Profifußball und Corona - Der Corona-Wanderzirkus

Der deutsche Profifußball hat als Reaktion auf die Coronapandemie eine neue Demut versprochen. Doch was schön klingt, erweist sich als hohle Phrase, wie der Wutanfall von Uli Hoeneß über einen verspäteten Abflug nach Katar gezeigt hat.

Auch in der Corona-Krise reisen Profi-Fußballer um die Welt / dpa
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Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Nach vier gewonnen Weltmeisterschaften, drei Europameistertiteln und einem Erfolg bei dem Konföderationen-Pokal 2017 hat der deutsche Fußball am heutigen Donnerstag ab 19 Uhr die Chance auf den nächsten großen Erfolg. „Was für eine Überraschung“, möchte man da als deutscher Fußballfan nur rufen. Nach den letzten Jahren Magerkost des Labels „Die Mannschaft“, zu der die DFB-Auswahl aus Marketinggründen vor einigen Jahren umbenannt wurde, hatte man wenig Freude an dem Team von Bundestrainer Jogi Löw. Trauriger Höhepunkt war die 0:6-Niederlage gegen Spanien in November vergangenen Jahres.

Doch bevor jetzt hier manche denken, dass heute Abend die deftige Klatsche gegen Spanien vergessen gemacht werden soll: Bei dem heutigen Spiel in Katar handelt es sich lediglich um das Finale der Klub-WM zwischen dem FC Bayern München und Tigres UANL aus Mexiko. Ein Turnier, das kaum einen Fußballfan interessiert und das nicht mal im Fernsehen ausgestrahlt wird. Zu sehen ist die Partie hierzulande lediglich auf einem auf Sport spezialisierten Streamingdienst, der sich für die Ausstrahlung des Turniers in letzter Minute entschieden hat. Was Uli Hoeneß, den langjährigen Manager und Präsident des deutschen Serienmeisters aus der bayerischen Hauptstadt dennoch nicht daran hinderte, „von einer wichtigen Sache“ zu sprechen, da man in Katar den deutschen Fußball vertrete.

Drei Minuten Verspätung 

Gesagt hat Hoeneß diese Worte am vergangenen Wochenende – und wie so oft bei den Verantwortlichen des FC Bayern aus Empörung. Während Hoeneß von einem „Skandal ohne Ende“, von einer „Unverschämtheit“ sprach, vermutete Karl-Heinz Rummenigge gleich eine Verschwörung der brandenburgischen Politik gegen den glorreichen „Stern des Südens“. „Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie damit unserer Mannschaft angetan haben“, polterte der Vorstandchef des Spitzenklubs.

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Was war passiert: Im Schneetreiben waren die Bayern in Berlin zu spät am neuen Hauptstadt-Flughafen angekommen. Da dort zwischen Mitternacht und 5 Uhr ein Nachtflugverbot besteht, konnten der deutsche Rekordmeister nicht wie geplant nach Doha abheben. Die Bitte um eine Starterlaubnis ging drei Minuten nach Mitternacht an den Tower der zuständigen Deutschen Flugsicherung ein.

Die Arroganz der Fußball-Blase 

Der laut und scharf geäußerter Unmut über die verweigerte Starterlaubnis offenbart die Arroganz einer sowieso schon privilegierten Fußball-Blase, die seit der Pandemie Sonderrechte genießt und die nun mit Vorwürfen reagiert, wenn sie mal das wahre Leben in Gestalt eines Nachtflugverbots einholt. Die Bosse des FC Bayern München mögen es vielleicht nicht einsehen, aber die Nachtruhe Tausender Anwohner am  BER ist halt doch wichtiger als eine angenehme Reise für 30 Fußballmillionäre.

Dabei sollte ausgerechnet mit der Coronapandemie die Demut zurück in die Fußballbranche zurückkehren. Was nicht die Forderung der Ultras aus den Fankurven war, sondern eine Ankündigung der Deutschen Fußball-Liga. Schon fast inflationär benutzten die Funktionäre der DFL dieses Wort, als man während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr um den Re-Start der beiden Bundesligen kämpfte.

