Industriestrategie von Merkel und Altmaier - Wie die Politik die Wirtschaft zerstört

Wirtschaftsminister Peter Altmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben mit der „Nationalen Industriestrategie 2030“ ein höchst problematisches Konzept entwickelt. Die überbordenden Vorschriften gefährden Deutschland als Wirtschaftsstandort

Gefährden sie den freiheitlich-demokratischen Staat? Angela Merkel und Peter Altmaier / picture alliance
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Norbert F. Tofall ist Analyst im Forschungsinstitut der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch.

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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier formuliert in seiner „Nationalen Industriestrategie 2030“ strategische Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik. Die globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse seien enorm in Bewegung geraten. Der Weltmarkt befinde sich in einem Prozess rasanter und tiefgreifender Veränderung. Handelsströme veränderten sich. Für Deutschland stelle sich deshalb die Frage, wie auf diese neuen Entwicklungen und Verschiebungen reagiert werden müsse.

Dass all dies in den vergangenen 200 Jahren und darüber hinaus nicht anders war und dass ständige Veränderungen der Lebenswelt seit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies zur conditio humana gehören und dass die erfolgreichste Reaktion auf diese Veränderungen seit jeher im Zulassen von dezentralen evolutionären, nicht zentral gesteuerten Anpassungsprozessen besteht, blendet Peter Altmaier leider aus. Stattdessen fährt er zur Legitimation zentral gelenkter staatlicher Maßnahmen, die durch ordoliberal klingende Rhetorik aufgehübscht umrankt werden, schweres Geschütz auf: „Würden technologische Schlüsselkompetenzen verloren gehen und (würde) infolgedessen unsere Stellung in der Weltwirtschaft substanziell beschädigt, hätte das dramatische Folgen für unsere Art zu leben, für die Handlungsfähigkeit des Staates und für seine Fähigkeit zur Gestaltung in fast allen Bereichen der Politik. Und irgendwann auch für die demokratische Legitimität seiner Institutionen.“ Unsere Demokratie steht nach Ansicht von Peter Altmaier also auf dem Spiel, wenn der Primat der Politik nicht verteidigt werde.

Unterstützung von der Bundeskanzlerin

Und Bundeskanzlerin Angela Merkel kam ihrem Wirtschaftsminister im Bundestag jüngst zu Hilfe. In einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel forderte sie eine Lockerung der EU-Beihilferegeln und eine aktive Industriepolitik, damit Europa ökonomisch gegenüber China und den USA Boden gut machen könne. Nötig sei eine Debatte über europäische Champions und eine Änderung des EU-Wettbewerbsrechts. Es ginge dabei nicht darum, dass der Staat künftig die Rolle der Wirtschaft einnehme. Aber es sei unsinnig, wenn der Staat zwar viele Umweltvorschriften für die Autoindustrie mache, sich aber nicht auch um die Frage kümmere, wie Wertschöpfungsketten in Europa erhalten bleiben könnten. Das heißt mit anderen Worten, der Primat der Politik im Bereich des Umweltschutzes muss nach Ansicht von Angela Merkel durch einen Primat der Industriepolitik in der Wirtschaft ergänzt werden.

Die Bundeskanzlerin scheint dabei nicht einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, ob nicht gerade die überbordenden Umweltvorschriften für die Autoindustrie und ihre Energiepolitik mit Atomenergie- und Kohleausstieg eine nachhaltige Deindustrialisierung in Deutschland befördern, die sie und ihr Wirtschaftsminister durch ihre „Nationale Industriestrategie 2030“ andererseits verhindern wollen. Der angemaßte Primat der Politik in einem Sachbereich scheint den Primat der Politik in anderen Sachbereichen nach sich zu ziehen. Frei nach Ludwig von Mises könnte man von einer sektorübergreifenden Interventionsspirale sprechen.

