Corona und Tourismus - Näher, kürzer, spontaner

Mit der Schließung der Grenzen hat die Pandemie den internationalen Tourismus komplett zum Erliegen gebracht. Das Vertrauen in die Infrastruktur wichtiger Urlaubsländer wiederherzustellen, wird für die Branche eine Herausforderung werden. Aber die Krise bietet auch eine Chance.

Urlaub an der Ostsee: Der heimische Tourismus wird von der Krise profitieren / dpa
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Autoreninfo

Harald Pechlaner ist Professor für Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneurship an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 

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Die Krise wird die Welt und unser aller Leben dauerhaft verändern, heißt es. Aber wie konkret? Elf Felder haben wir genauer unter die Lupe genommen oder Experten dazu befragt – von Kultur über Tourismus bis zur Geopolitik.

Als die weltgrößte Tourismusmesse ITB, stets im März in Berlin, dieses Jahr wenige Tage vor Beginn abgesagt werden musste, brach für viele Touristike­xperten eine Welt zusammen. Nur wenige Wochen später muss die Frage erlaubt sein, ob denn jemand die ITB vermisst hat. Hier deutet sich an, was dem Tourismus in den nächsten Jahren blühen könnte. Geschäftsreisen werden sich radikal ändern, Konferenzen und Kongresse müssen sich neu erfinden, weil die jetzt massiv fortschreitende Digitalisierung viele traditionelle Angebote im Business-Tourismus überflüssig machen wird. Ganz zu schweigen von den Fragen, wie sich die Airline-Industrie wieder entwickeln kann und ab wann die reiserechtlichen Voraussetzungen für eine Auslandsreise wieder vorhanden sein werden.

Als wegen der Corona-Krise innerhalb weniger Tage Staatsgrenzen geschlossen wurden, war damit eine Voraussetzung für das Reisen ins Ausland nicht mehr gegeben. Eine weltweite Reisewarnung tat ihr Übriges, um der Auslandsreise – eine Lieblingsbeschäftigung der Deutschen – zwischenzeitlich den Garaus zu machen. Dann folgte auch noch die Empfehlung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, von einer konkreten Urlaubsplanung für den Sommer 2020 vorerst abzusehen. Aus alledem wird klar, dass diese Krise das Zeug hat, den Tourismus vollkommen neu zu entwerfen.

Der Tod des Kreuzfahrttourismus

Denn eines wird nicht bezweifelt: Tourismus wird es auch zukünftig geben, solange bestimmte Rahmenbedingungen wie Frieden, Zeit oder Geld da sind. Urlaubsmotive werden sich nicht grundlegend ändern, sehr wohl aber die Art und Weise ihrer Erfüllung. Beinahe alles wird davon abhängen, wann Märkte wieder Vertrauen in das Reisen und in Urlaub bekommen werden: Vertrauen in das problemlose Überschreiten von Staatsgrenzen, in das Betreten von Fliegern, in die Unbedenklichkeit von Buffets oder von Besuchen von Sauna- und Wellnessbereichen in Hotels, Vertrauen in die Teilnahme an Gruppenreisen. Aber auch Vertrauen in die Infrastruktur wichtiger Urlaubsländer, die weit stärker als Deutschland von der Pandemie betroffen sind.

Den Kreuzfahrttourismus wird es wahrscheinlich so nicht mehr geben, wie wir ihn kannten. Reisebüros und Reiseveranstalter erleben gerade eine beispiellose Existenzkrise, wobei künftig noch eine Legitimationskrise hinzukommt wegen der atemraubenden Digitalisierung und wohl auch wegen der Diskussion um die Rückabwicklung von Buchungen und der „Gutschein-Lösung“, bei der gerade verbriefte Reiserechte gegen die wirtschaftlichen Interessen einer ganzen Industrie verhandelt werden.

Land sticht Stadt 

Der Weg zurück wird lang sein. Die Menschen werden demnächst kürzer und näher reisen, zunächst im Inland bleiben und kurzfristig buchen. Sie werden Flugreisen zurückstellen und ländliche Regionen den großen Städten vorziehen. Und: Diese Krise wird Nachhaltigkeit im Tourismus neu definieren, und zwar als Prozess des glaubwürdigen Umgangs mit Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders, der Gesundheit, der Mobilität und des Konsums. 
 


 

 

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe von Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können. 
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