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(picture alliance) Nicht nur um die Atommüll-Fässer gibt es Streit, sondern auch um die Frage, welche Behörde dafür zuständig sein soll

Endlagersuche - Altmaiers taktische Machtspielchen

Der Atomausstieg kommt – doch wohin mit dem radioaktiven Müll? Hinter den politischen Kulissen tobt ein Machtkampf: Bundesumweltminister Altmaier will die Endlagersuche einem neuen Bundesamt übertragen. Grünenpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl hält das für „fahrlässig“. In einem Gastbeitrag für Cicero Online wirft sie ihm Taktiererei vor

Mit dem Wahlkampf in NRW und der anschließenden Entlassung des Bundesumweltministers Norbert Röttgen durch die Kanzlerin geriet auch die Arbeit am Endlagersuchgesetz ins Stocken. Kurze Zeit, nachdem Peter Altmaier das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) übernommen hatte, legte sein Haus einen neuen Entwurf vor. Die Grünen wiesen diesen jedoch sofort zurück .

Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, zwischen Bundesregierung und Oppositionsfraktionen sind von vier großen Streitpunkten geprägt:
1. die Behördenstruktur, die den Suchprozess gestaltet,
2. die Frage, wann welche Kriterien ins Gesetz kommen,
3. der Umgang mit Gorleben, und
4. die Anzahl der in der letzten Suchstufe untertägig zu erkundenden Standorte.

Zwar gibt es in jedem dieser vier Dissense seit der ersten Verhandlungsvorlage Fortschritte, doch nirgends reichen diese bisher für einen Konsens aus. Der nunmehr erste Entwurf aus dem Haus Altmaier kann daher – obwohl er Fortschritte in drei der benannten Punkte zeitigt – nicht Grundlage weiterer Verhandlungen sein. Denn in der Frage der Behördenstruktur weist er nicht nur keinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt auf.

Warum ist die Behördenstruktur für die Endlagersuche so wichtig?

Eine Endlagersuche muss ergebnisoffen sein und alle potenziellen Wirtsgesteine, in denen aus geologischer Sicht radioaktive Abfälle unterirdisch endgelagert werden könnten, vergleichen. Außerdem müssen die Bürger angemessenen beteiligt werden. Es wird also noch mindestens 15 Jahre in Anspruch nehmen, bis der endgültige Standort gefunden ist. Schlüsselbegriffe für ein erfolgreiches Verfahren sind die Sicherheit beim geologischen Auswahlprozess einerseits, Transparenz und Partizipation andererseits.

Wir haben genug gescheiterte Endlager-Standorte in Deutschland: Asse, Morsleben, Gorleben. Sie wurden alle willkürlich ausgewählt, nie vergleichend, immer intransparent und ohne angemessene gesellschaftliche Partizipation. Asse und Morsleben werden die Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen. In Gorleben wurden 1,6 Milliarden Euro der Energiekonzerne versenkt, die von daher alles daransetzen werden, sich den Kosten einer neuen Endlagersuche zu entziehen. Gravierender noch als der ökonomische Verlust ist allerdings der massive Vertrauensverlust, den Asse und Gorleben als Blindgänger eines demokratischen Systems in der Bevölkerung bewirkt haben.

Ohne Vertrauen der Bevölkerung in die Ehrlichkeit einer Endlagersuche kann ein solcher Prozess jedoch nicht gelingen. Die Akzeptanz der Suche wird von ihrer Transparenz, der gesellschaftlichen Partizipation, der Belastbarkeit der verankerten Kriterien und der Glaubwürdigkeit der beteiligten Behörden und Institutionen abhängen.

Die Idee einer neu zu gründenden Behörde oder eines Bundesinstituts für die Endlagersuche, die sich durch die BMU-Entwürfe zieht, ignoriert das vorhandene, von früheren Entscheidern geschaffene fundamentale Misstrauen in Endlagerfragen. Die Behörde, der es gelingen kann, einen so schwierigen Prozess zu einem akzeptierten Ergebnis zu führen, muss schon vor dieser Aufgabe als kompetent und glaubwürdig von der Gesellschaft anerkannt sein. Eine solche Behörde haben wir: das dem BMU unterstellte „Bundesamt für Strahlenschutz“ (BfS).

