Deutsche Waldtage 2020 - Auf dem Holzweg?

Zum Start der Deutschen Waldtage präsentierte Julia Klöckner neben hippen Mitmach-Aktionen auch ihre Pläne für eine „Pflanzoffensive“. Doch was blieb außer großen Worten, pfiffigen Gadgets und Lobeshymnen auf den deutschen Forst von ihrem Auftritt übrig?

Fordert eine „Pflanzoffensive" für resilientere deutsche Wälder: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner / dpa
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Johanna Jürgens hospitiert bei Cicero. Sie studiert Publizistik und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Zuvor arbeitete sie als Redaktionsassistenz beim Inforadio des RBB.

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Die Berliner sind sehr stolz auf ihren Wald. Den Eindruck hat zumindest die rheinland-pfälzische Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Tatsächlich war das Naherholungsgebiet an der Havel lange nicht mehr so gut besucht wie in diesem Jahr. Hinsichtlich geschlossener Restaurants und strenger Hygienemaßnahmen in Parks während des Lockdowns sind die gestiegenen Besucherzahlen jedoch wenig überraschend, war doch Social Distancing in diesem Frühjahr das oberste Gebot.

Für Klöckner hat die Stadtflucht jedoch auch andere Gründe: „Der Wald ist sagenumwoben: In der Poesie, in der Literatur, wie in der Musik. Die Bedeutung des Waldes für unsere menschliche Seele und fürs Wohlbefinden ist so, so wichtig“, schwärmte die Bundesagrarministerin am Donnerstag Vormittag vor Mitarbeitern der Berliner Forsten. Unter dem Motto „Gemeinsam für den Wald“ sollen die Deutschen Waldtage mit bundesweit über 500 lokalen Veranstaltungen für die Bedeutung der Wälder im Kampf gegen den Klimawandel sensibilisieren. Im Berliner Grunewald hat Klöckner die Veranstaltung mit einem Spaziergang durch einen Klimapfad eröffnet, der das Umweltbewusstsein der Besucher schärfen soll. Als entschleunigendes Ausflugsziel erscheint der interaktive Wanderweg jedoch nur auf den ersten Blick. 

Bloß nicht abschalten 

Sehnsuchtsort und Rückzugsraum hin oder her – den urbanen Berliner erreicht man dann doch nur mit digitalen Gimmicks, mögen sich die Gestalter des Klimapfades gedacht haben. So finden Waldbegeisterte an der ersten Station neben zwei Informationstafeln einen großen, freischwebenden Bilderrahmen vor, die sogenannte „Selfiestation“. Anstatt ihre Initialen in die ohnehin schon geschädigten Bäume zu ritzen, können Besucher so mit Handyfotos vor grüner Kulisse der ganzen Welt zeigen, dass sie tatsächlich in der Natur unterwegs waren. 

Währenddessen geht die Digitalisierung in den Forstbetrieben nur schleppend voran. Das läge vor allem an der „desaströsen Vernetzung“, beklagte der Forstingenieur Frank Ackermann beim Besuch der Bundeslandwirtschaftsministerin. 

Immerhin: Für den Fall, dass die Akkuleistung nachlässt, sind die umstehenden Sitzbänke mit USB-Anschlüssen ausgestattet – ein unfreiwilliger Digital Detox ist damit so gut wie ausgeschlossen.

Es braucht eine „Pflanzoffensive“

Die moderne Ausstellung soll den städtischen Ballungsraum mit dem ländlichen Gefühl zusammenbringen, sowas komme heutzutage ohne „Selfiepoint" gar nicht mehr aus, heißt es. Darüber lässt sich natürlich streiten. Es wäre jedoch schade, wenn all diese netten Extras von den eigentlichen Problemen ablenkten. Denn tatsächlich haben Dürre, Stürme und Schädlinge wie der Borkenkäfer auch in deutschen Wäldern massive Schäden angerichtet. 

Laut Bundesministerium müssen rund 285.000 von insgesamt mehr als 11 Millionen Hektar Wald aufgeforstet werden – und zwar so, dass standortangepasste, resiliente Mischwälder entstehen, die besser an den hiesigen Klimawandel angepasst sind. Konkret bedeutet das: Weg von Nadelholz-dominierten Beständen hin zu Mischwäldern aus Laub- und Nadelbäumen.

Bund und Länder wollen für diese „Pflanzoffensive“ insgesamt 1,5 Milliarden Euro als Hilfen bereitstellen. Dabei handelt es sich laut Klöckner um Gelder, die aus dem Klimafond und dem Konjunkturprogramm stammen.

Zielgruppe verfehlt?

Zu den geplanten Maßnahmen gehören laut der Bundesagrarministerin auch, „Grüne Berufe“ zu unterstützen und den Kommunen unter die Arme greifen, denen geschädigte Wälder ein Loch in den Haushalt reißen. 

Zunächst aber sollen die Deutschen Waldtage vor allem „junge Leute dafür sensibilisieren, was es bedeutet, an morgen zu denken, zum Beispiel, indem man einen Baum pflanzt“, so Klöckner. Ob man ausgerechnet Jugendliche zum Engagement für die Umwelt animieren muss, ist hinsichtlich der immer lauter werdenden (und dennoch zu großen Teilen ungehörten) Forderungen junger Klimaaktivisten jedoch fraglich. 

Alle mögen Bäume

Auch im Bundestag scheidet die Frage nach der Rettung des Sorgenkindes „deutscher Wald“ die Geister. Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter der Grünen, sprach sich bereits gegen den geplanten Waldumbau aus. „Die diesjährigen Waldtage sind Trauertage“, mahnte der Sprecher für Waldpolitik. Statt für ein wirksames Konzept gegen die Waldkrise würde die Bundesregierung Milliarden durch wirkungslose oder sogar waldschädliche Programme verschleudern. 

Glaubt man der Bundeslandwirtschaftsministerin, handelt es sich bei den Streitpunkten jedoch nicht um unüberbrückbare Differenzen: „Ich kenn keinen, der Bäume und Wälder nicht mag. Auch die allermeisten mögen Möbel aus Holz. Also man mag die Bäume, man mag die Möbel aus Holz, aber zwischendrin gibt es erheblichen Streit darüber, ob Bäume gefällt werden, oder nicht.“

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