Streit um Rundfunkbeitrag - Kippt die 86-Cent-Erhöhung?

Mitten in der Coronakrise tobt ein Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Mithilfe der AfD könnte die CDU das Vorhaben nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Thüringen kippen. Das wirtschaftliche Beben für die Öffentlich-Rechtlichen wäre gewaltig. Die politische Wucht nicht minder.

Verhinderung mit allen Mitteln? 86 Cent mehr Rundfunkbeitrag / dpa
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Eigentlich könnte es dem Rest des Landes egal sein, was derzeit in Sachsen-Anhalt geschieht. Aber ein andauernder Streit der dort regierenden Kenia-Koalition könnte sich bundesweit auswirken. Noch immer können sich nämlich CDU, SPD und Grüne in Magdeburg nicht darauf einigen, ob sie einer Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrages von 86 Cent auf 18,36 Euro nun zustimmen oder nicht. Der Medienausschuss im Landtag wurde am Mittwoch verschoben, weil die Positionen maximal weit auseinander liegen. Die CDU-Fraktion will den Beitrag für die Öffentlich-Rechtlichen nicht erhöhen, die Grünen hingegen schon. Bei der SPD eiert man offenbar herum. Kommt im Magdeburger Landtag keine Mehrheit für eine Erhöhung zustande, kippt der sogenannte Erste Medienänderungsstaatsvertrag – und zwar für ganz Deutschland. Denn jedes der 16 Bundesländer muss die Änderung bis zum 31. Dezember 2020 ratifizieren, damit sie zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann.

Kann sich Kenia nicht einigen, könnte es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Magdeburger Landtag sogar dazu kommen, dass die CDU gemeinsam mit der AfD die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippt. Der Parlamentarische Geschäftsführer und medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Markus Kurze, sagte über diese Möglichkeit zu Cicero: „Wir würden mit Sicherheit nicht scheitern.“ Außerdem zeichne sich inzwischen ab, „dass sich auch die Linke gegen eine Erhöhung ausspricht“. Die CDU setze sich seit vielen Jahren für eine „Beitragsstabilität“ ein. Man will gegenüber den Wählern also endlich liefern. Aber eine mögliche Querfront aus CDU, AfD und Linke gegen den Rundfunkbeitrag – für Markus Kurze wäre das kein Grund für einen Koalitionsbruch mit Grünen und SPD. „Die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages ist nicht Teil unseres Koalitionsvertrages“, sagte er. Für die Grünen hingegen wäre dies ein kaum hinnehmbarer Affront, heißt es aus Regierungskreisen – auch wegen der bundesweiten Wirkung.

Widerstand auch in Thüringen

Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher
der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt

So viel Aufruhr wegen 86 Cent mehr im Monat? Gerade in Zeiten durch Corona bedingte wirtschaftliche Unsicherheit sei das mehr als nur Symbolik, heißt es aus der Magdeburger Staatskanzlei. Für den Parlamentarischen Geschäftsführer Markus Kurze geht es außerdem um mehr: „Für 18,36 könnte man sich eine Berufsunfähigkeitsversicherung kaufen oder einen Handyvertrag. Aber der Bürger kann es eben nicht, sondern muss das zahlen. Darum ist jede Erhöhung möglichst zu vermeiden.“ Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) habe Einsparpotentiale benannt und deren Umsetzung gefordert. „Der neueste Bericht zeigt deutlich auf, dass die geforderten Maßnahmen begonnen, aber nur teilweise oder unvollständig umgesetzt wurden“, sagte Kurz. Einige Kritikpunkte seien von den Rundfunkanstalten bisher gar nicht angegangen worden. Der Beschluss seiner Fraktion habe deshalb nach wie vor Bestand: „Die CDU-Fraktion spricht sich gegen den 1. Medienänderungsstaatsvertrag aus.“

Die CDU in den neuen Bundesländern, insbesondere in Sachsen-Anhalt, kritisiert immer wieder, man werde bei den Produktionsstandorten benachteiligt. Die Gehälter der Intendanten und die Personalkosten ingesamt seien einfach zu hoch. Immer wieder würden die vielen Doppelstrukturen zwar kritisiert, aber am Ende doch von allen durchgewunken. „Das Öffentlich-Rechtliche ist Westfernsehen geblieben“, kritisierte Ministerpräsident Reiner Haseloff schon 2017 in der Zeit. Der Osten werde nicht fair abgebildet. Auch in den CDU-Fraktionen von Thüringen, Sachsen und Berlin rege sich laut Markus Kurze Widerstand gegen die Erhöhung. „Wenn wir anfangen“, sagt er, „kann es gut sein, dass andere nachziehen“. In Thüringen wäre die Minderheitsregierung aus Linken, Grünen und SPD auf Stimmen der CDU angewiesen. Auch hier könnten AfD und CDU gemeinsam mit der FDP die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippen, was nach der Wahl Kemmerichs im Februar aber als nicht wahrscheinlich gilt.

Verweigert Haseloff die Unterschrift?

Der Medienausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt soll nun am 5. Juni erneut zusammentreten. Am 11. Juni soll das Plenum dann seine Stellungnahme abgeben. Am 17. Juni findet die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit Reiner Haseloff statt. Als einziger von 16 Ländeschefs hatte sich der Magdeburger Ministerpräsident hier beim gemeinsamen Beschluss des Ersten Medienänderungsstaatsvertrags enthalten. Nun könnte er angesichts der anhaltenden Positionierung der CDU-Fraktion seine Unterschrift verweigern. Schon dann wäre der Vertrag bundesweit hinfällig. Nach Cicero-Informationen hat Reiner Haseloff einen Brief an die Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen Sender geschickt, in dem er darum bittet, die Forderungen der KEF eins zu eins umzusetzen. Auf eine Antwort der Intendanten wartet man in der Staatskanzlei bislang. Auch die CDU-Fraktion mache ihr Abstimmungsverhalten laut Kurze von der Antwort der Intendanten abhängig.

Unterzeichnet Haseloff den Medienänderungsstaatsvertrag, hätte der Landtag bis 31. Dezember Zeit, ihn zu ratifzieren – oder er kippt ihn dann trotzdem. Es wäre ein Affront gegen den eigenen Ministerpräsidenten, den Haseloff unter allen Umständen vermeiden will. Auch deshalb wohl der eindringliche Brief an die Intendanten. Der Ministerpräsident kann der Fraktion sagen: Seht her, ich habe alles versucht. Aber egal, durch wen der Vertrag am Ende scheitern könnte, die Sache landet dann wohl direkt vor dem Bundesverfassungsgericht, heißt es aus Rheinland-Pfalz, das die Federführung in medienpolitischen Angelegenheiten hat. Denn die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages habe Verfassungsrang. Klar ist, dass eine Ablehnung des Medienänderungsstaatsvertrag ein wirtschaftliches Erdbeben für die Öffentlich-Rechtlichen wäre. Wenn dieses aus einer Zusammenarbeit von CDU und AfD resultieren würde, wäre ein heftiges politisches Nachbeben kaum zu verhindern.

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