Zerstörung des freiheitlich-demokratischen Staates

Dazu kommt, dass gerade die von Angela Merkel verfolgte Eurorettungspolitik schöpferische Zerstörungen, Strukturreformen und dezentrale evolutionäre Anpassungsprozesse verhindert hat. Hätten Angela Merkel, die anderen EU-Regierungen, die EU-Kommission und die EZB in den letzten 10 Jahren diese schöpferischen Zerstörungen, Strukturreformen und dezentralen evolutionären Anpassungsprozesse zugelassen, dann würden Deutschland und Europa heute sowohl gegenüber China als auch den USA nicht nur ökonomisch vitaler, sondern auch politisch stabiler dastehen. Denn die kumulierten Problemverschleppungen seit der unbereinigten Finanzkrise von 2007/2008 haben überall in Europa eine politisch destabilisierende Polarisierung hervorgerufen, deren Ende nicht absehbar ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Angela Merkel durch ihre konstruktivistische Flüchtlingspolitik à la „Wir schaffen das“ die AfD in den Deutschen Bundestag promoviert hat.

Angela Merkel, Peter Altmaier und viele andere vermögen aus welchen Gründen auch immer nicht zu erkennen, dass durch Industriepolitik, durch Ökologismus und durch monetäre Planwirtschaft nicht nur der Markt zerstört wird, sondern auch der freiheitlich-demokratisch verfasste Staat. Denn im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat kann gerade kein Primat der Politik gelten, sondern muss ein Primat von Recht und Freiheit verteidigt werden. Ein Primat der Politik zerstört den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.

Das Recht auf eigenes Streben nach Glück

Nach Immanuel Kant ist das „angeborne Recht des Menschen … nur ein einziges: Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht.“ Das Recht ist deshalb der Inbegriff der Bedingungen, unter denen der Wille des einen Menschen mit dem Willen des anderen Menschen unter einem allgemeinen Gesetz der Freiheit nebeneinander bestehen kann. Auf Recht gegründete Gesellschaften dürfen ihre Mitglieder deshalb nicht auf gemeinsame spezifische Ziele verpflichten, sondern nur auf die Einhaltung von Regeln, welche das friedliche Nebeneinander vielfältiger individueller Handlungen ermöglichen, die auf vielfältigen individuellen und sich gegenseitig widersprechenden Zielen beruhen können.

Der Staat hat in diesem Sinne zwar die Befugnis zur Anwendung von Zwang, um eine Verfassung von der größten Freiheit zwischen Menschen zu errichten und zu sichern. Der Staat darf jedoch keine Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen per Gesetz – und das heißt per Zwang – durchsetzen oder fördern. Der Staat hat lediglich dafür zu sorgen, dass die Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen der Menschen, also ihre individuellen Ziele, nebeneinander bestehen können. Kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und auch kein Staat haben das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein. Jeder Mensch hat das Recht, auf seine Art nach Glück zu streben. Das heißt, dass der Staat auch nicht das Recht hat, die Gesellschaft auf bestimmte Förderziele zu verpflichten.

Gemeinsame Ziele sind tödlich

Erst durch den Verzicht auf vorgegebene gemeinsame spezifische Ziele kann eine offene Gesellschaft freier Menschen entstehen, in der die verschiedenen Mitglieder von den Tätigkeiten aller anderen nicht nur trotz, sondern oft sogar aufgrund der Verschiedenheit ihrer jeweiligen Ziele profitieren. Der Verzicht auf vorgegebene gemeinsame spezifische Ziele und der Primat von Recht und Freiheit bilden so die Grundlage des Wohlstands.

Industriepolitik, Ökologismus und monetäre Planwirtschaft sind hingegen gemeinsame spezifische Ziele, die den Menschen und der ganzen Gesellschaft durch einen Primat der Politik vorgegeben werden. Es handelt sich um eine Finalisierung der Gesellschaft, also um ihre Begrenzung, die mehr und mehr sowohl den Markt als auch den freiheitlich-demokratisch verfassten Staat zerstört.

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