Stahlhandelsriese Klöckner - Der Stahl wird digital

Der Stahlhandelsriese Klöckner will sich und die ganze Branche digitalisieren. Dazu baut Christian Pokropp als Geschäftsführer von kloeckner.i am „Amazon des Stahlhandels“. Die US-Strafzölle auf Stahl könnten der Firma sogar helfen

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Online-Shopping ist für den Stahlhandel eine kleine Revolution – und genau daran arbeitet Christian Pokropp / Anja Lehmann
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Als „unsere beliebtesten Produkte“ zeigt der große Online-Händler Amazon seinen Kunden rund um die Uhr Waren von A wie Abnehmkapseln bis Z wie Zuckerwattemaschine an. Auf der seit Februar geschalteten Webseite XOM Metals klingen die Produktnamen auf den ersten Blick weit weniger anschaulich. Als „beliebt“ präsentiert werden in der neuen Online-Shopping-Industriewelt des deutschen Stahlhändlers Klöckner beispielsweise das „Stahl Feinblech DX51D+Z (1.0226) gewalzt feuerverzinkt“ oder das „Aluminium Warzenblech Quintett EN AW-5754 (AlMg3) H114 Mill-finish“. Auch erste Wettbewerber von Klöckner bieten hier Aluminium, Stahl und Edelstahl an. Ein großer Kunststoffproduzent soll ebenfalls demnächst mit an Bord sein.

Online-Shopping-Plattformen, über die verschiedene Händler ihre Produkte vertreiben, sind in der Privatkundenwelt längst nichts Besonderes mehr. Für den Stahlhandel aber bedeutet das eine kleine Revolution. „Sie müssen sich vorstellen, dass in der Stahlhandelsbranche die Einkäufer bis heute durch laute Werkshallen laufen und über Telefon oder Faxgerät mehr oder weniger spontan ihre Bestellungen durchgeben“, sagt Christian Pokropp. Da sei viel Potenzial für mehr Effizienz. Der 39 Jahre alte Hamburger hat als einer der Geschäftsführer von kloeckner.i, der Ende 2014 gegründeten Berliner Tochterfirma des Duis­burger Stahlhandelsriesen Klöckner & Co SE, mitgearbeitet, die Online-Plattform XOM (X steht für Exchange, O für Online und M für Metal) nach Jahren der Planung endlich zu starten.

„Wenn wir das nicht machen, machen das andere“

„Spätestens seit unser CEO Gisbert Rühl von seinem Silicon-Valley-Aufenthalt zurückkam, schwebte ihm so eine Plattform als Idee vor“, sagt Pokropp. Dazu habe man mit kloeckner.i aber zuerst schrittweise Expertise für den Verkauf von Stahl über das Internet entwickeln müssen, sagt er und betont das „dot“ zwischen kloeckner und i. Gestartet habe man mit ersten speziell auf die eigenen Kunden zugeschnittenen Online-Shops, mit Schnittstellen für Warenwirtschaftssysteme und mit digitalen Tools, dank derer die Kunden beispielsweise die in der Branche üblichen zahlreichen Stahllieferungsverträge besser managen können.

Nun für Konkurrenten mit XOM eine offene Handelsplattform zu schaffen, bedeutet auch ein Wagnis. „Aber wenn wir das nicht machen, machen das andere“, sagt Pokropp. Noch würden sich viele Wettbewerber scheuen, das Angebot anzunehmen. Zu groß könnte die Angst sein, Klöckner könnte über die Plattform sensible Geschäftsdaten abgreifen. Deshalb und auch weil das Bundeskartellamt Auflagen machte, wurde der Geschäftsbereich von XOM inzwischen ausgelagert. Ein eigener CEO, ein eigener Standort, ebenfalls in Berlin. „Unser Ziel ist es, unsere Beteiligung von derzeit 100 auf unter 50 Prozent zu reduzieren“, sagt Pokropp.

Ausbau der digitalen Kanäle

Er geht durch die Gänge der Berliner Zentrale von kloeckner.i an der Zinnowitzer Straße im Bezirk Mitte. In den Räumen des internen Start-ups erinnert außer den rot lackierten Metallregalen wenig an Stahl. Stattdessen Computer, Bildschirme, ein großer 3-D-Drucker. Nur die Besprechungs- und Teamräume für die inzwischen 100 Mitarbeiter tragen Namen wie „Titanium“ oder ­„Mithril“, einem fiktiven silbernen Metall aus dem Herr-der-Ringe-Romanuniversum. In einer Ecke bespricht eine Gruppe junger Informatiker die Ziele der Woche. Ein einzelner Mann um die 50 steht auch dabei. „Der nimmt gerade an unserem ‚Digital Experience Programm‘ teil“, sagt Pokropp – einer Art Austauschprogramm, bei dem Mitarbeiter aus allen zwölf Ländern, in denen Klöckner Standorte unterhält, die Berliner Digitalzentrale kennenlernen sollen. „Weil wir hier vor Ort vor allem Informatik-Expertise haben, kommen wir so auch an das Wissen unserer Stahlexperten aus aller Welt“, sagt er. „Die wissen, wie und welche Kategorien bei einem Produkt im Online-Shop benannt werden müssen, damit es für die Kunden Sinn ergibt.“

Von den mehr als sechs Milliarden Euro, die Klöckner 2017 umgesetzt hat, stammt bereits eine Milliarde aus den digitalen Kanälen. „Bis 2022 wollen wir 60 Prozent unseres Konzernumsatzes über digitale Kanäle erzielen“, sagt Pokropp über das nächste Ziel. Dazu benötigt kloeckner.i vor allem Fachkräfte aus dem IT-Bereich. Auch deshalb unterstützt Klöckner in den Räumen direkt nebenan als Hauptsponsor die ReDi-School (Refugees and Digital Integration).

Die handelspolitische Weltlage spiele dem Gesamtkonzern derzeit übrigens in die Hände, sagt Pokropp. „Weil wir wegen unseres Standorts in den USA nicht exportieren müssen, werden wir keine Zölle zahlen. Die könnten uns womöglich sogar helfen, weil durch sie die Stahlpreise steigen werden.“

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.














 

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