Linker Mietendeckel in Berlin - Die Friday-for-Enteignung-Bewegung

Mit einem radikalen Mietendeckel von unter 8 Euro pro Quadratmeter zimmert die linke Bausenatorin Katrin Lompscher ein „Rotes Berlin“. Der Vorschlag würde ausgerechnet den Reichen helfen, reicher zu werden und keine einzige neue Wohnung schaffen

Rote Senatorin für ein rotes Berlin: Katrin Lompscher / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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„... und die Stadt gehört Dir!” – so plakatierte die Linkspartei im vergangenen Berliner Wahlkampf 2016 die Hauptstadt. Auf der Webseite der Bundesvorsitzenden Katja Kipping erinnert noch heute ein Terminhinweis an die Wahlkampfabschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz. Ab 15 Uhr unterstützten damals unter dem gleichen Motto die Parteigranden Gregor Gysi, Bodo Ramelow, Bernd Riexinger, Dietmar Bartsch, Petra Pau, Klaus Lederer und eben Katja Kipping den Endspurt der Linken.

Das Ergebnis: In der Stadt, in der nach einem Bericht der landeseigenen Förderbank IBB von 2019 nirgendwo in Deutschland die „Dynamik bei den Wohnkosten“ höher ist, regiert seither ein rot-rot-grünes Bündnis.

Klingt dufte?

Nur rund drei Jahre nach der Ankündigung, wer die Linkspartei wähle, dem gehöre die Stadt, soll der Slogan wahr werden. Wie der Berliner Tagesspiegel zuerst berichtete, plant die Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) einen radikalen Mietendeckel für alle Wohnungen, auch rückwirkend. Ausgenommen sollen demnach nur Wohnungen sein, die nach 2014 entstanden sind. Der Entwurf sei zwar nur ein „Zwischenschritt“, doch final abgestimmt werden muss er bis nächste Woche.

Dem Entwurf nach dürften die Berliner Mieten künftig für fünf Jahre nur noch zwischen 3,42 Euro und 7,97 Euro pro Quadratmeter liegen. Man stelle sich einen der so begehrten Berliner Altbauten in Mitte, Charlottenburg oder Friedrichshain vor, saniert, mit Holzdielen, moderner Ausstattung, womöglich mit Aufzug, Balkon und perfekter Verkehrsanbindung, laut Entwurf dürfte die Miete hierfür maximal 6,03 Euro betragen. Klingt dufte?

Wer auf Wohungssuchportalen mit Berliner Frechheiten konfrontiert wird, wie etwa einer 30-Quadratmeter-Einzimmerwohnung für 950 Euro warm, der könnte tatsächlich zunächst jubeln. Doch abgesehen davon, dass diese linke Enteignungsidee verfassungsrechtlich vor Gericht ohnehin keinen Bestand haben dürfte, hilft sie wirklich den Mietern oder jenen, die eine Wohnung suchen?

Profitieren werden die Reichen

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Vermieter ihre Wohnungen gerne an jene vermieten, die ihnen am solventesten erscheinen. Auch ein auf fünf Jahre begrenzter radikaler Mietendeckel wird daran kaum etwas ändern. Gerade jene Menschen, die sich die immer teureren Wohnungen noch immer leisten können, würden so von der Linkspartei belohnt. Ob das im Sinne ihrer Erfinder ist?

Deutschland ist ein Land der Mieter. Die Deutschen haben, verglichen mit anderen Ländern der Europäischen Union, vergleichsweise wenig Wohneigentum. Es müsste also ein Anliegen der Poliker sein, die Eigentumsquote zu steigern. Wer aber würde sich angesichts drohender Enteignungen noch Eigentum anschaffen? Wer könnte sich seiner Altersvorsorge in Form einer mühsam ersparten Immobilie noch sicher sein? Welche Banken würden noch Kredite vergeben, wenn unsicher ist, ob sie wie geplant zurückgezahlt werden können?

