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Allianz mit der Linken - Ist die Piratenpartei tot?

Der Berliner Ex-Pirat Martin Delius nähert sich mit 34 weiteren früheren Parteifreunden der Linkspartei an. Ist das das Ende der Netzpartei?

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Ein bisschen Chuzpe hatten sie schon, als sie ihren Termin auf genau diesen Zeitpunkt legten. Von Freitag bis Sonntag wählt die Berliner Piratenpartei ihre Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl im September. Und just am Vorabend – Donnerstag – verkündeten der Ex-Pirat und Chef des Flughafen-Untersuchungsausschusses Martin Delius sowie der Berliner Linken-Chef Klaus Lederer eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien.

„Aufbruch in Fahrtrichtung links“ nennen sie ihren Appell, den 35 ehemalige Angehörige, Funktionsträger und Mandatsträger der Piratenpartei unterzeichnet haben. Darin wird ein Gesellschaftsbild gefordert, „das fundamental vom Status quo der Leistungs- und Segregationsgesellschaft abweicht“. Einzig die Linke entwickle und diskutiere in Deutschland ein solches Gesellschaftsbild.

Die Linke „kritisch und solidarisch unterstützen“


Die Mitzeichner wollen die Berliner Linke in diesem Jahr „kritisch und solidarisch unterstützen“. Darunter sind auch der Berliner Ex-Landeschef Gerhard Anger und Ex-Bundesvorstand Julia Schramm, aber auch Unterstützer aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern. Acht davon sind bereits zur Linkspartei übergetreten, wie die Neuköllner Lokalpolitikerin Anne Helm, selbst eine davon, Cicero bestätigte.

Vor viereinhalb Jahren war die Piratenpartei angetreten, um der Bundesrepublik ein „Update“ zu verpassen. Digitalisierung, Netzpolitik, Informationsfreiheit, Transparenz: Es waren Themen, die bei den anderen Parteien brach lagen. Es waren große Visionen.

Nun schreibt Martin Delius mit seiner abtrünnigen Fraktion: „Die Piratenpartei ist tot.“

Zahlreiche Funktions- und Mandatsträger haben den Piraten bereits den Rücken gekehrt. Im Dezember verließen der frühere Berliner Fraktionschef und ein weiterer Abgeordneter das Schiff.

Also aus, Ende?

Bruno Kramm, amtierender Berliner Piraten-Chef, widerspricht: „Wir sind sehr lebendig.“ Das zeige „das bunte Programm für unseren Parteitag“. Es sei „seltsam“, dass jemand für die Piraten spreche, der längst ausgetreten sei, sagte er mit Blick auf Delius.

Kramm findet, die Piratenpartei passe auch gar nicht zur Linken, „weil die hierarchisch organisiert ist und nicht jedem die Partizipation ermöglicht“. Richtig sei, dass die Piraten schon immer „Themenkoalitionen“ auch mit anderen Parteien schlossen.

Linken-Chef erfreut


Martin Delius, Vorsitzender des Berliner Flughafen-Untersuchungsausschusses, hat seine Piraten-Mitgliedschaft im Dezember zwar beendet, will aber das Parteibuch der Linken noch nicht annehmen. „Es geht um einen gemeinsamen Diskurs“, sagt er. Der „Aufbruch“ sei vor allem eine Antwort an die Wähler, die sich fragen, wie es nun weitergehen soll. „Es ist keine Option, unpolitisch zu sein in dieser Zeit.“

Wo Programme unfertig sind und Talente brach liegen, ist es kein Wunder, dass andere Parteien schon längst ihre Netze ausgeworfen haben. Die FDP konnte sich die beiden früheren Piratenchefs Sebastian Nerz und Bernd Schlömer angeln. Auch CDU, Grüne und die AfD probierten es hie und da.

Den größten Fang aber hat nun die Linkspartei gemacht. „Es war klar, dass die uns am nächsten stehen“, findet Anisa Fliegner, die schon vor einem Jahr abgehauen ist. Jetzt engagiert sie sich für Netzpolitik.

Der Berliner Linken-Chef Klaus Lederer sagt zwar: „Wir sind nicht die Erben im engeren Sinne.“ Aber natürlich habe seine Partei, auch im Bundestag, schon lange an digitalen Themen gearbeitet. „Außerdem haben wir uns niemals an dem Piraten-Bashing beteiligt, sondern Zugang gesucht. Deswegen sind sie nicht schlecht aufgehoben hier.“

Ist Lederer dann der Grabredner der Piratenpartei? Die „Grabredner der Piratenpartei kommen aus der Piratenpartei selber“, sagt Lederer.  Er spricht lieber von „Zerfalls- und Differenzierungsprozessen“, und ergänzt: „Es steht mir nicht zu zu sagen, dass es das Ende ist.“

„Reisende soll man nicht aufhalten“
 

Der Piraten-Bundesvorsitzende Stefan Körner, der sich eher dem konservativen Flügel zurechnet, zeigt sich von dem „Aufbruch“ nicht sonderlich beeindruckt: „Reisende soll man nicht aufhalten.“ Der mediale Hype, der die Partei 2011 bis 2013 in vier Landesparlamente spülte und auch viele Neumitglieder brachte, habe den Piraten damals „geschadet“. „Dass jetzt einige mit Tamtam zur FDP oder zur Linkspartei gehen, zeigt doch nur, wie breit das politische Spektrum war, das die Leute in die Partei projiziert haben.“

Jetzt jedenfalls habe die Partei eine „klare Position“ gefunden: „Mein gesamter Vorstand ist beim letzten Bundesparteitag mit circa 80 Prozent wiedergewählt worden.“

Aufrecht bis zum Schluss: So hat es schließlich auch der Pirat Klaus Störtebeker vorgemacht, dessen Kampfesmut Legende wurde. Bis das Fallbeil auf ihn herabsauste.

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