Streit über Mietenpolitik - Die Politik kann nicht rechnen

Die neue CO2-Steuer soll auch von den Vermietern getragen werden, lautet derzeit eine weitverbreitete politische Forderung. Doch das führt zum exakten Gegenteil dessen, was eigentlich erreicht werden soll. Ein Beispiel verdeutlicht die Fehlkalkulation.

Nach einem Anschlag auf das Bürgerbüro des Berliner Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak (CDU) im April / dpa
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Das Debakel der Impfstoffbeschaffung hat gezeigt, wie offensichtlich unzureichend die Verantwortlichen Kosten und Nutzen durchgerechnet haben. Leider muss man feststellen, dass es auch bei anderen Themen an der simplen Mathematik scheitert.

Neuestes Beispiel: die Forderung der Politik, die Vermietenden (so schreibt man das jetzt) an den Kosten der neuen CO2-Steuer zu beteiligen und die Kosten nicht einseitig den Mietenden (auch das schreibt man jetzt so) aufzuerlegen. Schließlich würde der Vermietende über Heizung und Isolierung des Hauses entscheiden, und der Mietende müsste quasi mit den Konsequenzen leben. 

Wer sich dieser Logik verweigert, wird sogleich gebrandmarkt: „Union blockt Entlastung von 23 Millionen Mietern“ titelte Spiegel Online am 20. April.

Es lohnt sich, das mal genauer anzuschauen. Statt abstrakter Diskussionen empfiehlt sich ein konkretes Beispiel. Ein Bekannter hat kürzlich im Rahmen des Erbübergangs in der Familie ein kleines Mietshaus geerbt. Der Wert des Hauses wurde mit rund 1.500.000 Euro ermittelt. Die Jahresnettokaltmiete beträgt rund 85.000 Euro, der Überschuss nach Instandhaltung und Verwaltungskosten liegt bei 53.000 Euro vor Steuern. 

Nach Steuern verbleibt dem Vermietenden, der noch über andere Einkünfte verfügt, ein Überschuss von 29.000 Euro, was einer Rendite von etwa zwei Prozent entspricht. Dies ist wenig, aber schon überdurchschnittlich. Bereits 2016 rechnete das DIW vor, dass die Mehrheit der privaten Vermieter nur Vor-Steuer-Renditen von zwei Prozent erzielt. Besser fahren nur jene, die Immobilien schon lange im Familienbesitz halten und sehr kostenbewusst verwalten. 

Schon jetzt zahlen die Vermietenden

Schauen wir nun auf die Folgen der Klimaschutzpolitik. Im konkreten Fall des Hauses mit Baujahr 1959 bedeutet die neue CO2-Steuer bei einem Jahresverbrauch von 12.000 Litern Öl eine Kostensteigerung um 960 Euro im Jahr 2021 und rund 2000 Euro im Jahr 2025. Dieser Anstieg soll – so die Forderung – ganz oder teilweise vom Vermietenden getragen werden.

Doch ist das berechtigt? Ein Blick in den Mietspiegel zeigt, dass bereits heute ein Abschlag von 17 Cent pro Quadratmeter und Monat von der ortsüblichen Miete erfolgt, weil das Haus einen schlechten Energieausweis hat. In unserem Fall erzielt der Vermietende für seine 940 Quadratmeter bereits heute rund 2000 Euro weniger Miete. Die Mietenden zahlen umgekehrt bereits heute 2000 Euro weniger, eben weil sie in einem Haus mit höheren Energiekosten leben. 

Steigen die Energiekosten weiter, ist davon auszugehen, dass die Kaltmieten relativ zum Zustand ohne CO2-Steuer relativ zum Markt sinken und bei künftigen Mietspiegeln der Abschlag vom Mittelwert steigt. Und Mietspiegel sind für Mieterhöhungen in den meisten Ballungsräumen relevant.

Übersetzt: Die Politik muss gar nichts tun, da sich steigende Nebenkosten in einem Markt immer auf die Kaltmiete auswirken. Aus Sicht der Mietenden ist es nämlich egal, wie sich die monatlichen Kosten zusammensetzen. 

Erzwingt man nun doch – weil populär – eine zusätzliche Beteiligung der Vermietenden, hat auch dies letztlich keinen nachhaltigen Effekt, sofern der Markt funktioniert. Sinkt die Belastung durch die Nebenkosten, steigen die Kaltmieten über die Zeit entsprechend an. Der Abschlag vom Mittelwert des Mietspiegels wächst weniger als sonst. 

