Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Kino, Reisebüro, Tropenhalle - Begrenzt die Regulierungslaune der Kommunen!

Kolumne: Leicht gesagt. Die Kommunen klagen einerseits über zu hohe Schulden und fordern Unterstützung vom Bund. Anderseits regulieren sie in immer mehr Bereiche der Privatwirtschaft hinein. Muss eine Gemeinde ein Kino oder ein Reisebüro betreiben?

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

So erreichen Sie Wulf Schmiese:

Es sagt sich leicht für Bundespolitiker und Hauptstädter, Lokalpolitik sei eine untere Liga. In Paris gibt es auch diese gewisse Hochnäsigkeit gegenüber der Provinz – die allerdings gepaart ist mit einem Höllenrespekt. Von ihm kann die selbsternannte politische Erste Bundesliga lernen, denn in den Kommunen wird derzeit der Staat grundliegend umgebaut.

„Le millefeuille administratif“ nennt man in Frankreich die Vielschichtigkeit der Verwaltungsstruktur. Jeder sagt im Grunde nur „le millefeuille“ dazu. Das heißt „tausend Blätter“. „Millefeuille“ heißt aber auch so etwas wie Wirrwarr. Das Wort kommt ebenso in der guten französischen Küche vor: Millefeuille ist ein feiner, mit Blätterteigscheiben geschichteter Crème-Kuchen. Ein sehr aufwendiges Produkt: gefühlte tausend Schichten Blätterteig.

Übertragen auf die Politik passt dieses Sprachbild: Denn das Kostbarste unseres Staates, die Demokratie, wird nur als Ganzes zusammengehalten durch die vielen Schichten: Gemeinde, Städte, Kreise, Regierungsbezirke, Länder und der Bund. Das Innerste der Demokratie, die Crème, sind die Kommunen.

Kommunen zwischen Autarkie und Hilferuf

 

Druck von außen, also den politischen Schichten, können sie nicht mehr weitergeben. Das wird bei der Flüchtlingspolitik deutlich. Da rufen Städte und Gemeinden nach Hilfe, fordern mehr Geld.

Auf der anderen Seite verlangen sie geradezu Autarkie: auf dem Energie- und Wassermarkt. Seit dem Beginn der Elektrifizierung im 19. Jahrhundert fühlten sich die Stadtwerke hier zuständig. Nach der Wiedervereinigung wurde Privatisierung das große Thema. Kämmerer füllten die Gemeindekasse eifrig durch Verkäufe. 20 Jahre später hat sich dieser Trend wieder umgekehrt. Seit Beginn dieses Jahrzehnts geht es um Re-Kommunalisierung.

Man spricht wieder über „Daseinsvorsorge“. Das ist ein soziologischer Begriff von Ernst Forsthoff aus den späten dreißiger Jahren, der besagt, dass die Kommunen sich um die „Grundversorgung“ des Volks zu kümmern hätten: mit Wasser, Wärme und Strom. Es ist zwar ein gängiger, aber kein juristischer Ausdruck. Er ist gesetzlich nicht definiert. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 28 nur, Gemeinden hätten das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „im Rahmen der Gesetze“ in eigener Verantwortung zu regeln. Sie haben also das Recht, sich eigenwirtschaftlich zu betätigen. Näheres jedoch regeln die Kommunalgesetze der Länder.

Der gegenwärtig anhaltende Trend nach dem Motto: „Alles zurück auf Staat“ ist also ohne Vorgabe. Dennoch sind im laufenden Jahrzehnt über einhundert Stadt- und Gemeindewerke gegründet worden. Mehr als 200 Kommunen und kommunale Unternehmen haben in dieser Zeit Konzessionen übernommen. Demnach sind die Bürgermeister sichtlich in Regulierungslaune. In diesem Jahr läuft die Mehrzahl der bundesweit etwa 20.000 Strom- und Gaskonzessionsverträge aus.

Passt es zur Marktwirtschaft, wenn der Staat nun wieder selbst wirtschaftet? Er hat die Formen, in denen gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, aber er hat nicht den Wirtschaftsprozess selbst zu führen, hieß es doch immer von den Vordenkern der sozialen Marktwirtschaft. Gilt das für den Staat im Kommunalen etwa nicht?

Schulden und Fehlinvestitionen

 

Die Stadt Frankfurt am Main hat in ihren 350 städtischen Unternehmen 56 Mehrheitsbeteiligungen; von der Straßenbahn über den Baukonzern ABG bis hin zur Alten Oper. Nun ist Frankfurt eine reiche Stadt. Aber in der Summe haben Kommunen an die 140 Milliarden Euro Schulden – vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In armen Städten wie Kaiserslautern, Ludwigshafen, Oberhausen oder Siegburg liegt die Verschuldung pro Kopf bei über 10.000 Euro. Deren unternehmerisches Risiko trägt aber der Steuerzahler.

Duisburg betreibt kommunales Kino, Bielefeld einen 24 Stunden geöffneten Heimat-Tierpark, Völklingen eine Zuchtanstalt für Meeresfische, Regensburg ein Reisebüro, Potsdam eine Tropenhalle. Alles defizitär. Teils liegen die Fehlbeträge im Millionenbereich. Man sollte also der Daseinsvorsorge Grenzen setzen.

Zugleich müssen die Kommunen finanziell geschützt werden. Zu Recht wird beklagt, dass die Würde der kommunalen Selbstverwaltung immer stärker verletzt werde: Einerseits bedienen sich die Länder. Sie entnehmen Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer, kürzen Beiträge zum kommunalen Finanzausgleich, bürden den Kommunen Aufgaben auf zur Kinderbetreuung und zur Flüchtlingsunterbringung.

Deswegen erscheint die Zuständigkeit für den Energiemarkt sinnvoll. Hochverschuldete Kommunen haben teils sehr profitable Stadtwerke, die sich nun wieder an Energieprojekten beteiligt haben. Dann jedoch kam die Energiewende. Viele städtische, rekommunalisierte Gaskraftwerke lassen an Dividenden nicht mehr denken.

Manche der 250 deutschen Stadtwerke geraten nun in Not, weil ihre Kraftwerke kein Geld mehr einbringen. Deshalb fordert unter anderem der Deutsche Städtetag Hilfe vom Bund, denn der gab die Energiewende vor.

Daran zeigt sich, wie auch in unserem Staat alles zusammenhängt. Nur miteinander kann alles bestehen – eben wie bei einem Millefeuille.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.