Wohin mit Ihrem Geld? - Warum Facebooks Währung Libra den Banken gefährlich wird

Facebook will die erste private, globale Währung schaffen: Libra. Die Idee des digitalen Geldes wird so tauglich für den Massenmarkt. Für die Banken wird es ungemütlich. Ihr jetziges System könnte überflüssig werden

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Facebook Libra: Brauchen wir bald keine Banken mehr? / picture alliance
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Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Die Ankündigung von Facebook, in einem Konsortium mit führenden Unternehmen der Technologieszene und etablierten Finanzdienstleistern wie Visa und Mastercard das erste private und globale Geld zu schaffen – Libra –, hat die Bankenwelt erschüttert. Spielte digitales Geld – am bekanntesten ist Bitcoin – in den letzten Jahren trotz spektakulärer Kursgewinne und -verluste und entsprechender medialer Begleitung nur eine Nebenrolle in den globalen Finanzmärkten, haben Libra und das zugleich angedachte Zahlungssystem Calibra das Zeug, das Finanzwesen zu revolutionieren.

Niemand kann so viele Menschen auf einer Plattform verbinden, niemand weiß so viel über jeden einzelnen wie Facebook mit seinen weltweit mehr als zwei Milliarden Nutzern. Leicht lässt sich eine globale Institution vorstellen, die nicht nur Zahlungen abwickelt, sondern besser als jede Bank die Kreditwürdigkeit von uns allen beurteilen kann.

Die Idee des digitalen Geldes

Zugleich adressiert der Plan des Libra-Konsortiums die Kernschwächen der bestehenden Digitalwährungen: die starken Preisschwankungen und die langsame Abwicklung von Transaktionen. Doch auch die anderen Digitalwährungen profitieren von der Initiative von Facebook, kommt die Idee des digitalen Geldes doch nun im Massenmarkt an.

Stellt sich die Frage nach den Implikationen für die Geldanlage. Noch kann man nicht in Libra investieren. Ohnehin bleibt abzuwarten, ob sich die Staaten die Kontrolle über Geld entreißen lassen. Zweifel sind angebracht, formiert sich doch schon der erste Widerstand. Die anderen digitalen Währungen kranken weiter an den bekannten Schwächen, vor allem an starken und letztlich unerklärlichen Kursschwankungen. Damit sind sie keine Option für jene, die angesichts der Überschuldung und der sich abzeichnenden weiteren Extremmaßnahmen der Notenbanken aus dem bestehenden Geldsystem flüchten wollen. Diese Zeitgenossen, zu denen ich mich auch zähle, fahren mit physischem Gold besser.

Wer an die Zukunft von Bitcoin & Co. glaubt, sollte, statt hinterherzulaufen, lieber das verkaufen, was unter dem Siegeszug der Blockchain-Technologie am meisten leiden wird. Das dürften die Banken sein. Nicht nur würde das Kryptogeld dem Geldschöpfungsprivileg der Banken ein Ende bereiten, es würde auch ein Großteil der Transaktionen automatisieren und Banken völlig überflüssig machen. Die Zerstörung des klassischen Einzelhandels durch Amazon ist verglichen damit nur ein kleiner Strukturwandel.

Überflüssige Kapazitäten

Das Bankensystem sitzt auf überflüssigen Kapazitäten jeglicher Art: Filialen, die keiner braucht, Mitarbeiter für Prozesse, die durch die Digitalisierung wegfallen, und faule Kredite in Höhe von Hunderten Milliarden Euro allein in Europa. Die tiefen Zinsen tun ein Weiteres, um die Profitabilität des Bankensystems nachhaltig zu unterminieren. Gründe genug, sich von Banken fernzuhalten. Das Szenario eines völlig überflüssigen Bankensystems, substituiert durch Spieler wie Google und Face­book, ist seit der Ankündigung von Libra real.

An den schlechten Aussichten für Banken ändern auch Fusionsaktivitäten und Kostensenkungen nichts. Das sind lediglich Versuche einer sterbenden Branche, bei denen sich die einzelnen Spieler bemühen, noch Zeit zu kaufen. Wie aussichtslos das ist, dürfte gerade auch die Deutsche Bank zeigen, die im Zuge der neuesten Umstrukturierung voll auf das Geschäft mit der Abwicklung von Transaktionen setzt. Genau der Bereich, den die neuen Wettbewerber als Erstes erobern werden.

 

Dieser Text erschien in der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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