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(picture alliance) „Ein guter Vorschlag ist ein guter Vorschlag, auch wenn er von der Opposition kommt” - Anke Spoorendonk, Ministerin in Kiel.

Erste Kieler SSW-Ministerin - Spoorendonk, die Omega-Frau

Wie macht sich Anke Spoorendonk, erste Dänen-Ministerin in Kiel? Treffen mit einer Omegapolitikerin

Wenn Manager, Politiker oder Neumitglieder eines Lion Clubs auf die Frage „Was lesen Sie gerade?“ antworten: „die jüngste Kennedy-Biografie“, so tun sie das aus einem mit Fantasielosigkeit gemischten Arbeitseifer. Mit Kennedy kann man nichts falsch machen. Der zeigt die perfekte Symbiose aus Macht und Schönheit. Das Ideal des Frauenhelden und Weltverbesserers, von dem man nur lernen kann.

Mehr lernt man jedoch von den anderen. Von denen, die weder ästhetisch auftrumpfen noch rhetorisch. Die emsig und konsensorientiert sind. Nicht die Alphabullen einer Herde, sondern die Omegarinder. Die, die den Vertrag zustande bringen, nicht die, die ihn präsentieren. Das sind Menschen wie Anke Spoorendonk, Omegapolitikerin.

Spoorendonk amtiert seit Juni dieses Jahres in Schleswig-Holstein als Ministerin für Justiz, Europa und Kultur. Sie garantiert der Regierung von Ministerpräsident Torsten Albig die Ein-Stimmen-Mehrheit. Und, wenn es so etwas gäbe, wäre sie auch noch Ministerin für Minderheiten, Ungerechtigkeit und Underdogs, denn Spoorendonk ist die erste Ministerin, seit sich der SSW, der Südschleswigsche Wählerverband, 1948 gegründet hat.

Im Büro hat Anke Spoorendonk lauter Bilder ihrer Kinder und Enkelkinder und einen Schreibtisch, von dem sie selbst sagt, er sei zu groß, den sie aber in über vier Monaten nicht losgeworden ist. Sie ist so ziemlich das Gegenteil einer PR-Politikerin. Keine von denen, die eine geschmeidige Verve besitzen, kein Claudia-Roth-Auftritt, kein Silvana-Koch-Mehrin-Aussehen.

Spoorendonk ist spröde bis zur Unerschrockenheit. Kanariengelbe Blusen unter gerafften Lederwesten-Ensembles, kein Haarschnitt, sondern Fasson, eine Brille, die man guten Gewissens als geschmacksfrei bezeichnen darf – solche Frauen sind auf Kirchentagen gefürchtet, sie haben immer eine Regenhaut in der Handtasche und singen „Geh aus mein Herz“ ein bisschen zu laut. Und doch machen Menschen wie sie die Politik, die Roths und Koch- Mehrins repräsentieren sie nur.

Spoorendonk ist das Gegenteil vom eleganten, kosmopolitischen Kennedy: regional verwurzelt – sie spricht deutsch, dänisch und platt – und mit der Haptik einer Heide Simonis oder Regine Hildebrandt. Politik machen solche Frauen mit Sachthemen, nicht mit einer Föhnwelle.

Seite 2: Dialogbereitschaft ist für sie wichtiger als Rhetorik und Grabenkampf

Der SSW ist als Regionalpartei in der bundesdeutschen Parteienlandschaft ebenso einmalig wie rührend: Als einzige Partei Deutschlands darf sie auch dann in den Landtag, wenn sie weniger als 5 Prozent der Wählerstimmen hat. Der SSW ist so eine Art unverheiratete Patentante, die nie ganz ernst genommen wird, aber weil sie schon immer Weihnachten dabei war, wird sie auch dieses Jahr eingeladen. Wenn Vater und Mutter über die Geschenke streiten, ist sie nicht mehr nur die, die geduldet wird, sondern auch die, die schlichtet.

Die Oberstreitschlichterin des SSW ist seit 2009 Anke Spoorendonk. Gemäß ihrer Patentantenfunktion will sie nicht nur Repräsentantin der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein sein, sondern auch noch das dänische Prinzip in die Politik bringen.

Im dänischen Parlament sei es unüblich, dass geklatscht oder gar gepöbelt werde, erzählt sie, Dialogbereitschaft sei dort wichtiger als Rhetorik und Grabenkampf. „Ein guter Vorschlag ist ein guter Vorschlag“, sagt sie, „auch wenn er von der Opposition kommt.“

Man nimmt die Deutsch- und Geschichtslehrerin in ihr wahr, wenn sie sich über das Gebaren deutscher Politiker echauffiert. Über solche, die sich profilieren. Die sich darstellen, womöglich noch in Brioni. Genauso gut könnten es Jugendliche sein, die ihre Malzbierdosen direkt ins Gebüsch werfen statt in den Müllkorb. Spoorendonk hat eine Grundschulpädagogen-Autorität, gespeist aus Überzeugung und Pragmatismus und einer kirchentagshellen Birkenholzmoral, die man auch mit einem Atomkrieg nicht kaputt kriegte, weil diese humorfreie Vernunft resistent gegen jeden Wandel ist.

Aufgewachsen ist sie als Einzelkind in einem Kommunalpolitikerhaushalt kurz nach dem Schreckensdemagogen Hitler. Nie wieder Rhetorik, hieß die schämende Devise damals. Nie wieder Inszenierung, die 1939 ins Verderben führte.

Spoorendonks Onkel zählte zu den Gründern der Partei, ihr Vater saß im Stadtrat. Butterdänen nannte man damals diejenigen Schleswiger, die sich nach 1945 zu Dänemark bekannten und somit die von den Dänen produzierten Lebensmittelüberschüsse bekamen, während die Ernährungslage deutscher Schleswiger bis 1948 karg war.

Spoorendonk ist eine Zähe, selbst eine Morddrohung hielt sie 2005 nicht ab, die Politik zu machen, die sie für richtig hält. Sie wollte damals eine rot-grüne Landesregierung unter Heide Simonis dulden, deren Gegner sie dafür attackierten. Also hieß es: Zähne zusammenbeißen, Polizeischutz, weiterarbeiten. Simonis fiel 2005 durch und ging. Spoorendonk blieb. Sieben Jahre später ist sie in der Regierung. Dort sitzt sie nun als Prototyp des dänischen Politikprinzips, das sich entlang der skandinavischen Jante-Moral entwickelt hat: Glaube nicht, dass du etwas Besonderes bist.

Ist sie aber doch.

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