Neue Bundesregierung - Kabinett als Kabarett

Was qualifiziert Heiko Maas zum Außenminister? Warum darf Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin weitermachen? Muss es Seehofer sein? Diesen Ausblick auf vier deutsche Groko-Jahre lasen Sie im März besonders häufig

Merkels Wachsfiguren-Kabinett? / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Bald hat sie ein Ende, die schreckliche, die orientierungslose Zeit. Nächste Woche schon wird die Bundesrepublik Deutschland statt einer bloß geschäftsführenden wieder eine ordentliche Regierung haben. Knapp sechs Monate sind seit der Wahl vergangen, es wurden Ehen angebahnt, geschlossen und beendet, Firmen gegründet und in Konkurs geschickt, Spiele gewonnen und verloren, wurde sondiert, verhandelt, geworben, geschimpft, gewarnt, abgestimmt und benannt, und nun wissen wir: Heiko Maas wird Bundesaußenminister, Horst Seehofer Bundesinnenminister, Ursula von der Leyen bleibt Bundesverteidigungsministerin. Um den Titel des nächsten Films von Oskar Roehler zu zitieren: Es sind „herrliche Zeiten“.

Oder sollte man sich für ein Kabinett, das nicht nur phonetisch dem Kabarett verwandt ist, Anleihen holen beim „Tegernseer Volkstheater“ und der „Haagerthaler Bauernbühne“? Deren Motto stammt von Immanuel Kant, es lautet: „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen  – die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“

Ob der nicht gerade als Gaudibursch bekannte Königsberger diese Erkenntnis hat praktisch werden lassen, sei dahingestellt. Für die alten Köpfe in der neuen Regierungsmannschaft – den wirklichen Novizen sei Kredit eingeräumt – empfiehlt sich die Kant’sche Maxime unbedingt. Ohne jenen Humor, von dem manche Kabinettsbesetzung zeugt, werden sich die kommenden vier Regierungsjahre nicht überstehen lassen.

Zum kompletten Kabinett

Seehofer-Pflaster auf den Wunden der Inneren Sicherheit

Der Charakter des Kabinetts schwankt zwischen Austragshäusl und Laienspiel. Seehofer dürfte, nachdem er sich in Bayern sensationell unbeliebt gemacht und in der Disziplin des Drehhoferns neue Rekorde aufgestellt hat – sein Wort von heute ist die Unmöglichkeit von morgen –, markige Sätze und verschmitzte Gesten zum Koalitionsfrieden beisteuern. Die letzte politische Etappe wird beim Ingolstädter kaum von überbordendem Gestaltungseifer geprägt sein. Er wird Neupositionierungen verkaufen als das, was er schon immer gesagt habe, Fatalismus als Aktionismus. Seehofer heißt das Pflaster auf den Wunden der Inneren Sicherheit, die darunter weiter schwären. Der Rest ist Brauchtum.

Ursula von der Leyen wiederum falsifiziert die These von der Leistungsgesellschaft. Wer künftig beklagt, der Mensch des Westens werde auf seine Performance reduziert, auf Kompetenzen und Skills und wie sonst noch die angeblich unverzichtbaren Qualitäten im sozialen Verdrängungswettbewerb heißen: Dem kann nun mit einem Lächeln und einem einzigen Namen widersprochen werden. Ursula von der Leyen zeigt, dass beharrliches Missmanagement karrierefördernd sein kann. Die Bundesverteidigungsministerin ist für den Zustand der Bundeswehr zuständig und verantwortlich, und dieser Zustand ist beklagenswert, ja peinlich. Man kann nur hoffen, dass die vielen Meldungen aus dem Innern der Truppe, Zustandsbeschreibungen eines Abbruchprojekts, nicht von Machthabern mit sinistren Plänen gelesen werden. Die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik ist eine Behauptung, der die Realität widerspricht.

Maas' Benimmfibel für den Haltungskampf

Heiko Maas wiederum wurde von der Fußnote zur Kapitelüberschrift in der Justizgeschichte der Nachkriegszeit, weil sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz nach fast einhelliger Meinung handwerklich schlecht, verfassungsrechtlich bedenklich und freiheitsmindernd geraten ist. In seiner Freizeit schrieb der Saarländer eine Benimmfibel für den Haltungskampf „gegen rechts“, in der Wort und Gedanke einander lustig verfehlen, und öffnete sein privates Glück an der Seite einer Fernsehschauspielerin den Kameras des Boulevards. Besagte Schauspielerin, Wörner mit Nachname, wird nun die weltanschauliche Zugewinngemeinschaft stärken und in einem ZDF-Krimi „die engagierte Heimleiterin Marianne Kraft“ einer Berliner Flüchtlingsunterkunft spielen. Von Maas selbst sind derweil keine weltpolitischen Handlungen oder Äußerungen überliefert, die ihn für das Amt des Außenministers qualifizierten. Offenbar kann es jeder.

Was folgt aus alledem? Außenpolitik ist derart unwichtig, die Weltlage derart gefestigt, dass damit ein Berufseinsteiger betraut werden kann. Die Innere Sicherheit überlässt der Bund den Ländern, Armeen werden überschätzt. Man ist ja von Freunden umgeben. Leisten kann man sich ein solches Personaltableau nur mit unrettbar sonnigem Gemüt, prallvollen Taschen und einer weichen, aber blickdichten Binde vor den Augen. Deutschland: Hier werden sie geschunkelt.

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