Künstliche Intelligenz - Hilfe, Roboter nehmen uns die Jobs weg!

Roboter und Künstliche Intelligenz werden schon bald einen Großteil unserer Jobs vernichten, heißt es allerorten. Doch die düsteren Prognosen decken sich bisher kaum mit der Realität und weisen einige Denkfehler auf. Woher kommt die Technik-Feindschaft?

Roboter als Köche: Feldzug gegen unsere Arbeitsplätze? / picture alliance
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Es gab eine Zeit, die Alten werden sich erinnern, in der der technische Fortschritt als Motor des Produktionswachstums gepriesen wurde. Politiker, Professoren, Wirtschaftsführer und Journalisten stritten auch damals viel, aber in einem waren sie sich bis in die frühen siebziger Jahre hinein weitgehend einig: Durch die Mechanisierung, die Automatisierung und andere Innovationen in der Produktion würden wir mehr Waren herstellen und mehr Dienstleistungen anbieten können, die dazu effizienter und besser sein würden. Dazu würden die Menschen höhere Löhne verdienen. Sicher, einige Jobs würden durch den technischen Fortschritt verloren gehen. Aber, wie Mr. Spock vom Raumschiff Enterprise dereinst konstatierte: „Das Wohl von Vielen wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen“.

Der Feldzug der Roboter gegen unsere Arbeitsplätze

Dieser Technik-Optimismus aber ist lange verschwunden und momentan hat sich stattdessen eine regelrechte Technik-Feindschaft verbreitet. Roboter und Künstliche Intelligenz, so verkünden es zahlreiche Bücher, Thesenpapiere, Leitartikel und TED-Konferenzen, würden einen Großteil unserer Jobs vernichten und ein neues Lumpenproletariat erzeugen, das vor lauter Nichtstun soziale Unruhen auslösen wird. Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums prognostizierte schon für 2020 den Verlust von fünf Millionen Arbeitsplätzen weltweit. Der renommierte Volkswirtschaftler Paul Krugman setzte noch einen drauf, als er sagte, dass auch Hochqualifizierte ebenso wahrscheinlich wie Niedrigqualifizierte um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Sogar Sexarbeiter bleiben vom Feldzug der Roboter gegen unsere Arbeitsplätze nicht verschont, fürchten andere. Ihnen zufolge müssten sich bald selbst die verführerischten Huren beim Arbeitsamt anmelden, weil sie gegen die digitalen Sexroboter keine Chance hätten. Die Endversion für Otto Normalarbeiter lautet so: Roboter werden bald Roboter beaufsichtigen, die andere Roboter herstellen. 

Gute Zahlen und erschreckende Prognosen

Allerdings haben die düsteren Prognosen einen entscheidenden Nachteil: Sie decken sich, zumindest bisher, nicht mit der Realität. Die Rechengeschwindigkeit von Computern hat sich bereits seit 1971, also ziemlich genau am Ende des Technikoptimismus‘, im Schnitt alle zwei Jahre verdoppelt. Seither sind aber weder in den USA, noch in Europa, noch in Deutschland die Arbeitsplätze verschwunden. In Deutschland liegt die Zahl der Beschäftigten sogar so hoch wie wie nie zuvor. Auch EU-weit ist der Anteil der Erwachsenen in Lohn und Arbeit nicht gefallen, sondern seit 2005 von 63 Prozent auf 67 Prozent gestiegen. Ähnlich gut sind die Zahlen in den USA. Woher kommt also das Schreckensszenario?

Die Prognosen stützen sich im Wesentlichen auf drei Studien. Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne, Forscher der Universität Oxford, warnen, dass in den kommenden 20 Jahren in den USA 47 Prozent aller Stellen wegfallen würden. Das McKinsey Global Institute geht davon aus, dass 45 Prozent der Stellen automatisiert werden könnten. Und die Beraterfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) sagt schon für 2030 möglicherweise das Ende von 38 Prozent aller Jobs voraus.

Erschreckende Zahlen von renommierten Instituten, keine Frage. Doch wenn man sie sich genauer anschaut, löst sich viel davon in Luft auf. Das Oxford-Papier (übrigens nicht peer-reviewed) nahmen Experten vom Mannheimer Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) auseinander. In der Studie ging es vor allem vom Automatisierungspozenzial, schreiben die Mannheimer Forscher. Dies dürfe aber nicht mit möglichen Beschäftigungseffekten gleichgesetzt werden, da Maschinen Arbeitsplätze verändern können, ohne sie zu ersetzen. Die Beschäftigten könnten also die durch die Automatierung gewonnenen Freiräume nutzen, um andere, schwer automatisierbare Aufgaben auszuüben. Selbst wenn die Automatisierung unmittelbar zu Arbeitsplatzverlusten führen würde, entstünden durch den Wandel zugleich neue Arbeitsplätze, und zwar genau bei der Herstellung der neuen Technologien oder aber durch höhere Produktivität und höhere Gewinne der Unternehmen, die die Automatisierung eingeleitet haben. Zu ganz ähnlichen Schlüssen kommt die McKinsey-Studie trotz ihres alarmistischen Titels. Und die PWC-Studie basiert ihre Ergebnisse darauf, dass die Kosten für Roboter dramatisch sinken und ihre Effizienz gleichzeitig drastisch steigt. Diese Vorhersage ist, gelinde gesagt, unsicher. 

Die Denkfehler der Schwarzmaler

Außerdem weisen die Studien zwei Denkfehler auf. Beide scheinen ausgerechnet aus einer Distanz zu den Menschen zu stammen, um deren Arbeitsstelle sich die Forscher solche Sorgen machen. Zum einen unterschätzen sie die Komplexität von vermeintlich einfachen Tätigkeiten. Wie schwer kann es etwa schon sein, jeden Tag Kleidung zu falten? Nun, Roboter haben noch heute ihre Schwierigkeiten damit. Und zweitens gehen die meisten Angehörigen der Elite gern zur Arbeit, die für sie erfüllend und abwechslungsreich ist und zudem gut bezahlt. Aber für die meisten Menschen ist ihre Tätigkeit anstrengend, langweilig und oft sogar gefährlich. Die meisten würden wohl nichts dagegen haben, wenn diese Jobs von Maschinen übernommen würden und sie Zugang zu befriedigenderen Jobs haben. 

Was die Forscher aber komplett außer Acht lassen, sind die positiven Effekte der fortschreitenden Digitalisierung für den Konsumenten, und dazu gehören auch die niedrigqualifizierten Arbeiter. Insbesondere in der Medizin werden die Fortschritte dank automatisierter Prozesse enorm sein. Schon jetzt können neue Medikamente durch Computersimulationen getestet werden, was einen Bruchteil an Zeit und Ressourcen kostet. Pedro Domingos, Informatikprofessor an der Universität von Seattle, geht deshalb davon aus, dass „die Generation unserer Kinder Gesundheitsprobleme ansehen wird als etwas Schlimmes, das Menschen in einer barbarischen Vergangenheit bekamen“.

Natürlich ist auch das eine Vorhersage, und sobald diese die Zukunft betreffen, werden sie immer schwierig. Und natürlich wird es durch die Digitalisierung neben Gewinnern auch Verlierer geben. Aber ein bisschen Technik-Optimismus täte neben all den Horrorszenarien nicht schlecht. Denn so blöd sind die Menschen auch nicht. Bisher hat unsere Spezies immer Wege gefunden, die Welt an sich anzupassen, anstatt sich der Welt anpassen zu müssen. 

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