Wohin mit Ihrem Geld? - Wer spart, ist der Dumme

Italien und Frankreich führen Deutschland mit seinem soliden Haushalt an der Nase herum. Während hierzulande gespart wird, häufen unsere Nachbarn fleißig Schulden an. Höchste Zeit, selbst Kredite aufzunehmen, findet unser Finanzkolumnist Daniel Stelter. Er hat auch schon eine Idee, wohin mit unserem Geld.

Ein Staatsfonds nach norwegischem Vorbild. Unser Finanzkolumnist Daniel Stelter hält die Idee für sinnvoll
Anzeige

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

So erreichen Sie Daniel Stelter:

Anzeige

Falls es überhaupt noch Zweifel gegeben haben sollte, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzierung der Staaten über die Bekämpfung der Inflation stellt, dürften diese spätestens jetzt ausgeräumt sein. Bereits im Juni und Juli hat die EZB angesichts der politischen Turbulenzen in Italien 17 Milliarden Euro in die italienischen, spanischen und griechischen Märkte gepumpt, während ihr Portfolio aus deutschen, niederländischen und französischen Schuldtiteln um 18 Milliarden Euro gesunken ist. Allein zehn Milliarden entfielen dabei auf die Käufe italienischer Anleihen.

Offiziell dient dieser Eingriff dazu, die Funktionsfähigkeit der Geldpolitik im Euroraum zu sichern, aber er führt zu einer Politik, die den Zinsunterschied zwischen gering verschuldeten und hoch verschuldeten Staaten begrenzt.

Diese Politik trifft uns mehrfach. Zum einen werden wir über unseren Anteil am Eurosystem ein immer größerer Gläubiger Italiens. Zum anderen führt wachsende Verschuldung zu einer weiteren Aufblähung der Geldmenge und befeuert so die Inflation. Auch über die immer weiter anwachsenden Forderungen der Bundesbank im Eurosystem sind wir als Kreditgeber Italiens dabei. Zuletzt mit immerhin 640 Milliarden Euro. Insgesamt nähern sich unsere Forderungen dem Wert von 1300 Milliarden. Hinzu kommen noch Milliarden im Rahmen des neuen Schulden- und Transfermechanismus der EU, dem sogenannten „Wiederaufbaufonds“, bei dem Deutschland der größte Beitragszahler ist und Italien fast 200 Milliarden erhält. Mit Blick auf unsere relativ geringere Staatsverschuldung werden unsere europäischen Freunde nicht müde, mehr Solidarität einzufordern, also weitere Transfers.

Vermögen fürs Volk

Wir haben es also mit einer Währungsunion zu tun, in der finanzielle Solidität nicht belohnt, sondern bestraft wird. Die anderen Staaten, allen voran Frankreich, das mit Blick auf die Gesamtverschuldung von Staat und Privatsektor am höchsten verschuldete Land der Union, setzen immer unverhohlener auf Transfers und Inflation. Sie denken nicht im Traum daran, ihre eigenen Haushalte in Ordnung zu bekommen. Wer in diesem Umfeld auf solide Staatshaushalte und „sparen“ setzt, ist der Dumme.

Höchste Zeit, dass unsere Politik dies erkennt und mitmacht: Mehr Schulden in Deutschland sind das Gebot der Stunde. Damit sollten aber auf keinen Fall weitere Sozialleistungen finanziert werden. Stattdessen muss es darum gehen, eine sichere und kostengünstige Energieversorgung zu garantieren und das Wachstumspotenzial zu erhöhen.

Ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Stärkung der privaten Vermögen. Deutschland sollte einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild auflegen. Für jeden Bürger unter 65 Jahren würden 25.000 Euro vom Staat auf ein Alterssicherungskonto eingezahlt, zunächst in Form neuer Staatsanleihen. Das Fondsmanagement würde diese Anleihen nach und nach verkaufen und im Gegenzug ein globales Portfolio von Aktien, Immobilien und Infrastruktur­investments erwerben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Auf einen Schlag besäßen jene 50 Prozent der Bevölkerung, die bisher vermögenslos waren, Vermögen und legten dieses professionell an. Als Land mit schrumpfender Bevölkerung würden wir uns in der Alterssicherung von der Demografie unabhängig machen und am Aufschwung in anderen Regionen partizipieren.

Unser Staat wäre selbst nach der Gründung eines solchen Fonds, der überschlägig 1600 Milliarden Euro kosten würde, nur so hoch verschuldet wie der Durchschnitt der Eurozone und geringer als Italien, Spanien und Frankreich. Er würde wie diese Länder von der Entwertung der Schulden durch Inflation profitieren.

Das Einzige, was gegen diese für unseren Wohlstand naheliegende Strategie spricht, ist die Logik der Politik. Die Mehrheit unserer Volksvertreter dürfte sie nicht verstehen, und jene, die sie verstehen, scheuen die Konsequenz: Bürger, die selbst über Vermögen verfügen, sind weniger anfällig für Wahlgeschenke und damit für Manipulation.

 

Dieser Text stammt aus der November-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

Sie sind Cicero-Plus Leser? Jetzt Ausgabe portofrei kaufen

Sie sind Gast? Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige