Trumps Steuerreform - „Das wird uns treffen“

Trumps Steuerreform kann den Deutschen schaden, sagt der Chefökonom des ifo-Instituts, Clemens Fuest, im Cicero-Interview. Deshalb müssten auch hier die Unternehmenssteuern sinken. Das aber bezahlen wir Konsumenten

Deutschland muss dringend handeln, sagt Clemens Fuest / ifo-Institut
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Herr Fuest, der Senat hat Donald Trumps Steuerreform, den „Tax Cuts and Jobs Act“, gebilligt. Wie wichtig ist diese Reform für US-amerikanische Unternehmen?
Die Steuerreform hat massive Auswirkungen auf die amerikanischen Unternehmen. Die Senkung der Steuersätze ist eine massive Entlastung. Gleichzeitig werden die Unternehmen ihre Steuerplanung umfassend ändern müssen, das Steuersystem wird grundlegend geändert, vor allem die Besteuerung von Auslandsgewinnen.
 
Ab 1. Januar 2018 gilt unter anderem eine deutlich niedrigere Körperschaftssteuer. Der international vergleichsweise hohe Satz sinkt von 35 Prozent auf 21 Prozent. Werden die USA zu einem Unternehmensparadies?
Der bisherige Steuersatz war einer der höchsten der Welt, eine Senkung war überfällig. Von 35 auf 21 Prozent zu gehen ist allerdings ein großer Schritt. Gleichzeitig wird die Bemessungsgrundlage allerdings verbreitert. Von dem Eintritt ins Paradies würde ich noch nicht sprechen, aber eine deutliche Verbesserung kommt da schon heraus.
 
Wegen der hohen Steuern daheim, hatten US-Firmen bislang den Anreiz, Gewinne im Ausland zu verbuchen. Werden uns künftig die Steuern von US-Unternehmen entgehen?
Im Ausland haben die US-Unternehmen schon bisher recht erfolgreich Steuern vermieden, das US-Steuersystem war darauf ausgerichtet. Jetzt entstehen allerdings Anreize für unsere eigenen Unternehmen, mehr Gewinne in den USA auszuweisen. Das wird uns treffen.

Die Gewerbesteuer muss abgeschafft werden

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordern nun, auch hierzulande die Unternehmenssteuern zu senken. Sie auch?
Wenn die Politik verhindern will, dass Arbeitsplätze und Investitionen verlagert werden, muss sie die Steuern senken. Man sollte das gleich zum Anlass nehmen, die Unternehmensbesteuerung grundlegend zu überholen. Die Gewerbesteuer ist ein Anachronismus, sie abzuschaffen wäre ein großer Fortschritt.

Aber die Körperschaftssteuer in Deutschland beträgt nur 15 Prozent.
Ja, nur liegt durch die zusätzliche Gewerbesteuer der gesamte Ertragsteuersatz im Durchschnitt bei mehr als 30 Prozent. Deutschland wird damit bald an der Spitze der Industrienationen liegen, das ist kein gutes Signal für den Standort. 
 
Droht damit ein weltweiter Steuersenkungswettbewerb für Unternehmen. Müssen das am Ende die Bürger bezahlen?
Unternehmensgewinne werden einmal auf Unternehmensebene und dann nochmal nach der Ausschüttung an die Aktionäre besteuert. Deshalb ist die Gesamtbelastung nach wie vor sehr hoch. Aber sie sinkt seit vielen Jahren. Wenn die Erosion der Unternehmensbesteuerung weiter geht, könnte das Aufkommen sinken. Dann müssten Steuern auf Konsum oder auf Arbeitseinkommen mehr zum Steueraufkommen beitragen. 
 
Braucht der Staat nicht auch die Steuern der Unternehmen, um investieren zu können?
Das meiste Geld gibt der Staat nicht für Investitionen aus, sondern für Staatskonsum, also zum Beispiel Gehälter für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes oder für den Sozialstaat. Aber auch das ist wichtig. Die Einnahmen aus der Besteuerung von Unternehmensgewinnen machen nur etwa acht Prozent der Gesamtsteuereinnahmen aus, und dieser Anteil ist seit Jahrzehnten einigermaßen stabil. Es ist aber nicht sicher, dass das so bleibt. Der Steuerwettbewerb lässt Raum für die Finanzierung staatlicher Leistungen für Unternehmen, aber nicht für Umverteilung.