Was kein Wunder ist. Die damalige Unterbrechung der Saison offenbarte, dass die Vereine Millionen für Spieler und deren Gehälter ausgeben, ihnen aber sofort die Pleite drohe, wenn unvorhergesehene Dinge wie eine Pandemie eintreten. Als Zeichen dieser neuen Demut gründete die DFL gar eine Task Force, in der sich Funktionäre, Politiker, Unternehmer und engagierte Fans Gedanken über die Zukunft des deutschen Profifußballs machten. Nach monatelangen Diskussionen veröffentlichte die Task Force nun einen 9-seitigen Ergebnisbericht voller schöner Floskeln über Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Menschenrechte.

Mit dem Krankentransport-Flugzeug quer durch Europa 

Wie diese vielbeschworene Demut im deutschen und internationalen Fußball jedoch in der Praxis aussieht, offenbarten die vergangenen Tage und Wochen. Und das nicht nur durch die Aussagen von Hoeneß und Rummenigge oder einen Flug der deutschen Nationalmannschaft, die trotz aller Sprüche des DFB über Nachhaltigkeit, im vergangenen September von Stuttgart ins nahegelegene Basel flog.

Gedson Fernandes, ein portugiesischer Nationalspieler, der bisher bei dem englischen Spitzenverein Tottenham Hotspur eher als Lückenfüller diente denn als sportliche Verstärkung, wurde am 1. Februar in einem Krankentransport-Flugzeug quer durch Europa transportiert, um noch am letzten Tag des Transferfensters eine Unterschrift bei dem türkischen Traditionsklub Galatasaray Istanbul zu leisten. 25.000 Euro kostete die Reise des Spielers, der kurz zuvor positiv auf Covid-19 getestet wurde.

Top-frisiert und frisch geimpft 

Doch im Vergleich zu dem Corona-Wanderzirkus, den die europäischen Spitzenvereine ab nächste Woche aufführen werden, fällt die Geschichte mit Gedson Fernandes noch unter die harmlose Rubrik „Skurrile Transfers“. Da britische Mannschaften wegen der Covid-19-Mutation nicht nach Deutschland einreisen dürfen, haben RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach ihre Achtelfinalpartien gegen Liverpool und Manchester City nach Budapest verlegt. Für Ungarn hat das Auswärtige Amt wegen der dortigen Coronalage zwar auch eine Reisewarnung ausgesprochen, doch was soll’s. Der Fußball, besser gesagt der Rubel muss halt rollen. Auch Hoffenheim und andere europäischen Klubs haben und werden in den nächsten Wochen ihre Spiele in andere Länder verlegen, um Einreisestopps für die rivalisierenden Mannschaften zu umgehen.

Und als ob das nicht genug wäre, hat Karl-Heinz Rummenigge nun aus dem fernen Katar noch einmal nachgelegt. „Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnte  als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten“, erklärte er und schlug vor, Fußballprofis eher zu impfen. „Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung“, so Rummenigge. Ja, das dürfte für die Bevölkerung wirklich überzeugende Bilder geben, wenn sich trotz Lockdowns topfrisierte Fußball-Millionäre mit erhobenen Daumen vorzeitig bei ihrer Impfung ablichten lassen.

Von der Politik verwöhnt 

Es sind die Symptome eines längst abgehobenen Zirkus, der mit dem gewöhnlichen Fußball nichts mehr zu tun hat. Und dafür ist auch die Politik mitverantwortlich. Seit Jahren hätschelt sie den deutschen Profifußball mit Privilegien und fördert ihn auch finanziell. Angefangen bei den Stadionneubauten der Kommunen bis zu finanzieller Unterstützung der Vereine.

Was zum Teil auch verständlich ist. Würde der FC Schalke 04 bankrottgehen, würde Gelsenkirchen seinen letzten wichtigen Wirtschaftsfaktor verlieren. Und auch der Re-Start der Bundesliga im vergangenen Jahr wäre ohne die politische Unterstützung, vor allem aus Nordrhein-Westfalen und Bayern, so nicht möglich gewesen. Eine Unterstützung, von der andere Berufsgruppen wie Friseure oder Künstler nur träumen können. Aber im Glanz des Königs Fußball können sich halt auch Politiker gut sonnen. 

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