Damit ist auch absehbar, was als nächster Schritt der Politik erfolgen muss: ein Zwangsabschlag beim Mietspiegel und/oder eine weitere Begrenzung der Kaltmieten. Damit setzt sich der Trend der Intervention fort, den ich an anderer Stelle bereits als Politik zugunsten von Reichen, Besitzenden und Alten entlarvt habe. Weil der eine Eingriff in den Markt nicht wie gewünscht wirkt oder gar unerwünschte Nebenwirkungen bringt, wird weiter fleißig interveniert, bis wir in der Staatswirtschaft aufwachen. Das gilt leider nicht nur für das Thema Wohnen. 

Müsste in unserem Fall der Vermieter die CO2-Steuer allein tragen, würde sein Überschuss vor Steuern 2025 um 2000 Euro, nach Steuern um 1200 Euro sinken. Die Rendite sänke von 2 auf 1,8 Prozent. Schwer vorstellbar, dass aufgrund dieser Veränderung die Bereitschaft, in die Immobilie zu investieren, zunimmt. Schon gar nicht bei jenen Vermietern, die zur Altersvorsorge in Immobilien investiert haben und nun beabsichtigen, von den Erträgen zu leben. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass sich eine breite Senkung der Renditen nicht in den Werten der Immobilien niederschlägt. 

Verhalten spielt auch eine Rolle

Doch kommen wir zurück zum Ziel des Ganzen. Offiziell geht es ja nicht darum, die Renditen der Vermieter noch mehr zu drücken (in Wahrheit vermutlich schon!), sondern um die Rettung des Klimas durch eine Reduktion des CO2-Ausstoßes. Für die Mietenden stellt sich die Situation nach heutiger Lage (also ohne Kostenbeteiligung Vermietender) so dar: Die Kaltmiete wird in den kommenden Jahren unterdurchschnittlich steigen im Vergleich zum Markt, und die Nebenkosten überdurchschnittlich.

So beträgt die zusätzliche Belastung in unserem Beispiel pro Mieter zunächst 40 Euro im Jahr, im Jahr 2025 dann 80 Euro. Zwar kann der Mieter keine Sanierung des Hauses vornehmen, aber er kann sein Verhalten ändern. So wurden seit 2010 über 342 Milliarden Euro in die energetische Erneuerung von Wohngebäuden investiert. Der Verbrauch an Energie für Raumwärme blieb unverändert. Die Gründe? Neben falschen Sanierungsmaßnahmen lag es vor allem an einem anderen Nutzerverhalten – die Menschen freuten sich, dass es statt 20 Grad nun 22 Grad warm im Wohnzimmer ist. Das mag auch daran liegen, dass es eine ältere Gesellschaft wärmer mag.

Dies bedeutet aber umgekehrt, dass die Mieter ihr Verhalten nicht ändern, wenn sie die direkten Folgen ihres Verhaltens nicht spüren. Blieben die 80 Euro Mehrkosten (2025) beim Mieter, gäbe dies einen Anreiz, um auf energieeffizientes Verhalten zu achten. Stoßlüften statt dauernd geöffneter Fenster auf Kipp als einfaches Beispiel.

Im Fall meines Bekannten fällt in dem Zusammenhang auf, dass Hartz-IV-Empfänger einen besonders hohen Energieverbrauch haben. Das mag daran liegen, dass diese auch tagsüber zu Hause sind. Oder es ist der Tatsache geschuldet, dass die Kosten in vollem Umfang direkt vom Staat bezahlt werden. Ein Musterbeispiel für fehlende Steuerungswirkung!

Die Berechnung zeigt außerdem, dass die Umlage der CO2-Steuer auf die Vermietenden gar nicht im Interesse der Mietenden ist. Die Kaltmiete reflektiert die Energieeffizienz des Hauses, und wenn der einzelne Mieter durch sein Verhalten die eigenen Heizkosten senkt, hat er einen finanziellen Vorteil. Entfällt die Umlage, dürften die Heizkosten für alle Mieter im Haus höher sein und damit auch der CO2-Ausstoß, um den es ja angeblich geht. 

Warum sollte der Vermieter investieren?

Kommen wir zurück zum Vermieter. Wir haben gesehen, dass er schon heute aufgrund des energetischen Standes der Immobilie rund 2.000 Euro Miete weniger bekommt. Bliebe er nun auf den Kosten der CO2-Steuer sitzen, stiege der jährliche entgangene Gewinn vor Steuern auf 4.000 Euro (2025). Nach Steuern sind das 2.400 Euro oder rund acht Prozent weniger als im besten denkbaren Fall. Kein großer Anreiz für Investitionen. 

