Ohne Fläschchen kein Corona-Impfstoff - Auf die Verpackung kommt es an

Die Corona-Krise hat nicht wenige Existenzen gekostet, einigen Unternehmen spielt die Pandemie jedoch in die Karten. Neben dem Versandriesen Amazon und dem Softwareunternehmen Zoom zählt auch der Mainzer Glashersteller Schott zu den (heimlichen) Profiteuren der Ausnahmesituation.

Unterschätze Variable in der Impfstoff-Entwicklung: Glasfläschchen / dpa
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Johanna Jürgens hospitiert bei Cicero. Sie studiert Publizistik und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Zuvor arbeitete sie als Redaktionsassistenz beim Inforadio des RBB.

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Wenn sich eine Problematik wie ein roter Faden durch die Corona-Krise zieht, ist es wohl die der fehlenden Kapazitäten: Von Intensivbetten über Atemschutzmasken bis hin zu Corona-Tests – was dringend benötigt wurde, war, zumindest vorerst, selten in ausreichender Menge vorhanden. Mittlerweile sind sich Experten darüber einig, dass man der Pandemie langfristig nur mit einem marktfähigen Impfstoff begegnen kann. Weltweit laufen fast 170 Projekte der Impfstoffentwicklung, in der dritten Phase der klinischen Prüfung befinden sich sechs von ihnen.

Doch was passiert, wenn der Durchbruch gelingt? Damit ein Impfstoff marktfähig wird, braucht es nicht nur ausreichende Mengen, sondern auch geeignete Pharmaverpackungen, die den sicheren Transport ermöglichen. Da kommt die Schott AG ins Spiel: Das Spezialglas-Unternehmen aus Mainz hat sich als Erfinder des Cerans einen Namen gemacht, dem temperaturwechselbeständigen Glas, aus dem unter anderem Kochfelder hergestellt werden. Doch auch in der Branche der Pharmaverpackungen gehört das Unternehmen zu den Marktführern, denen jetzt zu Corona-Zeiten eine besondere Verantwortung zukommt.

Glas ist nicht gleich Glas 

Denn ob und wann wir mit einem Impfstoff rechnen können, hängt nicht nur von dessen Erprobung, Entwicklung und Zulassung, sondern auch von der Verfügbarkeit geeigneter Pharmaverpackungen ab. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) bezeichnete diese bereits als „nicht zu unterschätzenden Flaschenhals für die Produktion der Impfstoffdosen“

Die Fläschchen, in die Impfstoffe abgefüllt werden, bestehen aus dem sogenannten Borosilikatglas Typ I. Das Spezialglas ist der Quasi-Standard in der Pharmaindustrie, wenn es um Verpackungen für Impfstoffe geht. Es ist besonders beständig gegen Temperaturschwankungen und verhindert Reaktionen zwischen Behältnis und Impfstoff, die diesen verunreinigen könnten. Zwar gilt die Schott AG als Erfinder dieses Spezialglases, hergestellt wird es jedoch auch von einigen anderen Unternehmen, die sich auf Pharmaverpackungen spezialisiert haben.

Nachfrage könnte Logistik auf die Probe stellen 

Für viele Impfstoffentwickler ist die Suche nach einer Vakzination nur eine Frage der Zeit – sie haben bereits Impfstofffläschchen auf Vorrat bestellt, um im Falle eines wissenschaftlichen Durchbruchs direkt in Produktion gehen zu können. Auch Biontech aus Mainz baut bereits seit den ersten klinischen Versuchen mit seinem Impfstoffprogramm BNT 162 Produktionsanlagen aus, akquiriert zusätzliches Personal und beschafft Grundstoffe, Nadeln, Glasbehälter und Verpackungen. 

Nach eigenen Angaben haben Pharmaunternehmen allein bei Schott bereits eine Milliarde Fläschchen angefragt, bis Ende dieses Jahres sollen Primärpackmittel für bis zu 2 Milliarden Dosen zur Verfügung stehen. Doch das ist nicht alles: Hinzu kommen Packmittel für Covid-19-Therapeutika sowie andere Behandlungen, die aufgrund der Pandemie verschoben werden mussten.

Kooperation in Krisenzeiten 

Könnte der Corona-Impfstoff also schließlich an der Verpackung scheitern? Die Schott AG verneint dies und verweist auf die Marktkapazität von jährlich 50 Milliarden Glasbehältern. Zudem habe man „erheblich in weitere Kapazitäten investiert“, und sei daher „optimistisch, dass die Versorgungsziele erreicht werden können“, heißt es in einer Erklärung, die die Schott AG gemeinsam mit der Konkurrenz abgegeben hat.

Ein Zusammenschluss von Konkurrenten, wenn auch nur für eine Pressemitteilung – normalerweise eher unüblich, in Krisenzeiten augenscheinlich notwendig. Die Unternehmen Gerresheimer aus Düsseldorf, Stevanato aus Italien und die Schott AG kommen nach eigenen Angaben jeweils auf einen Marktanteil von 30 Prozent. Ziel der gemeinsamen Erklärung sei es, trotz vieler Unwägbarkeiten das Vertrauen in die globale pharmazeutische Versorgungskette zu bekräftigen. 

Strategische Dezentralisierung 

An dem Vertrauen der Pharmaindustrie mangelt es jedoch nicht, das Schott’sche Glas ist gefragter denn je: Die Mainzer AG ist weltweit in Impfstoff-Projekte involviert, darunter auch die „Operation Warp Speed“, eine von der US-Regierung ins Leben gerufenen Initiative zur Herstellung von Impfstoffen gegen Covid-19. 
 
Dabei profitiert der Spezialglas-Pionier von der Dezentralisierung seiner Produktionsstätten: Hergestellt werden die Impfstoff-Fläschchen an 16 Standorten weltweit, in Mülheim bei Freiburg, in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten. Die Schott AG begründet dies mit der strategischen Nähe zum Kunden, außerdem konnte sie die Produktion so trotz lokaler Shutdowns aufrechterhalten. In Zeiten, in denen der Wettlauf in der Impfstoffentwicklung längst nicht mehr nur marktwirtschaftlich, sondern auch politisch motiviert ist, dürfte jedoch auch die Angst vor Exportbeschränkungen Treiber der Internationalisierung sein. 

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