Klimawandel - Wenn dein Dorf im Meer versinkt

Von Waya Lailai nach Bonn sind es 16.000 Kilometer. Während in der ehemaligen Bundeshauptstadt Diplomaten aus 196 Ländern auf der Weltklimakonferenz verhandeln, leiden die Bewohner der Fidschi-Inseln unter den konkreten Auswirkungen des Klimawandels. Eine Reportage

Ein Bewohner der Fidschi-Insel Waya Lailai steht auf der Treppe seines zerstörten Hauses
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Andreas Sieber ist freier Journalist und schreibt vor allem zu Umwelt- und Klimaschutzthemen.

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Simon Lange ist Free-Lance Videographer und arbeitet vor allem zu Umwelt- und Klimathemen.

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Wenn man über den weißen Sandstrand von Waya Lailai läuft, stößt man mit den Füßen gelegentlich auf etwas Hartes. Das sind Fundamente von Häusern, die hier noch vor 20 Jahren standen. Etwa 50 Menschen leben an diesem Strand zwischen Kokospalmen und Mangobäumen. Etwa die Hälfte des Dorfes ist bereits wegen des Anstieg des Meeresspiegels verschwunden. Kaum eine Region auf der Welt leidet so stark unter den Folgen des Klimawandels wie die Pazifikinseln.

Mark Howden ist Professor an der Australian National University und Mitglied des Weltklimarats, IPCC. Seit Jahrzehnten erforscht er den Anstieg des Meeresspiegels. Weil das Eis in Grönland deutlich stärker abschmilzt als erwartet, steigt auch der Meeresspiegel deutlich schneller als erwartet. „Vor 20 Jahren trug Grönland nur fünf Prozent zum Anstieg der Meere bei, heute ist es bereits ein Viertel“, sagt Howden.

Stürme werden immer stärker

Wie ist es, wenn das eigene Dorf im Meer versinkt? In Fidschi erhält man oft dieselbe Antwort: „Wenn du auf einer Insel lebst, hast du eine sehr persönliche Beziehung zu dem Boden, auf dem du stehst. Das können Leute von woanders wahrscheinlich gar nicht begreifen. Es ist ein Teil von dir“, sagt eine Bewohnerin von Waya Lailai. „Wenn du dann siehst, wie dein Land langsam verschwindet, schmerzt das sehr.“ Die Menschen in Waya Lailai leben vom eigenen Anbau und Fischfang. Nur wenige gehen einer Arbeit nach, für die sie bezahlt werden. Im Dorf wird das meiste einfach getauscht oder geteilt. Es ist ein sehr gemeinschaftliches Leben: Wer die kleine Ansammlung von Holzhütten betritt, darf zum Beispiel keinen Hut tragen damit mache man sich größer und stelle sich über andere eine Regel, die in fast allen Dörfern auf Fidschi gilt.

Zum ersten Mal könnten die Bewohner nicht mehr von ihrem eigenen Anbau leben, erzählt Aporosa Tuinamataya. Noch nie mussten sie Lebensmittel auf der Hauptinsel kaufen. Eine Gemeinschaft, deren Wirtschaftskreislauf kaum auf Geld beruht, ist in solchen Fällen besonders verwundbar. Lebensmittel zu kaufen ist für die meisten hier sehr teuer. 2016 verwüstete der Zyklon Winston fast das gesamte Dorf auf Waya Lailai. Es war der stärkste Zyklon, der je im Pazifik erfasst wurde. Die Schäden betrugen rund ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes von Fidschi. Daten des IPCC zeigen, dass Stürme im Pazifik zwar nicht häufiger, dafür aber stärker werden. Auf einem Sonderevent des Weltklimarats im Oktober auf Fidschi wurde die Überlegung geäußert, die Skala für Stürme von 5 auf 6 zu erweitern, um den Stürmen bisher unbekannten Ausmaßes Rechnung zu tragen.

Eine Mauer soll helfen

Am Strand beginnen sie damit, eine Mauer zu bauen

Dennoch wollen sich die Menschen auf Waya Lailai gegen die Folgen des Klimawandels wehren. Sie bauen gemeinsam einen Mauer gegen den Anstieg des Meeresspiegels. „Eine richtige Mauer gegen den Meeresspiegelanstieg kostet uns wahrscheinlich mehrere Hunderttausend Euro, das Geld haben wir nicht. Aber wir müssen kämpfen. Deshalb fangen wir schon mal an“, sagt Aporosa.

Im Wirtschaftsministerium von Fidschi gibt es einen „Situation Room“. Darin sind alle Wände voller Karten, die Projekte markieren zur Reparatur von Sturmschäden oder Anpassungsmaßnahmen für zukünftige Katastrophen. Eingerichtet wurde das Zimmer nach dem Sturm Winston. Was zerstört wurde, wollte man umso widerstandsfähiger wieder aufbauen. Aber dazu braucht es Geld: Für Maßnahmen wie höhere Deiche gibt es einige internationale Fonds. Aber in Fonds für irreparable Schäden durch den Klimawandel will niemand zahlen. Auch darum geht es auf der Klimakonferenz in Bonn „Verlust und Schaden“ nennen Diplomaten diesen Teil der Verhandlungen. Besonders Länder wie Fidschi wollen ein internationales Arbeitsprogramm auf den Weg bringen, das Gelder dafür bereitstellt.

Alle Staaten in der Pflicht

Seit drei Jahren kümmert sich auch das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) bei den Vereinten Nationen um die Folgen des Klimawandels. Die Konsequenzen der globalen Erwärmung seien inzwischen so gravierend, dass die grundlegendsten Menschenrechte ohne Unterstützung nicht mehr gewährleistet werden könnten, sagt Benjamin Schachtel vom OHCHR. Aktuell arbeitet er deshalb an einer Studie, die zeigen soll, wie man Finanzhilfen dazu nutzen kann, Menschenrechte vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Der Entwurf liegt Cicero exklusiv vor. Menschen seien besonders dann gezwungen ihre Heimat zu verlassen, „wenn keine finanziellen Ressourcen bereitstehen“, heißt es darin.

„Staaten haben die Verpflichtung, die Rechte und Würde aller Menschen zu schützen“ , sagt Schachter. Deshalb sei die internationale Gemeinschaft rechtlich in der Pflicht, finanzielle Ressourcen bereitzustellen, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Weil der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Extremwettereignissen nicht klar sei, wolle man kein Geld für Schäden durch den Klimawandel bereitstellen, verkündete ein EU-Verhandler jedoch am Mittwoch. Vor allem die Gruppe der Inselstaaten will sich damit nicht abfinden. Ob Dörfer wie das auf Waya Lailai Unterstützung finden, hängt maßgeblich von den nächsten Verhandlungstagen in Bonn ab.

Fotos und Video: Andreas Sieber, Simon Lange

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