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(picture alliance) Könnte nicht nur ein Bauernopfer gewesen sein: Ex-Präsident des Verfassungsschutzes Heinz Fromm

Fromms Abgang - Mehr Zentralismus beim Verfassungsschutz

Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, hat mit dem Rücktritt die einzig richtige Konsequenz aus den Morden der NSU gezogen. In Zukunft braucht seine Behörde mehr Macht, um ähnliche Pannen zu vermeiden

Niemand zweifelt daran, dass sich Heinz Fromm einen ehrenvolleren Abschied aus dem Amt des Verfassungsschutzchefs gewünscht hätte. Zwölf Jahre lang stand er dem Bundesamt vor, er hat die Behörde emsig, still und ohne viel Aufsehen geleitet. Skandale und Affären, wie sie bei deutschen Geheimdiensten üblich sind, gab es unter seiner Ägide im BfV nicht.

Von einer erfolgreichen Ära hätten die Festredner dann auch sprechen können, wäre Fromm wie geplant im kommenden Jahr mit Erreichen der Pensionsgrenze aus dem Amt geschieden. Sie hätten seine effiziente Arbeit loben können und seinen modernen, auf Teilhabe und Mitsprache setzenden Leitungsstil.

Der 4. November vergangenen Jahres aber hat das unmöglich gemacht. An diesem Tag starben in einem Wohnmobil in Eisenach zwei Neonazis, die Fromms gesamte Amtszeit hindurch eine Terrorgruppe geführt und zehn Menschen ermordet hatten. Ohne dass sein Bundesamt für Verfassungsschutz davon etwas mitbekommen oder auch nur geahnt hätte. Weil seit diesem 4. November so viele Fehler, Pannen und Versäumnisse des Geheimdienstes offenbar geworden sind, muss Fromm nun als ein Gescheiterter, als ein Verlierer sein Amt räumen.

Besonders in den letzten zwei Wochen hatte sich das Versagen seines Verfassungsschutzes noch einmal in aller Deutlichkeit gezeigt. Da wurde zunächst bekannt, dass das Bundesamt – viel intensiver als bis dato eingeräumt – die rechte Szene in Thüringen mit V-Leuten unterwandert hatte. Zwischen 1997 und 2003 leitete das BfV demnach eine „Operation Rennsteig“, an der sich neben den Landesämtern von Thüringen und Bayern auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) beteiligt hatte. Zweck der gemeinsamen Geheimdienstoperation war es, sich einen Einblick zu verschaffen in Strukturen und Aktionen der zu dieser Zeit als extrem gewaltbereit geltenden Thüringer Neonaziszene. Dazu sollten Zielpersonen aus der Szene aufgeklärt oder als Informanten angeworben werden. Die Namen dieser Zielpersonen von „Rennsteig“ füllten drei DIN A4-Seiten. Darunter befanden sich auch die der späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt sowie ihrer Helfer Holger G. und Ralf Wohlleben.

Während die Bayern sich schon bald aus der Operation wieder zurückzogen, gelang es den übrigen beteiligten Diensten, ein gutes Dutzend Neonazis aus dem „Thüringer Heimatschutz“ (THS) als Informanten anzuwerben. Allein Fromms Bundesamt führte acht V-Leute. Dem Ende Januar 1998 abgetauchten Neonazi-Trio Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe kamen die Geheimdienstler dennoch nicht auf die Spur. Die Frage, ob dies aus Unvermögen geschah oder um eigene Quellen nicht zu gefährden, lässt sich heute kaum mehr beantworten.

Seite 2:  Eine Umstrukturierung der Behörde ist nötig

Weil sich auch die Identität der V-Leute des Bundesamtes nicht mehr eindeutig nachvollziehen lässt – einige der Quellen sind aus „operativen Gründen“ nicht in die Computerdatei des BfV eingetragen worden, wie die Behörde in einem internen Bericht Ende letzten Jahres feststellte. Und nicht nur das. Wie Fromm am letzten Donnerstag einräumen musste, wurden auch sogenannte Fallakten der „Operation Rennsteig“ mit den Klarnamen der Quellen und ihren Berichten von einem Referatsleiter seines Hauses vernichtet – und zwar eine Woche nach dem Aufliegen des NSU, zu einem Zeitpunkt also, als die Generalbundesanwaltschaft bereits die Ermittlungen in dem Terrorverfahren übernommen hatte.

Sollte mit der Aktion Reißwolf möglicherweise vertuscht werden, dass das BfV viel dichter an den Aktivisten und Unterstützern des NSU dran war als bislang bekannt? Entsprechende Spekulationen dürften jetzt wieder aufleben. Aber auch wenn die Vernichtungsaktion einen anderen Hintergrund hatte, etwa die Fehleinschätzung im Bundesamt von frühzeitig vorliegenden Informationen über rechte Terrorplanungen nachträglich zu vertuschen, wäre dies ein Skandal sondergleichen.

Fromm hat das erkannt, er sprach am Wochenende im Spiegel von einem „erheblichen Vertrauensverlust und einer gravierenden Beschädigung des Ansehens des Amtes“.

Dass er jetzt die Konsequenzen zieht und die persönliche Verantwortung übernimmt, ist angemessen und richtig.

Die Öffentlichkeit aber wird sich mit dem Rücktritt von Fromm nicht zufriedengeben. Sie verlangt neben der umfassenden Aufklärung über die Hintergründe der Aktenvernichtung auch eine grundlegende Verbesserung der Arbeit des Geheimdienstes. Unerlässlich dafür aber wäre es, die Architektur des Inlandsdienstes umzugestalten, die bislang von einem Bundesamt und 16 weitgehend eigenverantwortlich und autonom agierenden Landesämtern geprägt ist. Ein stärkerer Durchgriff des BfV auf ihm nachgeordnete Länderfilialen kann dazu beitragen, Informationsverluste zu minimieren und Erkenntnisse effizienter auszuwerten.

Eine solche Umstrukturierung aber muss die Bundesregierung durchsetzen, gegen den erwarteten Widerstand der Länder. Wenn der Rücktritt Fromms zu solchen Reformen führen würde, dann liefe auch der Vorwurf des Bauernopfers ins Leere. Es wäre möglicherweise der letzte Dienst, den Fromm seiner Behörde erbracht hätte.

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