Einen nie dagwesenen Pull-Effekt schaffen

Den Quadratmeterpreis zwischen 3,42 Euro und 7,97 Euro festzusetzen, das wirkt wie Freibier für alle. Das heißt, die Linken verstärken die Berliner Anziehungskraft als Haupstadt der Hippness noch, indem sie einen nie dagwesenen Pull-Effekt schaffen würden. Wer aus Stuttgart, München, Hamburg oder Köln; wer aus Konstanz, Heidelberg, Düsseldorf; wer aus Nürnberg, Dresden, ja selbst aus Leipzig oder Magdeburg würde nicht gerne für 6 Euronen an die Spree oder in den Grunewald ziehen?

Der Pauschal-Rundumschlag schafft nicht einen Qudratmeter mehr Wohnraum in der Stadt. Im Gegenteil, welcher Investor ist so blöde, angesichts solcher Aussichten noch zu bauen? Sicher, Wohnungen, gebaut ab 2014, sollen ausgenommen sein. Aber wer weiß das schon? Die Stadt gehört ja allen, sagt die Linke.

Darum wirkt ein ZDF-Kommentar auch reichlich kurzsichtig: „Der geplante Mietendeckel in Berlin ist radikal. Und das ist erst einmal gut so“, lobt der öffentlich-rechtliche Sender den populistischen Vorschlag. Nichtstun sei nämlich keine Alternative. Radikale Forderungen seien manchmal auch symbolisch richtig. Schließlich müsse sich Politik auch um Gefühle kümmern. Es ist ein Gefühl, das nun Sarah Wagenknecht bundesweit befriedigen möchte. „Statt ihre wirkungslose Mietpreisbremse zu verlängern, sollte sich die Bundesregierung am Entwurf des Berliner Mietendeckels ein Beispiel nehmen“, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Und auch beim rbb ist man offenbar begeistert und betitelt einen Kommentar mit den Worten: „Warum Katrin Lompscher Dank gebührt“. Schon jetzt uneingeschränkt falsch sei an Katrin Lompschers Vorschlag nur eines, nämlich „die Art und Weise der Veröffentlichung“, heißt es dort. Denn indem es einer Handvoll Journalisten exklusiv zugespielt wurde, habe das einen „Ruch der Heimlichkeit“. „Stattdessen hätte Lompscher diese vier Seiten auch einfach selbst in aller Öffentlichkeit präsentieren können, in ihren eigenen Worten.“ Und dann?

Es ist ja wahr, die Mieten sind zu hoch, vor allem für Menschen die wenig und längt auch für jende, die durchschnittlich verdienen. Aber soziale Durchmischung bleibt nur erhalten oder kommt zurück, wenn gebaut wird: Wohnungen, auch in die Höhe, im Stadtkern und eine viel bessere Infrastruktur in den Randgebieten.

Eine Friday-for-Enteignung-Bewegung

Bausenatorin Katrin Lompscher wirkt wie eine Greta Thunberg entrechteter Mieter, der Kopf einer Friday-for-Enteignung-Bewegung. Inspiriert zu sein scheint Lompscher von einer Kampfschrift der „Interventionistischen Linken“ aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Das Rote Berlin“. Hier lässt sich ablesen, was die „Strategien für eine sozialistische Stadt“ sein sollen: den privaten Wohnungsmarkt verdrängen.

Screenshot / „Das Rote Berlin“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wirkt angesichts dieser Bewegung wie der hilflose Politiker, der dem Klimawandel in der Koalition zu lange tatenlos zugsehen hat, und dem jetzt nichts anderes übrig bleibt, als der Diskursverschiebung hinterherzulaufen. So äußerte sich Müller bislang lediglich „zurückhaltend” über die Pläne seiner Stadtentwicklungssenatorin. „Mir ist es wichtig, dass sich die Mieterinnen und Mieter auf einen rechtssicheren Mietendeckel verlassen können”, ließt er verlauten.

Der Mann wirkt reichlich entspannt für einen, dem gerade die Pferde in alle Richtungen durchgehen und der trotzdem nicht bereit ist, die Zügel einfach loszulassen und zu gehen. Auf diese Weise zerreißt er nicht nur sich selbst, sondern er teilt auch eine Stadt, statt deren Bewohner hinter einer Vision zu vereinen.

 

 

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