Seite 2: Der Präsident des BfS ist ein Grüner

Zur Behördenstruktur für die Endlagersuche gehört in erster Linie der sogenannte „Vorhabenträger“, der vor Ort und damit für die Öffentlichkeit der direkte Ansprechpartner ist. Dazu eine „Regulierungsbehörde“ für Genehmigungen und Aufsicht neu zu gründen, macht tatsächlich Sinn. Sie könnte auch beim Umweltbundesamt (UBA) angegliedert sein. Bisher gibt es unter dem Dach des BfS eine getrennte Abteilung „Endlagerüberwachung“. Jedoch entspricht dies nach Ansicht einiger Juristen nicht ausreichend der von der EU geforderten Trennung von Regulation und Ausführung. Zusätzlich könnte ein unabhängiger „Wissenschaftlicher Beirat“ an der Vorbereitung der Standortentscheidung und der Beteiligung der Öffentlichkeit mitwirken. Die entscheidende Rolle für eine Vertrauensbasis in der Bevölkerung wird jedoch der Vorhabenträger spielen.  

Nebenziel der bisherigen Gesetzentwürfe: Entmachtung des BfS

Umso unverständlicher war und ist von daher die Verdrängung des Bundesamts für Strahlenschutz aus seiner im Grund geborenen Rolle beim Endlagersuchprozess. Diese Verdrängung zieht sich jedoch wie ein Muster durch die BMU-Entwürfe. Kam das BfS im ersten Röttgen-Entwurf gar nicht vor, sollte es dann zur Genehmigungsbehörde mutieren, um schließlich – als Angebot an die Opposition – als Vorhabenträger mit beschnittenen Kompetenzen vorgeschlagen zu werden. Es geht hier aber nicht um einen Gefallen an die Opposition. Es geht darum, die Vorbedingungen für den Suchprozess so zu gestalten, dass er gelingen kann. Die Kompetenz und Glaubwürdigkeit einer Behörde, die selbst bei so fatalen Aufgaben wie der Sanierung von Asse und Morsleben von der Bevölkerung als vertrauenswürdig eingestuft wird, beim Endlagersuchprozess nicht bestmöglich zu nutzen, ist schlicht fahrlässig.

Der Vorschlag ist daher nicht nachvollziehbar. Von Gründen, die womöglich in der Grünen-Mitgliedschaft des Präsidenten des BfS liegen, dürfte ein Minister, der für das Endlagersuchgesetz den Konsens mit den Grünen sucht, sich nicht beeinflussen lassen.

Doch auch Altmaier legt nicht vor, was der Sache angemessen ist. Wieder soll ein neu zu gründendes Bundesinstitut viel Macht erhalten. Es soll Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung durchführen, Vorschläge für die Suchkriterien vorlegen, die Sicherheitsuntersuchungen bewerten, über die Erkundungsprogramme entscheiden und dem BMU die Standorte vorschlagen. Der Vorhabenträger BfS wird damit zum Zuarbeiter degradiert.

Altmaiers Novum: Das Institut soll nun eingegliedert sein in ein neues „Bundesamt für kerntechnische Sicherheit“. Weitere Aufgaben sollen dafür vom BfS übertragen werden: Transport- und Zwischenlagergenehmigungen ebenso wie der Fachbereich für Sicherheit in der Kerntechnik und das bereits genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle Schacht Konrad. An Aufgaben in atomaren Bereichen bliebe dem Bundesamt für Strahlenschutz die Zuarbeit bei der Endlagersuche und die beiden Endlager Asse und Morsleben, die dem BfS jeweils nach ihrem desaströsen Scheitern zufielen.

Warum Kompetenzen auseinandergerissen und eine neue teure Doppelstruktur geschaffen werden sollen, erschließt sich nicht. Bei einer Trias aus unabhängigen
1.Vorhabenträger,
2. Regulierungsbehörde und
3. Wissenschaftlichem Beirat
wird die Regulierung von der Ausführung getrennt. Diese Trennung vollzieht eine Konstruktion
1. „Bundesinstitut für Endlagersuche“,
2. Genehmigungsbehörde und
3. „Abteilung Sicherheit in der Kerntechnik“
unter dem gemeinsamen Dach eines neuen Bundesamts dagegen nicht. Das ist deshalb bemerkenswert, weil diese Trennung von den Befürwortern eines Bundesinstituts immer als Begründung angeführt wurde, warum man dem BfS mit seiner bisherigen Abteilung Endlagerüberwachung die Endlagersuche nicht übertragen könne.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser die Verhandlungsaussichten verschlechternde Entwurf aus dem Haus Altmaier schneller war als der Minister selbst und Altmaier nach Einarbeitung in die Materie erkennt, dass das Ziel einer die Endlagersuche bestmöglich unterstützenden Behördenstruktur nicht deckungsgleich ist mit dem Ziel einer weitgehenden Entmachtung des Bundesamts für Strahlenschutz. Das Engagement von Bundesebene und Bundesländern, von Koalitions- und Oppositionsparteien für ein Endlagersuchgesetz, die Hoffnungen in der Bevölkerung auf einen Neuanfang in der lange blockierten Endlagerproblematik haben einen Minister verdient, dem es um die Sache geht und nicht um Partei- oder Partialinteressen!

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