Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Koalitionsstörer - Der Berlusconismus des Horst Seehofer

Horst Seehofer erinnert an Silvio Berlusconi: Mit seinen Forderungen torpediert er nicht nur die Koalitionsverhandlungen, sondern schadet auch Angela Merkel. Der Rauswurf der FDP war ihm ohnehin wurscht – die mancher aber noch schmerzlich vermissen wird

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Eigentlich wollte ich heute nichts über Horst Seehofer schreiben. Ich habe nämlich den Eindruck, der Mann entwickelt sich so langsam zu einer Art bayerischem Silvio Berlusconi. Bei Berlusconi weiß man ja auch nie so genau, ob er seine teilweise bizarr anmutenden Entscheidungen aus taktischem Kalkül heraus trifft, aus persönlicher Eitelkeit oder einfach nur deshalb, weil er eine infantile Freude daran hat, bei allen anderen Ratlosigkeit und Verwirrung zu stiften. Was auch immer das Motiv ist, am Ende steht regelmäßig ein Schaden für die Allgemeinheit. Nicht viel anders verhält es sich derzeit mit Horst Seehofers obstruktivem Verhalten bei den Annäherungsversuchen zwischen Union und der SPD beziehungsweise den Grünen.

[[nid:55718]]

Nur zur Erinnerung: Das endgültige Debakel der FDP nahm seinen Anfang nicht am 22. September, sondern eine Woche zuvor bei den bayerischen Landtagswahlen. Das Ausscheiden der Liberalen aus dem Parlament des Freistaats war so etwas wie der Sargnagel für die FDP im Bund. Daran hatten natürlich die Freidemokraten selbst einen erheblichen Anteil. Aber es ist nun wirklich nicht so, dass der bayerische Ministerpräsident diesen Umstand sonderlich betrauert hätte – im Gegenteil. Muss er ja auch nicht, zumindest nicht mit Blick auf Bayern, wo die CSU jetzt wieder allein regieren kann. Aber im Bundestag sind die Mehrheitsverhältnisse seit dem Ausscheiden der FDP eben ein bisschen anders: Um eine Bundesregierung unter Führung der Union bilden zu können, ist eine Koalition entweder mit den Grünen oder mit der SPD unausweichlich. Eine Tatsache, die auch Seehofer bekannt sein dürfte.

Will Horst Seehofer Merkel schaden?


Allerdings handelt und spricht er so, als stünde irgendwo, irgendwie noch ein anderer Partner zur Verfügung. Mit den Grünen will er nach eigenem Bekunden nicht, mit den Sozialdemokraten kann er aber auch nicht wollen, wenn er – wie jetzt geschehen – Steuererhöhungen kategorisch ausschließt. Natürlich sollte man nicht jede Äußerung des Alleinherrschers aus dem Süden der Republik auf die Goldwaage legen. Aber die Frage darf doch erlaubt sein, warum Horst Seehofer die Regierungsbildung von Anfang an in einer Weise erschwert, die mit dem deutschen Selbstverständnis als europäischem Stabilitätsanker kaum in Einklang zu bringen ist. Wäre ihm tatsächlich daran gelegen gewesen, Steuererhöhungen zu vermeiden, hätte der Umgang mit der FDP zuvor ein wenig pfleglicher ausfallen müssen. Das kann also der Grund nicht sein.

Ist es am Ende also doch nur der wenig staatstragende Impuls, Angela Merkel möglichst große Brocken in den Weg zu werfen, damit sich ihr Nimbus als ingeniöse Machttechnikerin so schnell wie möglich verflüchtigt? Oder teilt er tatsächlich Silvio Berlusconis offensichtlich kindische Freude daran, Unruhe zu stiften, um sich selbst auf Kosten der Allgemeinheit zu erhöhen? Man weiß es nicht, man ahnt es nur. Jedenfalls scheint der bayerische Ministerpräsident fasziniert davon zu sein, wie es dem italienischen Cavaliere immer wieder gelingt, das eigene Land in Geiselhaft zu nehmen. Sollte Horst Seehofer sich demnächst liften lassen und einer Haartransplantation unterziehen, werden wir uns dieses schwierigen Themas noch einmal annehmen (ein paar Bunga-Bunga-Anklänge hat das interessierte Publikum vor ein paar Jahren während Seehofers außerehelicher Eskapaden und des entsprechenden Niederschlags in den Boulevardmedien ja bereits genießen dürfen).

