Corona-Finanzhilfen ohne Prüfung - Die unbegrenzte Hilfe des Steuerzahlers, nicht des Staates

Die Politik muss und will die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abfedern. Die Rettungsmaßnahmen sollen unbürokratisch und schnell umgesetzt werden. Die mangelhafte Ausrichtung und Umsetzung könnte den Steuerzahler allerdings teuer zu stehen kommen.

Peter Altmaier, Olaf Scholz: Das Geld ist nicht weg, es haben nur die Anderen / picture alliance
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Michael Harms ist Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

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Michael Harms ist Geschäftsführer des Ost-Ausschusses des Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft e.V.H. Dieser Text spiegelt die private Sicht des Autors wider.

Wenn ich heute mit Unternehmern über die wirtschaftliche Lage und die Aussichten spreche, wird die Sprache schnell martialisch. Ein drohendes „Blutbad“ und „Schlachthaus“ sind oft verwendete Begriffe, vor allem wenn es um den Mittelstand geht, um Restaurantbesitzer, Automobilzulieferer, Hoteliers und andere Dienstleister.

Aber auch die Politiker rüsten verbal auf: Der Finanzminister legt die „Bazooka“ auf den Tisch, die Programme werden „aufmunitioniert“, gigantische „Schutzschirme“ gespannt. Man wartet noch auf die Wortmeldung von Hansi Flick, der uns wieder mal empfiehlt den Stahlhelm aufzusetzen. Sprache bestimmt bekanntlich unser Denken und Handeln.

Soforthilfe, Kredite und Garantien

„Wir lassen niemanden allein“, erklärte der Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der Überbietungswettbewerb der Politik steigert sich immer mehr. Alles und jedes soll in diesem Ausnahmezustand vom Staat übernommen, abgefedert, überbrückt und gerettet werden. Grundsätzlich sind sich alle einig: In einer solchen Situation sind die vielen hundert Milliarden, die allein in Deutschland für Soforthilfen, Kredite und Garantien mobilisiert werden, ordnungspolitisch gerechtfertigt.

Aber auf die konkrete Ausrichtung und Umsetzung kommt es auch an. Um im Bild zu bleiben: Neben der ganz großen Wumme wird ein unüberschaubares Kleinwaffenarsenal aus dem Wehrgehenk gezogen. Der Berliner Senat verteilt ohne jedwede Prüfung Milliarden an Leute, die ein Kreuz machen und ihren Namen richtig schreiben können. Das wird öffentlich damit gerechtfertigt, dass ein aufwändiger Prüfprozess monatelang dauern würde und die Kleinunternehmer in die Insolvenz treibt. Aber können wir nur in Extremen denken?

„Wer im Dunkeln rumballert, trifft immer ins Schwarze“

Es hätte ausgereicht (und die Brandenburger Nachbarn machen es vor) den Fragebogen für die Soforthilfe um einige simple Erklärungen zu ergänzen und zumindest stichprobenartig zu prüfen. Dann wäre das Geld vielleicht nicht am nächsten Tag auf dem Konto, sondern erst in zwei Wochen – eine hinzunehmende Verzögerung, damit der Ehrliche nicht wieder der Dumme ist.

Aber die Berliner Politik verfährt wieder einmal frei nach dem Motto: „Wer im Dunkeln rumballert, trifft immer ins Schwarze“. Bildungsministerin Karlizeck präsentierte unlängst den Vorschlag, nicht BAföG-berechtigte Studierende, die ihren Nebenjob durch Corona verloren haben, staatlich zu unterstützen. Aber sind nicht diejenigen nicht BAföG-berechtigt, die gut verdienende Eltern haben? Wäre es nicht zu viel verlangt, dass diese ihren Sprösslingen übergangsweise unter die Arme greifen?

Der Staat hat kein eigenes Geld

Alle Rettungsprogramme in Ehren, aber Augenmaß, Sorgfalt und gesunder Menschenverstand sind auch in Krisenzeiten ein guter Ratgeber. Ich empfehle folgendes, sehr simples sprachliches Experiment: Jedes Mal, wenn von staatlichen Stützungsmaßnahmen, Rettungsschirmen und „unbegrenzten“ Finanzhilfen gesprochen wird, sollte anstelle des Wortes „Staat“ das Wort „Steuerzahler“ stehen.

Der „großzügige Rettungsschirm des Steuerzahlers“. „Die unbegrenzte Hilfe des Steuerzahlers“. Hört und fühlt sich das nicht gleich ganz anders an? Denn eine Binsenweisheit haben wir offenbar vergessen: Der Staat hat kein eigenes Geld. Weder Frau Merkel noch Frau Giffey, weder Herr Altmaier noch Herr Scholz. Es ist das Geld der Damen und Herren Müller, Meier, Schulze, Yilmaz, Kowalczyk oder Jovanovic.

Unser aller Geld oder das Geld unserer Kinder und Enkelkinder. „Geschenkten Käse gibt es nur in der Mausefalle“, sagt dazu ein russisches Sprichwort. Aber ja: Wir sind im Krieg. Neben der einen großen Gesundheitsfront von Millionen Menschen gibt es unzählige Schlachten und Scharmützel, nicht zuletzt in der Wirtschaft. Und ja, wir müssen in diesem Krieg aus allen Rohren feuern, um das wirtschaftliche Blutbad noch abzuwenden oder zumindest abzufedern. Aber bitte nicht auf die Kirche zielen, die sollte immer noch im Dorf bleiben.

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