Fleischsteuer - Die tierische Mogelpackung

Experten empfehlen der Regierung, eine Steuer auf Fleisch und andere tierische Produkte zu erheben. Diese zusätzliche Verbrauchersteuer soll angeblich das Tierwohl verbessern. Dabei kämen die Einnahmen weniger den Tieren als vielmehr der Bundesregierung zugute.

Der Frühstücksbacon könnte bald teurer werden / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Jetzt kommt die Katze langsam aus dem Sack. Das im April 2019 von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) als offizielles Beratergremium eingerichtete „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ schlägt die Einführung einer Sondersteuer für Fleisch und tierische Produkte vor, wie die Neue Osnabrücker Zeitung am Donnerstag berichtete. Demnach könnte der Preisaufschlag für Fleischprodukte bei 40 Cent pro Kilogramm liegen. Auch für Milch, Milchprodukte und Eier würde es Aufschläge geben.

Die zusätzlichen Einnahmen sollen laut den Autoren der Vorlage genutzt werden, um den Bauern „die höheren Kosten tiergerechter Haltungsverfahren [...] zu einem hohen Anteil von insgesamt 80 bis 90 Prozent auszugleichen“, zitiert die Zeitung aus dem Entwurf. Der Vorstoß kommt nicht überraschend und war auch bestens vorbereitet. Seit Monaten wird auf allen Kanälen darüber lamentiert, dass Fleisch „zu billig“ sei. Bilder von in engen Käfigen gequälten Scheinen werden effektvoll mit Preisschildern kontrastiert, auf denen ein Kilo Schnitzel für 3,99 Euro offeriert wird.

Ein flächendeckendes Schwarze-Peter-Spiel

Zwischen Politikern und Lobbyisten ist ein flächendeckendes Schwarzer-Peter-Spiel entbrannt. Je nach Interessenlage und politischer Ausrichtung werden entweder die Bauern, der Handel, die Verbraucher oder die Politik als Schuldige für diese Zustände benannt. Deren Vertreter weisen natürlich jedwede Verantwortung ihrer eigenen Klientel postwendend zurück und zeigen mit dem Finger auf die anderen Akteure. Es ist offensichtlich, dass sich Teile der deutschen Landwirtschaft in einer schweren, teilweise bedrohlichen Krise befinden und der Agrarmarkt dramatische Verzerrungen und Schieflagen aufweist.

Einseitige Schuldzuweisungen helfen da nur bedingt weiter. Natürlich klagen viele Bauern zu Recht darüber, dass sie ihre Produkte nicht kostendeckend vermarkten können. Ungern wird von deren Verbänden allerdings darüber geredet, dass beispielsweise über die Hälfte der deutschen Schweinefleischproduktion mittlerweile in den Export geht, auf teilweise äußerst volatile Märkte mit stark schwankenden Preisen und Abnahmemengen.

Marktlogik steht gegen Tierwohl

Man kann also mit Fug und Recht von einer tendenziellen Überproduktion sprechen, die absurderweise auch mit Subventionen der EU befeuert wird und den Preiskampf auch auf dem Binnenmarkt anheizt. Dass die großen Handelsketten diese Steilvorlage dankend aufnehmen und ihre Marktmacht als Ankäufer gnadenlos ausnutzen mag man verwerflich finden, aber es entspricht schlicht der Marktlogik. Wie auch das Verhalten vieler Verbraucher, die zwar gerne mehr „Tierwohl“ hätten, aber beim Einkauf dennoch in erster Linie auf den Preis achten. Zumal Millionen Menschen im Niedriglohnsektor oder Beziehern von Transferleistungen gar nichts anderes übrigbleibt, als stets nach den billigsten Lebensmitteln zu suchen.

Unbestreitbar sind auch die desaströsen Folgen der industrialisierten, hochproduktiven Landwirtschaft für Umwelt und Natur, angefangen von der Nitratbelastung durch Düngemittel bis hin zum übermäßigen Einsatz von Pestiziden. Und auch die Belange des Tierschutzes haben angesichts der Rahmenbedingungen nur eine untergeordnete Rolle, vor allem als Kostenfaktor Es ist bekannt, dass die Regeln für den Agrarmarkt und auch für die landwirtschaftliche Produktion vorwiegend auf EU-Richtlinien basieren.

Politische Spielräume werden nicht genutzt

Dennoch verbleiben der deutschen Politik noch genug nationale Spielräume, um zumindest teilweise regulierend einzugreifen. Die werden aber nicht oder nur sehr zaghaft genutzt, weil sich die Parteien nicht mit den mächtigen Lobbyverbänden anlegen wollen. Also will man in Form einer neuen Steuer jetzt den bequemsten Weg einschlagen, ungeachtet seiner äußerst zweifelhaften Lenkungswirkung. Ohnehin wäre eine „Fleischsteuer“ zunächst einmal ein dreister Etikettenschwindel. Denn zweckgebundene Steuern gibt es in deutschem Fiskalsystem nicht.

Alle Einnahmen kommen in den großen Topf und ihre Verwendung obliegt der jeweiligen Regierung beziehungsweise dem Parlament, dessen „Königsrecht“ die Verabschiedung des Haushalts ist. Doch selbst wenn das Geld durch entsprechende Haushaltstitel in die artgerechte Umrüstung der Stallhaltung flösse, wäre es eine „Rasenmäher-Steuer“. Denn es gibt bislang abgesehen vom Bio-Label keine verbindliche Kennzeichnung der Haltungsform bei Fleischprodukten.

Ausreichend viele Stellschrauben

Die Steuer müsste also pauschal erhoben werden, unabhängig von der Produktionsweise des jeweiligen Erzeugers. Und während die Steuer so schnell wie möglich erhoben werden soll, liegt deren vermeintliches Ziel in weiter Ferne. Laut dem Vorschlag sollen im im Jahr 2040 alle Nutztiere in Ställe leben, die deutlich mehr Platz bieten und möglichst Kontakt nach Außen haben. Die geplante Steuer ist also offensichtlich eine Mogelpackung, die vor allem zu höheren Staatseinnahmen und höheren Verbraucherpreisen führen wird und kaum Effekte für Tier- und Umweltschutz hätte.

Dabei gäbe es wesentlich zielgenauere Stellschrauben. Wie etwa deutlich verschärfte gesetzliche Mindeststandards bei der Fleischproduktion und eine umfassende Kopplung der ja schon jetzt reichlich fließenden Agrarsubventionen an artgerechte Tierhaltung. Bestimmte Geschäftsmodelle der industrialisierten Massentierhaltung wären dann möglicherweise unrentabel – ein Nebeneffekt , den man getrost in Kauf nehmen sollte. Und ja, das Kilo Schnitzel für 3,99 Euro und zehn Eier „aus Bodenhaltung“ für 99 Cent gäbe es dann vermutlich nicht mehr. Na und?

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