Bei der Geldanlage geht es nicht um kurzfristigen Gewinn, sondern um langfristigen kaufkraftbereinigten Vermögenserhalt – plus X. Natürlich sollte X möglichst groß und auf jeden Fall positiv sein. Doch selbst das ist nicht leicht. Zum einen, weil wir uns nach einem mit immer mehr Schulden und tieferen Zinsen befeuerten Aufstieg nach mehr als 30 Jahren am Gipfel befinden und realistisch nur noch mit geringen Renditen in den kommenden Jahren rechnen können.
Zum anderen, weil auch der Langfristanleger – beeinflusst vom ständigen Auf und Ab an den Märkten und der Flut an Artikeln wie diesem – Gefahr läuft, die Strategie zu vergessen und in operative Hektik zu verfallen, vornehmer auch „Taktik“ genannt. Wie der sagenhafte Odysseus muss der Investor sich die Ohren zuhalten und die Arme festbinden, um nicht von den Klängen der Sirenen ins Unglück gerissen zu werden.
Prognosen sind pures Glücksspiel
Besonders laut sind die Sirenen zum Jahreswechsel. Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter überbieten sich mit Prognosen fürs kommende Jahr. Dabei profitieren sie davon, dass man sich ein Jahr später ohnehin nicht mehr an sie erinnert. Zwar lagen die meisten mit dem grundlegenden Optimismus für die Aktienmärkte richtig – ein Plus von rund 25 Prozent in Europa und den USA haben die wenigsten erwartet. Ebenso wenig, dass die Zinsen weiter fallen und der US-Dollar so stark bleiben würde.
Alle Arten von Prognosen für die Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten auf die Sicht von zwölf Monaten sind jedoch pures Glücksspiel. Wie schon der britische Ökonom John Maynard Keynes wusste: Die Börsen können länger falschliegen, als man Geld hat, gegen sie zu wetten. Nur selten liegen Investoren richtig, wenn sie versuchen, den Markt zu timen. In der Tat zeigen Studien, dass die Mehrheit zu spät auf den fahrenden Zug aufspringt und nach einem Absturz kurz vor der Wende verkauft. Besser ist es, immer dabei zu sein. Letztlich sind es nur wenige Tage, die den Ertrag bringen. Für ein schlechtes Gesamtergebnis reicht es, wenn man nur ein paar davon verpasst.
Ein diversifiziertes Portfolio ist geboten
Mit Blick auf die hohen Bewertungen, die immer noch rekordtiefen Zinsen und die ungelösten Schuldenprobleme der Welt halte ich an meiner Strategie fest: Ein diversifiziertes Portfolio von Aktien, Anleihen, Liquidität, Gold und Immobilien mit guter regionaler Streuung dürfte das Beste sein, um auf Sicht durch drei Grundszenarien der weiteren Entwicklung zu kommen. Diese sind, zur Erinnerung: das „Weiter-so“ geringen Wachstums, steigender Schulden und geringer Inflation – das Szenario „Japan“. Der Konjunktureinbruch mit Zahlungseinstellungen – das Szenario „Deflation“. Und schließlich, auch das sollten wir nicht ausschließen, ein Gelingen der Politik des billigen Geldes – das Szenario „überschießende Inflation“. Vermutlich werden wir eine Kombination dieser Szenarien erleben.
Entscheidend bei der Strategie breiter Streuung ist das Element der Qualität. Die Qualität der Aktien, der Schuldner, der Immobilien und der Bank, bei der man Liquidität hält. Stimmt sie, wird man Vermögen erhalten, ist aber nicht vor zwischenzeitlichen Kursverlusten geschützt. Diese kommen meist dann, wenn man sie nicht erwartet. Die Risiken sind erheblich. Aber wie 2019 gezeigt hat, besteht immer auch das Risiko, die guten Tage zu verpassen. 2020 dürfte ein turbulentes Jahr an den Finanzmärkten werden. Eine risikolose Prognose meinerseits.
Dieser Text ist in der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.
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