Wirecard-Skandal - EY soll schon 2016 über Betrug infomiert gewesen sein

Eine Wirecard-Recherche der britischen „Financial Times“ legt nahe, dass die Wirtschaftsprüfer von EY schon 2016 Hinweise auf Betrug und Bestechung bekommen haben. Ausgerechnet ein eigener Mitarbeiter gab die Hinweise. Doch EY attestierte Wirecard immer wieder saubere Bilanzen.

EY-Bürogebäude in Berlin / dpa
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Der Wirecard-Skandal ist offenbar um ein brisantes Kapitel reicher. Das legt eine investigative Recherche der britischen Financial Times nahe. Laut dem Bericht sollen die langjährigen Wirtschaftsprüfer von EY bereits im Jahr 2016 von einem eigenen Mitarbeiter gewarnt worden sein. Ein leitender Mitarbeiter von Wirecard soll demnach möglicherweise Betrug begangen haben und ein weiterer Mitarbeiter soll versucht haben, einen der Wirtschaftsprüfer zu bestechen.

Noch vor wenigen Wochen hatte der Vorsitzende für globale Angelegenheiten von EY, Carmine Di Sibio, „sein Bedauern“ darüber ausgedrückt, dass der Betrug „nicht früher aufgedeckt“ worden sei. EY sei aber ja letztendlich „erfolgreich bei der Aufdeckung des Betrugs“ gewesen.

Zutage treten diese Erkenntnisse ausgerechnet aus einem bislang unveröffentlichten „Info-Addendum“ zur Sonderprüfung des EY-Wettbewerbers, der Unternehmensberatung KPMG. Der schon im April veröffentlichte Hauptbericht von KMPG war der Beginn des Untergangs von Wirecard. Das Addendum, so die Financial Times, lese sich so, als komme es einer vernichtenden Anklage gegen EY gleich.

Laut dem KPMG-Addendumg soll der nicht genannte EY-Informant 2016 einen Brief an den Hauptsitz von EY Deutschland in Stuttgart gesandt haben. Darin soll zwar nicht das gesamte Ausmaß des globalen Wirecard-Betrugs benannt worden sein. Aber dennoch genug, um mehr als misstrauisch zu werden. Wirecard hatte damals für 340 Millionen Euro die drei Zahlungsdienstleister Hermes i Tickets, GI Technology und Star Global von einem undurchsichtigen Unternehmen auf Mauritius, mit dem Namen Emerging Market Investment Fund 1A (EMIF 1A) gekauft. Laut dem EY-Whistleblower sollen „leitende Angestellte von Wirecard Deutschland“ direkt oder indirekt Anteile an EMIF 1A gehalten haben und daher in einen Interessenkonflikt verwickelt gewesen sein.

Ferner sollen leitende Wirecard-Manager den Betriebsgewinn von indischen Unternehmen künstlich in die Höhe getrieben haben, um wiederum den Kaufpreis, der teils an zukünftige Gewinne gekoppelt war, in die Höhe zu treiben. Zudem soll ein Wirecard-Manager, der eine leitende Position bei Hermes innehatte, einem lokalen EY-Mitarbeiter eine „persönliche Entschädigung“ angeboten haben, wenn der Wirtschaftsprüfer sich bereit erklärte, manipulierte Verkaufszahlen zu unterschreiben.

Dass ausgrechnet ein eigener EY-Mitarbeiter verdächtige Aktivitäten bei Wirecard vier Jahre vor der Implosion in Teilen aufgedeckt haben soll, dürfte den Druck auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft extrem erhöhen. EY wird derzeit ohnehin von der deutschen Wirtschaftsprüfungsaufsichtsbehörde Apas untersucht. Für Wirecard-Investoren, die Milliarden Euro verloren haben, dürfte das ebenfalls eine interessante Neuigkeit sein. Der Ball scheint demnach nicht mehr nur beim Finanzminister Olaf Scholz zu liegen, sondern nun explizit auch wieder beim Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Hier geht es zu dem Enthüllungsartikel der Financial Times (englisch)

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