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() Hubert Ulrich
Der Jamaika-Ingenieur

Er ist gelernter Werkzeugmacher, studierter Wirtschaftsingenieur und kennt Konzerne. Im Saarland schmiedet Hubert Ulrich nun die Jamaika-Koalition, Freunde nennen ihn gerne „Panzer“. Wer ist der mächtige Grünen-Chef aus Saarlouis?

Hubert Ulrich mochte sich nicht auf den grünen Traktor mit den roten Reifen setzen. Er wollte die Tigerente. Den Spielzeugtrecker hatten ihm seine Gesprächspartner auf der Linken geschenkt, als der Grünen-Chef kurz nach der Landtagswahl im äußersten Westen der Republik zum vierten Mal Vater wurde. Doch der 51-Jährige entschied sich für ein Wesen, das mit dem Attribut „klein, aber stark“ verbunden ist. So öffnete der Wirtschaftsingenieur den Weg für die sogenannte Jamaika-Koalition, für ein neues bürgerliches Regierungsbündnis aus CDU, FDP und Grünen. Gleichzeitig bescherte er der Sozialdemokratie eine weitere empfindliche Niederlage und demontierte nebenbei Heiko Maas, der sich zum Hoffnungsträger seiner Partei hätte entwickeln können. Erschien nach der Landtagswahl Ende August – und erst recht nach der Wahl der schwarz-gelben Bundesregierung – die Verfestigung der Lager in links und rechts naheliegend, so ist durch das Votum der saarländischen Grünen die Parteienlandschaft offener, breiter geworden. Die Grünen haben ihr Spektrum erweitert. Nachdem sie in Hamburg erstmals ein Bündnis mit der Union wagten, relativierten sie nun endgültig das rot-grüne Modell. Sie sind nicht länger selbstverständlicher Partner der SPD und der Linken im Land und befreien gleichzeitig die CDU aus einem Dilemma. Die hat nun eine zusätzliche Koalitionsoption. Der Mann, der dieses neue Kapitel der deutschen Parteiendemokratie aufschlug, muss als Realpolitiker im besten Sinne gesehen werden. Und als Machtmensch, als einer, der gestalten will. Grundsätzlich wäre Ulrich einem Linksbündnis gegenüber nicht abgeneigt gewesen, wie auch ein großer Teil seines Landesverbandes. Der Mann, den Parteifreunde aus seiner Heimatstadt Saarlouis „Panzer“ nennen, schätzte allerdings die Perspektive ab – und die war nicht günstig. Er nahm nachhaltig übel, dass die Linke, allen voran Oskar Lafontaine, seiner Partei überheblich, gar abschätzig gegenübergetreten war. Massiv hatte der ehemalige SPD-Chef versucht, die Grünen aus dem Landtag zu drängen. Daher rührte bei Ulrich eine tiefe Skepsis gegenüber einem rot-rot-grünen Bündnis. In intensiver Überzeugungsarbeit führte er eine Mehrheit in seinem Landesverband zu der Einsicht, dass ein stabiles Bündnis eher mit CDU und FDP bewerkstelligt werden könne – und dennoch ein Politikwechsel möglich sei. Allerdings hatte Ulrich auch nicht blauäugig agiert, sondern ließ sich weitreichende Zugeständnisse – etwa zur Bildungs- und Atompolitik – sowohl von CDU-Chef Peter Müller als auch vom FDP-Vorsitzenden Christoph Hartmann schriftlich geben. 27 Jahre Erfahrung in der Parteiarbeit, 15 davon als Landesvorsitzender kamen Ulrich bei seinem politischen Meisterstück zugute. Seit 1994 hat er in Städten immer wieder schwarz-grüne Bündnisse geschmiedet – auch, um der SPD die Unabhängigkeit seiner Partei zu demonstrieren. Hartnäckigkeit gehört zu seinem Charakter. Ulrich war von Hause aus nicht auf Rosen gebettet, absolvierte zunächst die Hauptschule und wurde Werkzeugmacher. Nach seiner Ausbildung arbeitete er als Qualitätsinspekteur bei Ford in Saarlouis, durchlief den zweiten Bildungsweg und brachte es zum Diplom-Wirtschaftsingenieur. Politik betreibt er aus Leidenschaft – auf allen Ebenen. Ulrich fing im Stadtrat seiner Heimat an, wo er für den Erhalt des Stadtwaldes kämpfte. Er kann auf zehn Jahre als Landtagsabgeordneter verweisen, saß aber auch schon im Bundestag. Dort bekam Gerhard Schröder die Sturheit des Saarländers zu spüren: Ulrich stimmte als Einziger aus den rot-grünen Regierungsfraktionen gegen den Haushalt 2004, weil der entschiedene Gegner des Steinkohlebergbaus die Kohlesubventionen ablehnte. Auch eine Affäre hat Ulrich bereits durch- und überlebt. 1999 trat er von allen politischen Ämtern zurück. Der Vorwurf lautete: Er habe Autos mit Behördenrabatt ge- und mit großem Gewinn wieder verkauft. 2001 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, und der Mann, den nun alle „Königsmacher“ nennen, kehrte auf die politische Bühne zurück. Der neue König ist der alte: Peter Müller. Der CDU-Mann, der seine absolute Mehrheit verlor und mit seiner Partei um 13 Prozentpunkte abstürzte, verdankt nun den Grünen, die mit 5,9 Prozent in den Landtag einzogen, dass er fünf weitere Jahre im Amt bleiben kann. Da hätte Ulrich schon ein Ministeramt zugestanden, doch das hat er früh abgelehnt – für jede denkbare Regierungskonstellation. In der Rolle des Fraktionschefs sieht er mehr Gestaltungsspielraum und mehr Handlungsfreiheit. Er wird Zeit brauchen für seine Partei. Denn der Teil, der sich eher bei einem Ministerpräsidenten Heiko Maas wohlgefühlt hätte, wird die Arbeit der Regierung äußerst kritisch verfolgen. Wie Peter Müller ist auch Hubert Ulrich in dem neuen Bündnis zum Erfolg verdammt. In den Berliner Parteizentralen schaut man gespannt auf das Projekt – wohlwollend bei der CDU, eher schaudernd bei den Grünen. Jamaika an der Saar entscheidet über die Zukunft eines neuen, eines bürgerlichen Regierungsmodells.

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