger des Jahres. Cicero-Chef-Redakteur Michael Naumann nominiert als Absteiger in der Kategorie "Sport" Theo Zwanziger, der bereits für März 2012 seinen Rücktritt angekündigt hat

 

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Er ist eigentlich der idealtypische deutsche Verbandsfunktionär, Theo Zwanziger, 66, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der aus heiterem Himmel zur Adventszeit seinen Rückzug aus dem hohen Amt ankündigte – ein Opfer der legendären DFB-Intrigen? Der scheinbar joviale, promovierte Rechtsanwalt gilt als bewährter Redner gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Homophobie „im Breitensport“.

Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und des Leo-Baeck-Preises für seinen Einsatz gegen Rechtsextremismus. Mit Letzterem kann vor allem sein erfolgreicher Wahlkampf gegen seinen Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder gemeint sein, der sich als Autor der neonazistischen Zeitschrift Nation und Europa die Freizeit vertrieb. Gegen die Faschisten in den sogenannten Fanblocks ist Zwanziger allerdings genauso machtlos wie die Polizei. Für die braune Vorgeschichte des DFB der Nachkriegszeit ist er auch nicht verantwortlich. (Wer erinnert sich schon noch an den Besuch des NS-Kampffliegers und NPD-Trommlers Rudel im Quartier der deutschen Nationalmannschaft während der WM in Argentinien? Eingeladen wurde er damals vom DFB-Chef Neuberger.)

Bei herausragenden Länderspielen saß Zwanziger gewöhnlich neben der Bundeskanzlerin und teilte mit ihr die telegene, wohlverdiente Aura der Selbstzufriedenheit, ein Helmut Kohl der Fußballwelt. Die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine wird er noch „mitnehmen“. Der Kontrast zwischen ihm und den jungen Spielern des Bundestrainers Jogi Löw (den er wohl am liebsten nach der WM in Südafrika losgeworden wäre) könnte größer nicht sein.  Zwanziger sitzt bis zur Demission am Nierentisch einer überalterten Organisation, deren hochbegabte Nationalspieler in einer ganz anderen Welt groß geworden sind.

Mittlere und kleine Skandale in seinem Reich perlten an ihm ab, an ihrer Spitze angeblich steuerhinterziehende DFB-Schiedsrichter mit Bankverbindungen in die Schweiz. Zwanziger ist der geniale Beschwichtiger in einem epochenversetzten Verbandsmilieu, in dem kritischer Journalismus auch einmal mit Prozessen bekämpft wird, wenngleich vergeblich. Zum Absteiger des Sportjahres 2011 aber hat er sich schon vor seinem Rückzug durch seine ehrgeizig betriebene Wahl in das Exekutivkomitee des Weltfußballverbands „Fifa“ qualifiziert – Voraussetzung war die von ihm begrüßte Wiederwahl des Fifa-Paten Joseph Blatter.

Die absolute Bestechlichkeit von manchen Fifa-Verbandsmitgliedern ist in der Schweiz gerichtsnotorisch und reicht weit in die Geschichte zurück. Die Fifa vergibt die Fußballweltmeisterschaften. Wer sich, ob in besten Absichten oder nicht, in die engere Kumpanei dieser Organisation begibt, wird den Ruch eines kooptierten Genossen nicht los. Seinen Fifa-Sitz wird Zwanziger wahrscheinlich nicht zur Verfügung stellen.  „Die Fifa“, meinte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge im Kicker, „ist ein Korruptionsstadel – dafür gibt es genug Beweise. Das wird auch Dr. Zwanziger nicht ändern. Der Fußball wurde zu lange von Leuten wie Blatter und Konsorten missbraucht.“

Sollte Theo Zwanziger vorhaben, die surrealistische Vergabe der WM 2022 an den Wüstenstaat Katar bargeldlos rückgängig zu machen, müsste er natürlich „Sepp“ Blatter beerben. „Schau’n mer mal“, wie Ex-Fifa-Mitglied Franz Beckenbauer zu sagen pflegt, wenn er wieder mal nichts gesehen hat.

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