Wenn der Vermietende seine Immobilie dennoch sanieren möchte, würde es sich nicht rechnen. Studien kalkulieren, dass die Miete pro Quadratmeter und Monat um 2,89 Euro steigen müsste, um die Kosten wieder einzuspielen. In unserem Beispiel mit 940 Quadratmeter Wohnfläche müsste die Jahresbruttomiete im Jahr 2025 also um 32.600 Euro steigen, damit der Vermietende die Kosten seiner Sanierung wieder zurückbekommt. Da dies nicht der Fall sein dürfte und bestenfalls die 4000 Euro zusätzlicher Ertrag winken, wird nichts passieren. Fördergelder und Abschreibungsmöglichkeiten ändern an dieser simplen Betrachtung nichts. 

Kampf gegen Immobilieneigentümer

Angesichts einer Rendite nach Steuern von 1,8 Prozent spricht wenig dafür, in die Immobilie zu investieren. Sinkt sie weiter, dürfte der Eigentümer eher an anderen Erhaltungsinvestitionen sparen. Die Politik erreichte also das Gegenteil von dem, was sie vorgibt, erreichen zu wollen. 

Damit nicht genug: Jeder Immobilieneigentümer sollte sich fragen, ob es nicht besser wäre, die Immobilie zu verkaufen und sein Geld woanders anzulegen. Hilfestellung bieten hier beispielsweise die Grünen, die mit großer Wahrscheinlichkeit in der kommenden Bundesregierung sitzen oder diese gar anführen. In ihrem Grundsatzprogramm ist zu lesen: „Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialpflichtigkeit, weil sie unvermehrbar und unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden verstärkt in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum überführt werden. Zum Wohl der Allgemeinheit bietet das Grundgesetz als letzte Möglichkeit die Vergesellschaftung sowie die Enteignung, wo Märkte aus dem Ruder geraten.“

Ich würde meinen, dass Renditen von unter zwei Prozent bereits einen deutlichen „Gemeinwohlcharakter“ haben. Vor allem verstehe ich, wenn dabei wenig Lust aufkommt, mehr zu investieren. Verstärkt wird diese Einschätzung durch die immer lauter werdenden Forderungen nach Mietendeckel, höheren Grundsteuern (natürlich wiederum verbunden mit der Forderung, diese nicht mehr auf die Mietenden umlegen zu können), Vermögenssteuern und Vermögensabgaben. Eine Geldanlage außerhalb Deutschlands und der EU gewinnt täglich an Attraktivität. 

Wer dem entgegenhält, dass die Rendite ja nicht nur aus den Mieten besteht, sondern auch aus den Wertsteigerungen, dem gebe ich diesen Hinweis: Über Jahrzehnte stiegen die Immobilienpreise in Deutschland real nicht – ganz im Gegensatz zu unseren Nachbarländern. Erst seit 2010 steigen sie deutlich als direkte Folge der Geldpolitik der EZB. Bei Zinsen nahe null nähern wir uns aber auch hier dem Ende der Entwicklung. Über einen Zeitraum von 1950 bis 2015 lag die reale Rendite von Immobilien aus laufenden Erträgen und Preissteigerungen bei 5,29 Prozent. Vom heutigen Bewertungsniveau ausgehend ein nicht mehr zu erzielender Ertrag. 

Heute gehören rund 13,5 Millionen Wohnung in Deutschland privaten Investoren und nur rund 6,5 Millionen großen Immobilienverwaltern. Die privaten Investoren haben zumeist nur eine Wohnung oder ein Haus, weshalb – von Ausnahmen abgesehen – die Verwaltung nicht so professionell ist wie bei den großen Investoren. Bisher sind die Mieter die Nutznießer der Unprofessionalität der Vermieter. Mieten wachsen langsamer, weil die Vermieter den Konflikt scheuen. Instandhaltungen werden früher durchgeführt, als sie technisch eigentlich erforderlich wären, Modernisierungen, obwohl sie sich eigentlich nicht rechnen. Die Rendite der Vermietenden ist entsprechend gering.

Bestand verfällt, Vetternwirtschaft blüht

Geben diese nun auf, kommt es zunächst zu einer Konsolidierung des Marktes. Die größeren Unternehmen gewinnen Marktanteil. Da sie professioneller und konsequenter in der Durchsetzung ihrer Forderungen sind, verstärkt das den Druck auf die Mieten. Folgt daraufhin die Überführung in „gemeinwohlorientiertes Eigentum“, wiederholt sich der Zyklus, den wir schon aus der Vergangenheit kennen. Der Bestand verfällt, Vetternwirtschaft blüht – und wenn die Kosten nicht mehr verkraftbar sind, wird wieder privatisiert. 

Mit Blick auf das Thema, wer die Kosten der CO2-Steuer trägt, kann man nur festhalten: schon heute der Vermietende, und es bedarf keiner weiteren Umlage. 

Noch ein Tipp zum Klimaschutz: Wer wirklich etwas für die Umwelt tun möchte, belässt den Einsparungsanreiz bei dem Mietenden.

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