DAX-Anwärter Symrise - Entdecker, Erfinder, Ermöglicher

Der deutsche Aromen-, Duft- und Zutatenhersteller Symrise wächst und wächst – und das trotz und wegen Corona. 2021 dürfte das Unternehmen aus Holzminden in den Dax aufsteigen. Das liegt auch an dem gut gelaunten CEO Heinz-Jürgen Bertram und an dessen Plänen. Ein Porträt.

Der CEO von Symrise ist berüchtigt für seine Zwiebeln / Franziska Gilli
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Als der Einkaufsleiter des US-Getränkeherstellers Pepsi einmal den Standort des weltweit viertgrößten Aromen- und Duftstoffherstellers besuchte, soll er gesagt haben: „Holzminden ist nicht das Ende der Welt. Aber man kann es von hier aus sehen.“ Heinz-Jürgen Bertrams Augen strahlen, wenn er diese Geschichte erzählt. Der 62-jährige CEO des erfolgreichen deutschen MDax-Konzerns hat lange in New York gelebt. Er weiß, dass die Schönheit der 20 000-Einwohner-Stadt im südlichen Niedersachsen „im Auge des Betrachters liegt“. Mit Bewerbern rede er da nicht lange herum: „So klein und ländlich, wie du das gesehen hast – so ist das.“

Doch Symrise ist ein Weltkonzern mit rund 10 000 Mitarbeitern und Standorten in mehr als 40 Ländern, darunter Hauptsitze in den USA, in Frankreich und Brasilien. Pepsi, Danone, Unilever oder Henkel sind nur einige von Bertrams Kunden. Seinen Düften, Aromen und Nahrungsmittel­erfindungen kann ein Mensch im Alltag gar nicht entkommen. Das fängt morgens beim Menthol in der Zahnpasta und dem Duft des Duschgels an, geht weiter mit den Frühstückscerealien oder dem Marmeladentoast. Im Waschmittel, Lieblingsparfüm, in der Tiefkühlpizza und im neuen Craftbier, in Kaugummi und Keksen und auch in Plantbullar, dem neuen veganen Köttbullar bei Ikea – überall steckt eine Prise Symrise drin.

Für die schönen Momente des Lebens

„Wir sind für vieles in Ihrem täglichen Leben zuständig. Und meistens sind es die angenehmen Momente“, freut sich Heinz-Jürgen Bertram. Die Augen des studierten Diplomchemikers, der kein Weltverbesserer, aber ein Ermöglicher sein will, leuchten auch nach mehr als 35 Jahren im Konzern und nach fast zwölf Jahren als Vorstandsvorsitzender noch immer so, als habe er gerade eben eine Entdeckung gemacht. „Ein Wellness-Unternehmen für die ganze Familie“ wolle man sein. „Für Vater, Mutter, Sohn, Tochter. Für den Opa und die Oma. Für die Katze und den Hund. Und wenn sie wollen, sogar für den Goldfisch. Ist das nicht eine schöne Vision?“

Heinz-Jürgen Bertram wirkt in der Corona-Pandemie zufrieden und erwartet weiteres Wachstum. Dass Symrise in diesem Jahr in den neuen Dax 40 aufsteigen wird, gilt als sicher. Wie die Bilanz für 2020 ausfallen wird, ist dennoch offen. Auch Symrise muss trotz vieler Kunden im Lebensmittel- und Kosmetikbereich Rückschläge verkraften. Das Segment der Feinparfümerie etwa ist stark eingebrochen, auch wegen der weltweit geschlossenen Duty-free-Shops an Flughäfen. Ähnliches bei Sonnencremes: „Seit einem Jahr fährt kaum noch einer in den Urlaub“, sagt Bertram.

Bis 2030 klimaneutral

Viele Trophäen stehen auf dem Fenstersims in seinem Büro, zweimal auch der Deutsche Nachhaltigkeitspreis. Heinz-Jürgen Bertram greift nach einer großen Dose und reckt sie mit einer Hand in die Höhe wie einen Pokal. „Diese Dosensuppe“, beginnt er, „die hat es nur einmal ins Licht der Welt geschafft, nämlich durch Andy Warhol.“ Ansonsten sei das eine „eher unaufgeregte Kategorie“. Im Lockdown-Modus aber deckte sich Deutschland nicht nur mit Toilettenpapier, sondern auch mit Konserven ein. „Es war eine Dosensuppen-Bonanza“, sagt er und grinst. Schnell müsse man da reagieren, sich zugleich aber auch nicht nur darauf verlassen. „Jetzt nämlich haben alle ihre Dosensuppe zu Hause.“

Das breit aufgestellte Unternehmen wirkt in der Krise resilienter als andere. Corona beschleunige vieles, sagt Bertram. Digitalisierung und Nachhaltigkeit könne man nicht aufhalten. „Viele, die jammern und jaulen, sind einfach zu spät dran“, sagt er. „Wir sind eines der wenigen Unternehmen, die das Lieferkettengesetz befürworten. Natürlich machen wir das.“ Stolz erzählt er von 2030. Da will Symrise eine positive Klimabilanz haben. Von der eigenen Vanilleproduktion auf Madagaskar, den Biobananen aus Ecuador, dem eigenen Kraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung oder dem Laster, der voll beladen mit regionalen Holzmindener Zwiebeln aufs Gelände fährt.

„Wir sind viel mehr als das, was viele denken“

Überhaupt ist es die Zwiebel, für die Heinz-Jürgen Bertram inzwischen berühmt und berüchtigt ist. Statt über Finanzen spricht der CEO gerne auch eine halbe Stunde lang über deren geschmackliche Breite und natürliches Potenzial als Aromalieferantin. Als er in den achtziger Jahren studierte, dann bei Bayer anfing, wo er eine neue Fliegenfalle erfand, galt die Aromenindustrie noch als ein Schmuddelkind. So sei das längst nicht mehr, sagt er. „Wir machen Karottenaroma aus Karotten, Bieraroma aus Bier und Huhnaroma aus Huhn. Wie geil ist das denn?“

Da ist es wieder, das Leuchten in den Augen eines Erfinders. Bald kommt eine neue EU-Vorschrift gegen Mikroplastik. Ein Problem, etwa für Waschmittelhersteller. „Wir haben bereits die technische Lösung“, freut sich Bertram. „Wir sind viel mehr als das, was viele denken.“
 

Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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