Aber wie gesagt: Von Horst Seehofer sollte heute eigentlich gar keine Rede sein. Von der FDP dagegen schon. Zu deren Wahldesaster kann selbstverständlich jeder stehen, wie er will. Einigermaßen erschütternd finde ich aber die weitverbreitete Neigung zum Nachtreten. Es scheint in gewissen Milieus zum guten Ton zu gehören, den Rauswurf der Liberalen aus dem Bundestag nicht nur zu bejubeln, sondern abgewählte FDP-Abgeordnete persönlich zum Teufel zu wünschen. Das war bereits am Wahlabend vor dem Congress Center am Berliner Alexanderplatz zu besichtigen, wo ein spontaner Mob die Teilnehmer der geplanten FDP-Party lauthals verhöhnte. Und wer sich die Leserkommentare zur entsprechenden Berichterstattung im Internet anschaut, muss sich inzwischen fragen, ob aus den Liberalen während der schwarz-gelben Koalition eine verfassungsfeindliche Organisation geworden ist. Der Hass scheint geradezu grenzenlos.

[[nid:55884]]

FDP fällt als billige Problementsorgungsfazilität aus


Dabei war es doch, wenn ich mich recht erinnere, die vielgescholtene FDP, welche im Zuge der Eurorettungspolitik auf so etwas wie den Parlamentsvorbehalt gepocht hat. Nur mal, um ein Beispiel zu nennen, das nicht gerade für eine überschäumende Demokratiefeindlichkeit dieser Partei spricht. Ob der organisierte Liberalismus im deutschen Parlament eine Leerstelle hinterlässt, das wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Es steht aber heute schon fest, dass er als Blitzableiter für niedrigste Instinkte unterschiedlichster Art und Güte bald schmerzlich vermisst werden dürfte. Übrigens auch von Seiten der Unionsparteien, denen es ein Wohlgefallen war, eigene Performancedefizite während der abgelaufenen Legislaturperiode auf dem Spielfeld der FDP abzuladen. Auch diese billige Problementsorgungsfazilität ist nunmehr entfallen. Bleibt die Frage, wem es nutzt.

Wie sich überhaupt die Frage stellt, ob CDU und CSU so gut daran tun, ihren ehemaligen Koalitionspartner mit ostentativer Wurschtigkeit aus dem Bundestag zu verabschieden. Es dürfte ja kein Zufall sein, dass die persönliche Anteilnahme gegenüber ausscheidenden FDP-Parlamentariern bei Sozialdemokraten, Grünen und sogar bei Abgeordneten der Linkspartei größer ist als bei den Kollegen von CDU und CSU. Auf deren Krokodilstränen können die liberalen Wahlverlierer mit Sicherheit gut verzichten. Aber eine halbwegs saubere Trennung entspräche nicht nur bürgerlichen Umgangsformen. Sondern wäre auch durchaus ratsam im Blick auf potentielle politische Lebensabschnittsgefährten. Die Neigung der Grünen oder der SPD, sich mit der Union ins Bett zu legen, dürfte in Anbetracht des kaltschnäuzigen Abservierens der FDP jedenfalls nicht sonderlich gestiegen sein. Selbstüberschätzung und Egomanie sind in Wahrheit nämlich ganz schön abtörnend. Womit wir dann doch wieder bei Horst Seehofer wären.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.