Wohin mit Ihrem Geld? - Flucht der Talentierten

Deutschland will ausländische Fachkräfte anlocken. Das ist richtig, findet unser Kolumnist Daniel Stelter. Doch das Land sollte sich erst einmal darum kümmern, die Spezialisten hier zu halten, die jedes Jahr das Land verlassen.

Nur ein Land, das sich selbst liebt, kann bei ausländischen Fachkräften beliebt sein
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Nur wer sich selbst liebt, findet auch jemanden, der einen liebt“, so das Motto vieler Psychologen. Was für uns als Individuen gilt, gilt auch für uns als Nation: Wollen wir, dass Fachkräfte aus aller Welt zu uns kommen, sollten wir ausstrahlen, wie attraktiv es ist, in Deutschland zu leben. Leider scheinen viele Deutsche das nicht so zu sehen.

Mehr als 200 000 kehren der Heimat jedes Jahr den Rücken. Aktuell leben 5 Prozent der Deutschen im Ausland. Im Vergleich mit anderen OECD-Staaten weisen nur Polen und Großbritannien einen höheren Anteil Auswanderer auf. Beliebte Ziele für deutsche Auswanderer sind die Schweiz (200 000 deutsche Zuwanderer in den zurückliegenden zehn Jahren), die Vereinigten Staaten (127 000), Österreich (108 000) und Großbritannien (82 000). Diese Abwanderung zu reduzieren, wäre ein naheliegendes Ziel, zumal eine Ursachenanalyse auch dabei helfen dürfte, Deutschland für Zuwanderer attraktiver zu machen. 

Die Bildungsunterschiede unter Zuwanderern

Die Bundesregierung betont gerne, dass Deutschland nach internationalen Umfragen eines der beliebtesten Zielländer ist, verschweigt aber die Tatsache, dass diese Erhebungen nicht nach dem Qualifikationsniveau der Einwanderungsinteressierten unterscheiden. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass die Zuwanderung nach Deutschland von Menschen ohne oder mit geringem Bildungsabschluss dominiert wird.

Diese überwiegend unter dem Schutz des Asylrechts stattfindende, weitgehend ungesteuerte Migration bringt Folgeprobleme mit sich: Die Integration gestaltet sich deutlich schwerer, der Bildungsrückstand ist auch über Generationen nur schwer zu beheben, und die Gefahr einer Gettobildung ist nicht nur theoretisch gegeben. 

Während die Bildungsleistung der Kinder von gering qualifizierten Zuwanderern deutlich hinter jenen der schon länger hier lebenden Bevölkerung zurückbleibt, übertreffen die Kinder von qualifizierten Zuwanderern das Leistungsniveau deutlich. Hier zeigt sich, was sich auch in anderen Ländern von Kanada bis Singapur feststellen lässt: Qualifizierte Zuwanderung führt auf allen Ebenen zu einem Gewinn.

Wir brauchen die Talentierten

Es ist daher richtig, dass die amtierende Bundesregierung (erneut) versucht, es gut qualifizierten Menschen zu erleichtern, einzuwandern und in den Arbeitsmarkt einzutreten. Aber was ist mit den Auswanderern? 

Gute Unternehmen führen mit Mitarbeitern, die kündigen, „Exit Interviews“, um zu lernen und besser zu werden. Höchste Zeit, dass wir das auch als Land tun, um von den Auswanderern zu lernen, was wir verbessern müssen.

Die wenigen Datenpunkte, die vorliegen, sind nicht ermutigend. 

Die Auswanderer aus Deutschland sind jünger und besser ausgebildet als der Durchschnitt der Bevölkerung und können ihr Einkommen im Ausland deutlich steigern. Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Löhne in Deutschland nach Jahren der Zurückhaltung sichtbar steigen. Ebenso ist es an der Zeit, das Steuer- und Abgabensystem so umzubauen und den Staatsanteil auf ein angemessenes Maß zurückzuführen, dass mehr Netto in den Taschen der Arbeitnehmer bleibt. Denn eines dürfen wir von qualifizierten Zu- und Abwanderern erwarten: dass sie rechnen können. 

Doch es dürfte nicht nur an den Einkommen liegen. In einigen Wissenschaftsbereichen findet Forschung nicht mehr in Deutschland statt. Der Zustand von Schulen und Infrastruktur ist bekanntlich schlecht. Verzicht und Rückschritt prägen die gesellschaftliche Debatte bei wichtigen Themen wie dem Klimawandel, nicht Aufbruch und Innovation.

Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, dass wir für qualifizierte Menschen nicht das beste Paket bieten. Wir müssen vielmehr in die eigene Zukunft investieren, bevor wir erwarten können, dass die Talente der Welt kommen und bleiben, um an der Zukunft mitzuarbeiten.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe von Cicero, die Sie direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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