Weniger Gefahr für deutsche Unternehmen als gedacht

Wie empfindlich könnte die Reform deutsche exportierende Unternehmen treffen?
Die ursprünglichen Pläne für eine höhere Besteuerung von Importen waren eine Gefahr für deutsche Unternehmen, die in die USA exportieren. Diese Pläne sind jetzt aber größtenteils aufgegeben worden.
 
Donald Trump will erreichen, dass Unternehmen ihre Gewinne dort versteuern, wo sie erzielt werden. Auch die EU diskutiert dies bezüglich multinationaler Unternehmen wie Nike, Adidas, Apple, Google oder Amazon. Ist das kein guter Ansatz?
Trump will, dass die Unternehmen ihre Gewinne in den USA versteuern, egal, wo sie erzielt werden. Die Europäer wollen ebenfalls möglichst weit reichende Besteuerungsrechte. Aber die Vorstellung, man könnte objektiv feststellen, wo Gewinne erzielt werden, ist eine Illusion. Erzielt Apple seine Gewinne in Kalifornien, wo das iPhone entwickelt wurde, in China, wo es montiert wird oder in Europa, wo die Konsumenten es kaufen? Erforderlich sind Vereinbarungen darüber, wie Besteuerungsrechte verteilt werden. Den objektiven Ort der Gewinnentstehung gibt es nicht.

Die Verschuldung soll einen schlanken Staat sichern

Insgesamt wird Trumps „Tax Cuts and Jobs Act“ bis 2027 die US-Haushaltsdefizite um 1,45 Billionen Dollar erhöhen. Trump will dies mit einer höheren Wirtschaftsleistung und mehr Jobs wettzumachen.

Wie riskant ist diese Wette?
Ronald Reagan hatte in den 80er Jahren auch verkündet, dass Einkommensteuersenkungen selbstfinanzierend sind. Das hat nicht geklappt. Tatsächlich erwartet das auch niemand ernsthaft. Es geht um etwas anderes: Hohe Verschuldung heute bedeutet, dass künftige Regierungen weniger Spielräume haben, Staatsausgaben auszudehnen. Aus der Sicht der Republikaner, die einen schlanken Staat wollen, ist das ein Vorteil der Schuldenfinanzierung.
 
Wie gerecht ist Trumps Steuerreform für die US-Bürger?

Was gerecht ist, darüber gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Tatsache ist, dass diese Steuerreform Haushalte mit sehr hohen Einkommen spürbar entlastet. Man muss schon fragen, ob es in den USA nicht wichtigere Reformen gibt als Steuersenkungen für diese Gruppe. 
 
Die größten Nutznießer werden Haushalte mit einem Jahreseinkommen von etwa 300.000 bis 700.000 Dollar sein. Das entspricht den obersten vier Prozent der Bevölkerung. Kleine Jahreseinkommen bis zu 20.000 Dollar werden nur wenig entlastet.

Bei Einkommensteuersenkungen können natürlich nur die entlastet werden, die bislang hohe Steuern zahlen, und das sind Haushalte mit hohen Einkommen. Aber natürlich hätte man die Reform anders gestalten und Entlastungen stärker auf die niedrigen Einkommensbereich konzentrieren können.  
 
Dann wird die Ungleichheit in den USA in den kommenden Jahren weiter zunehmen? 

Man kann schon erwarten, dass die Steuerreform dazu führt, dass mehr Arbeitsplätze in den USA geschaffen werden, nicht nur schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Davon profitieren auch Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Trotzdem ist klar: diese Steuerreform ist nicht darauf ausgerichtet, die Einkommensungleichheit in den USA zu reduzieren.

Clemens Fuest ist seit 2016 Präsident des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. Er ist Direktor des Center for Economic Studies (CES) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Professor für Volkswirtschaftslehre am Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft der LMU.

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