Deutsche Bank - Macht auf Probe

So unsicher die Zukunft der Deutschen Bank, so auch das Schicksal von Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Beides hängt vom Erfolg des von ihm installierten neuen CEO Christian Sewing ab. Dieser streicht jetzt 7.000 Stellen. Reicht das?

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Skepsis ist angebracht, denn Paul Achleitners Schicksal ist nicht sicher / picture alliance
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Brigitte Scholtes arbeitet als freie Wirtschaftsjournalistin in Frankfurt.

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So viel Kritik hat Paul Achleitner wohl selten einstecken müssen wie an diesem Sonntagabend nach Ostern. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank sollte beraten über die Nachfolge des glücklosen Vorstandsvorsitzenden John Cryan. Doch einige Aufsichtsräte fühlten sich offenbar von Achleitner vor vollendete Tatsachen gestellt. Dem Vernehmen nach kam es deshalb zu heftigen Diskussionen. Eine alternative Lösung zu Christian Sewing aber hatten sie nicht.

Achleitner jedoch dürfte zufrieden sein. Wieder einmal hat er gezeigt, wie meisterhaft er immer noch die Kunstgriffe des Dealmaking beherrscht. Wochenlang war über eine mögliche Ablösung Cryans spekuliert worden, Achleitner selbst schwieg – bis er plötzlich das Tempo beschleunigte und Christian Sewing als neuen Kandidaten für den Chefposten präsentierte. Den Kollegen im Kontrollgremium blieb keine Zeit, selbst andere Möglichkeiten vorzuschlagen, da dringend eine Lösung hermusste. Achleitners Strategie, von sich selbst abzulenken, ging damit vorerst auf.

Sein Amt war in letzter Zeit kein Vergnügen

Denn auch seine Ablösung wird immer deutlicher gefordert. Es fehlt jedoch ein passender Kandidat. „Mr. Teflon der Finanzszene“ wird er gelegentlich genannt. Widrigkeiten perlen an ihm ab. Gelernt hat er das bei der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs, zu der er 1988 stieß. Wie zahlreiche andere Manager und Politiker hat auch ihn diese internationale Kaderschmiede in seiner Perspektive auf die Welt geprägt. Es ist die eines typischen Investmentbankers. Dass kurzfristiges Gewinndenken auch Schäden anrichten kann, wie in der Finanzkrise klar bewiesen, stärker langfristig orientiertes wirtschaftliches Agieren jedoch ein Wirtschaftssystem stabilisiert, sieht er offenbar nicht so. Diesen Eindruck haben jedenfalls Beobachter gewonnen.

Achleitner, der oberste Kontrolleur der Deutschen Bank, ist 61 Jahre alt. Sein Haar ist fast weiß, die markanten Augenbrauen sind immer noch schwarz und fallen auf, wenn er redet. Sie untermalen seine Ausführungen, deuten dem Gegenüber an, ob er amüsiert, aufmerksam oder verärgert ist. Sein Amt als Aufsichtsratschef war wohl immer sein Traumjob – ein Vergnügen dürfte es in den zurückliegenden Wochen und Monaten aber kaum gewesen sein.

Im persönlichen Umgang ist Achleitner offen und zugetan, vermag zu gewinnen. Vielleicht hilft ihm dabei seine österreichische Art. Die leichte Sprachfärbung lässt Kritik nicht so hart erscheinen wie bei manch anderem Manager. Als großer Intellektueller gilt er nicht unbedingt. Ein Experte, der Achleitners Reden auf ihre Aussagen hin untersucht hat, nennt sie gar „gehaltloses Geschwätz“. Solch durchaus harte Kritik ist gelegentlich zu hören. Mangelnde Substanz würde er mit Aktionismus versuchen zu überdecken. Untätigkeit zumindest aber kann man ihm nicht vorwerfen: Achleitner gilt als ein fleißiger Vorsitzender.

Powerpaar der deutschen Wirtschaft

Das musste er auch sein, waren es doch die anstrengendsten Jahre der Bank nach der Finanzkrise – zunächst unter Jürgen Fitschen, dann unter dem Investmentbanker Anshu Jain. Dass er den nicht früher gefeuert habe, kritisieren viele Beobachter noch heute. Dass auch Cryan gescheitert ist, den Achleitner schließlich selbst zur Deutschen Bank geholt habe, müsse er sich auch selbst zuschreiben, ist in diesen Tagen häufig zu hören. Ebenso wie Forderungen, die Hauptversammlung müsse generell einen Aufsichtsratschef stärker kontrollieren, weil dieser sonst das Unternehmen an die Wand fahre. Dass ausgerechnet seine mangelnde Führungs- oder Kontrollkraft zu solchen Überlegungen führt, muss Achleitner besonders schmerzen. Kam er doch bislang mit seiner geschmeidigen Art immer so gut voran.

Für Goldman Sachs baute er nach Stationen in New York und London das Deutschlandgeschäft der Bank auf, wurde schließlich deren Deutschlandchef. Er half mit, die Deutsche Telekom an die Börse zu bringen. Er beriet bei Fusionen wie Daimler-Chrysler, Thyssenkrupp und Hypovereinsbank. Beim Börsengang von Goldman Sachs verdiente er, inzwischen Partner der Bank, Millionen. Statt es danach ruhiger anzugehen, wechselte Achleitner zum Versicherungskonzern Allianz als deren Vorstand für Finanzen und Beteiligungen. Dort blieb er, bis er 2012 an die Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank wechselte. In München lebt er noch immer – zusammen mit seiner Frau, der Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner. Die beiden gelten nach wie vor als das „Powerpaar der deutschen Wirtschaft“. Wie lange Achleitner diese Macht noch innehaben kann, werden die nächsten Monate zeigen. Die Deutsche Bank bleibt in Unruhe. Diese Unruhe endlich aufzulösen, hängt nicht zuletzt von Achleitners Wahl Christian Sewing ab.

Dies ist ein Artikel aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.












 

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