Margret Suckale - Zum Abschied Arbeit 4.0

Eher zufällig machte Margret Suckale als Managerin in der Industrie Karriere. Im Vorstand der Bahn und von BASF war sie jeweils die erste Frau. Jetzt hört sie auf

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Geplant hat Suckale ihre Managerinnenkarriere in der Industrie nicht / Markus Hintzen
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Brigitte Scholtes arbeitet als freie Wirtschaftsjournalistin in Frankfurt.

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Die Frau hinter dem Fenster hat es Margret Suckale angetan. Wenn die BASF-Managerin von ihrem Schreibtisch aufschaut, fällt ihr Blick auf ein Gemälde, das eine Frau auf der anderen Seite eines Hofes zeigt: Es erinnere sie an den Hitchcock-Klassiker „Das Fenster zum Hof“, sagt sie. Dabei ist es eigentlich gar nicht ihre Art, Menschen passiv zu beobachten. Suckale geht gerne auf Menschen zu, sucht das Gespräch. Unverzichtbar sei dies für die Arbeitsdirektorin eines Weltkonzerns, vor allem in diesen Zeiten. Denn die Digitalisierung erfasst auch eine so traditionelle Industriebranche
wie die Chemie. Und die Mitarbeiter fragen sich, was das für den eigenen Arbeitsplatz bedeuten könnte. 

Seit sieben Jahren arbeitet Margret Suckale bei BASF, seit fünf Jahren gehört sie dem Vorstand an und ist dort zuständig für Personal. Ausgerechnet in der männerdominierten Chemieindustrie ist sie eine der wenigen Spitzenmanagerinnen in einem Dax-Unternehmen. Im Vorstand von BASF war sie die erste Frau. Als erste Frau ist sie seit 2013 zudem Präsidentin des Arbeitgeberverbands der Chemieindustrie. Genauso wie zuvor im Vorstand der Bahn. Dort stand sie 2007 im Rampenlicht einer breiteren Öffentlichkeit – in der ersten großen Tarifauseinandersetzung mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer. 

Arbeit 4.0

Wenn die 60-Jährige im Mai 2017 bei BASF ausscheidet, dann hat sie dort dazu beigetragen, eine Transformation auf den Weg zu bringen, die die ganze Arbeitswelt grundlegend verändern wird. Es geht um die Arbeit der Zukunft, über die Experten unter dem Begriff „Arbeit 4.0“ diskutieren. Automatisiert sei die Chemiebranche schon lange, „kaum eine Anlage wird noch manuell gesteuert“, sagt Suckale. Jetzt solle der Einsatz künstlicher Intelligenz folgen. Diese müsse man im Dienste des Menschen nutzen. Ein Anwendungsgebiet der Arbeit 4.0 könne bei BASF die vorbeugende Instandhaltung der Anlagen sein, so ließen sich Ausfälle und damit hohe Kosten vermeiden – wichtig gerade am weltgrößten Verbundstandort Ludwigshafen, bei dem die einzelnen Anlagen untereinander vernetzt sind. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sieht sie in der Forschung und Entwicklung, denn statt am Labortisch könne man viele Versuche mithilfe von Big Data modellieren.

Doch Margret Suckale weiß auch, Arbeit 4.0 verursacht Ängste. Niemand weiß genau, wie sich Digitalisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz konkret auswirken. Deshalb ist die gebürtige Hamburgerin auch von der Idee der „Experimentierräume“ angetan, die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles einrichten möchte. Dort soll die Industrie zwei Jahre lang austesten können, wie man einen solchen Wandel gestaltet, welche Chancen, welche Risiken damit verbunden sind. Sind Mitarbeiter dann völlig frei in der Einteilung der Arbeitszeit? Zu viel Freiheit könne auch verunsichern, meint Margret Suckale. Sie hält einen festen Rahmen bei aller möglichen Flexibilität weiterhin für wichtig. Die Arbeit 4.0 erleichtere zwar die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber auch der soziale Kontakt mit dem Team sei wichtig: „Sonst isoliert man sich“, ist sie überzeugt, „das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen.“ 

Geschlechterklischees in der Industrie

Geplant hat Suckale ihre Managerinnenkarriere in der Industrie nicht. Nach ihrem Jurastudium in Hamburg wollte sie eigentlich Richterin werden, doch dann begann sie 1985 einen Job bei Mobil Oil im Bereich Arbeitsrecht, Tarifpolitik und Grundsatzfragen. Und sie blieb dabei, 1997 wechselte sie zur Bahn. 

Nur, welche Rolle spielen Geschlechterklischees in der Industrie? „Ich komme aus der Generation, in der Frauen suggeriert wurde, sich im Job möglichst männlich zu verhalten, um aufzusteigen“, sagt Suckale. An diesen Rat habe sie sich allerdings selbst nie gehalten. Inzwischen freut sie sich darüber, dass immer mehr Kolleginnen in die Vorstände einziehen, und sie beobachtet dabei, dass jüngere Kolleginnen „lockerer und selbstbewusster“ an ihre Aufgabe herangingen. Es gehe heute um mehr Diversität der Persönlichkeiten. Das komme auch den Männern zugute. Rollenbilder mag sie nicht. Die diplomatische, deeskalierende Art, die man ihr attestiert, führt sie eher auf vererbte Gene als auf ihr Geschlecht zurück: „Ich habe von meinen Eltern ein stabiles Fundament mitbekommen. Das hat mir enorm geholfen.“ 

Vor allem in harten Zeiten. Von denen hat sie in ihrer Karriere einige erlebt – zuletzt im Oktober, als bei einem schweren Unfall in Ludwigshafen vier Menschen ums Leben kamen und 29 verletzt wurden. Der Lokführerstreik bei der Bahn war ebenfalls eine harte Schule. Doch jetzt freut sie sich darauf kürzerzutreten, bald häufiger auf dem Rhein zu rudern oder Klavier zu spielen. Und sicher wird sie weiter darüber nachsinnen, was die Frau am Fenster bewegen mag. 

 

Dieser Text ist aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie in unserem Shop nachbestellen können.

 

 

 

 

 

 

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