Bundesagentur für Sprunginnovationen - Sprung ins Ungewisse

Rafael Laguna de la Vera leitet die Bundesagentur für Sprunginnovation (SprinD) in Leipzig. Von dort aus soll er Deutschlands Elon Musk finden, um langfristig den deutschen Wohlstand zu sichern. Die letzte große Innovation aus diesem Land war immerhin das Auto.

Rafael Laguna de la Vera: Weiß, wie man die Geeks lockt / Felix Adler
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Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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Rafael Laguna de la Vera macht die Tür zu dem Büro auf, wo Deutschlands innovativste Agentur sitzen soll und zu sehen gibt es: rein gar nichts. Ein kahler Raum, an die zwölf Quadratmeter groß, in der Mitte ein Tisch und ein paar Stühle. Das war’s. Laguna kratzt sich an seiner Glatze, lächelt und sagt dann: „Ja, wir sind ein bisschen wie eine Briefkastenfirma.“

Tatsächlich ist Laguna der Gründungsdirektor der Agentur für Sprung­innovation (Sprind), die der Bund Ende 2019 in Leipzig gegründet hat. Noch immer haben sie keine richtigen Büroräume, die meisten Mitarbeiter arbeiten aus einem Coworking-Space. Im Auftrag des Forschungs- und des Wirtschaftsministeriums sucht die Agentur nach revolutionären Technologien zwischen Rügen und Lörrach, um sie zu fördern und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Ideen, die unser Leben schlagartig verändern sollen, wie das Internet oder das Smartphone.

Das ist die Größenordnung, in der Laguna denkt. Fragt man ihn, was die letzte Sprunginnovation war, die aus Deutschland kam, denkt er nicht lange nach und sagt: „Das Auto.“ Und das ist mehr als 134 Jahre her. „Die Idee des Autos ernährt dieses Land noch immer“, sagt Laguna, „aber wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, brauchen wir bald ein paar neue geniale Ideen.“

Wie man an die Geeks herankommt

Genau die sollen Laguna und seine Mitarbeiter finden, die er „Innovationsmanager“ nennt. Der typische Lebenslauf eines Innovationsmanagers: Physikstudium an der RWTH Aachen, Start-up, dann Großkonzern. Zusammen wollen sie den deutschen Elon Musk finden. Dafür veranstalten sie Wettbewerbe, gehen auf Wissenschaftler und Unternehmer zu, von denen sie hörten, sie hätten eine geniale Idee, und von denen es heißt, sie seien besessen von ihrer Idee. Und natürlich bekommt Laguna etliche Bewerbungen auf den Tisch. Die prüfen sie: Ist das wirklich revolutionär? Ist die Idee vielleicht unmöglich? Wenn sie selbst nicht weiterwissen, engagieren sie externe Experten oder lassen Ideen von Forschungsinstituten durchrechnen.

Für eine Bundesagentur geht es bei Sprind unkonventionell zu, aber sonst bekomme man die Geeks nicht ins Boot, sagt Laguna. „Ich bin ja schließlich selbst einer.“ Schon mit zehn Jahren, kurz nachdem Lagunas Familie aus der DDR ins Sauerland übersiedelte, bekam er die erste Computerzeitschrift in die Hand. Er verschlang sie. Mit zwölf Jahren setzte er sich alleine mit 300 Mark in der Tasche in einen Zug nach München, um dort in einen Conrad-Elektronikmarkt zu gehen. Er kaufte Platinen, CMOS-Chips und Kabel und baute daraus kleine Computer. Mit 16 besuchte er seinen Onkel in Kalifornien und kam mit zwei Koffern voller Fachliteratur über Computer zurück. Er fing an, Computerprogramme zu verkaufen, begann ein Studium, brach es nach drei Wochen wieder ab und gründete diverse Firmen. Die vergangenen zwölf Jahre führte er das Softwareunternehmen Open-Xchange. Aber da habe er sich zuletzt gelangweilt, sagt er. Jetzt sucht er das ganze Land nach Visionären ab.

Altmaiers Flüstern

Einer dieser Visionäre ist Bernd Ulmann, dessen Privatwohnung als weltweit größtes Museum für Analogcomputer gilt. Eigentlich wurden Analogrechner schon vor Jahrzehnten von Digitalrechnern verdrängt, aber Ulmann glaubt, mit ihnen bestimmte Rechenaufgaben wesentlich schneller und energiesparender durchführen zu können. Laguna wurde hellhörig, er und seine Experten schauten sich die Idee genauer an – und ihnen gefiel, was sie sahen. Etwa 10 bis 20 Millionen Euro investieren sie pro Projekt, aber vielleicht noch wichtiger als das Geld ist das Netzwerk, das Laguna ihnen bietet: Er stellte Ulmann einen Fachmann für Computerchips zur Seite und für die Mathematik noch einen Astrophysiker, der eigentlich über Schwarze Löcher arbeitet. Ein anderer hatte eine Idee, wie man winzig kleine Luftbläschen dazu nutzen kann, Mikroplastik aus dem Wasser herauszufiltern.

Beide Ideen sind wohl noch kein iPhone, aber mit Nischentechnologien behauptet sich der deutsche Mittelstand auf dem Weltmarkt. Eine Milliarde Euro bekommt Laguna in den kommenden zehn Jahren zur Verfügung. Wenn er mehr bräuchte, solle Geld nicht das Problem sein, habe Altmaier ihm zugeflüstert. Bald hat Laguna endlich ein richtiges Büro: Ein Industrieloft im hippen Leipziger Osten soll es werden, sagt er, in direkter Nachbarschaft zu einem der angesagtesten Technoklubs der Stadt.

Diesen Text finden Sie in der November-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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