Manuela Schwesig - Privatsache Schule

Weil SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ihren Sohn künftig auf eine Privatschule schicken wird, wittern Politiker von Linkspartei und CDU Verrat und Heuchelei. Die Empörung ist nachvollziehbar, kommt aber zu früh

Manuela Schwesig schickt ihren Sohn auf die Privatschule, weil die näher am Zuhause ist / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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„Bildung darf nichts kosten“, mit diesem Slogan wirbt die SPD im Wahlkampf für ihre bildungspolitischen Vorstellungen. Dass Bildung sehr wohl etwas kosten darf, zeigt nun aber eine Entscheidung Manuela Schwesigs, der ehemaligen Familienministerin und heutigen SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Ab dem kommenden Schuljahr soll ihr zehn Jahre alter Sohn statt wie bisher auf eine öffentliche, auf eine private Schule gehen. Das ist nicht verboten. Warum auch? Das Recht auf freie Schulwahl ist im Grundgesetz verankert. Etwa jedes zehnte Kind geht in Deutschland auf eine Privatschule.

Doch Schwesig wird nun von rechts und links attackiert. CDU-Generalsekretär Peter Tauber etwa griff in der letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl die SPD und ihre Ministerpräsidentin an. Er verstehe, weshalb die Bürger über den SPD-Wahlkampf so ratlos seien, sagte Tauber. „Sie reden über Bildungspolitik und Frau Schwesig schickt ihr Kind auf eine Privatschule.“ Auch die Linkspartei giftet, wie etwa Simone Oldenburg, die Fraktionschefin im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Der Schritt von Schwesig, ihr Kind zum Start der fünften Klasse auf eine Privatschule zu schicken, drücke mangelndes Vertrauen aus in das von ihr als Regierungschefin verantwortete staatliche System.

Bildung sollte Privatsache sein 

Dagegen wehrt sich Schwesig, wenngleich etwas kläglich. Ihre Schulwahl habe demnach logistische Gründe. Denn die private Schule in Schwerin liege schlicht näher an der Wohnung der Familie als die nächste öffentliche Schule. War es nun die praktische Lage oder doch das Misstrauen gegen das staatliche Schulsystem? Hat Schwesig elitäre Hintergedanken oder soll der Sohn einfach den dort angebotenen Segelunterricht genießen können? Was Manuela Schwesig wirklich dazu bewogen hat, ihr Kind nicht in die Orientierungsstufe einer staatlichen Schule zu schicken, wie die SPD es gerne für langes gemeinsames Lernen bewirbt, bleibt Spekulation. Privatsache. Schlimm genug, dass Schwesigs Kind Gegenstand öffentlicher Bundestagsdebatten ist. Ende der Diskussion?

Keineswegs. Auch Lehrerverbände kritisieren Schwesig für ihre Entscheidung. Diese sei ein fatales Zeichen. Schwesigs Amt verlange eine Vorbildfunktion. Ihr Handeln habe Signalwirkung für andere Eltern. Das sagten gleich mehrere Vertreter in zahlreichen Medien. Und tatsächlich, wenn als Signal an die Eltern im Land ankommt, öffentliche Schulen seien nicht gut genug, wäre das schlecht. Weniger für die Kinder, aber für die SPD. Denn tatsächlich kommt das Wort Bildung allein oder in Kombination 200 Mal im SPD-Regierungsprogramm zur Bundestagswahl vor. „Unsere Bildungspolitik schafft gleiche Chancen für alle. Denn noch entscheidet hier zu oft der Geldbeutel der Eltern“, ist dort zu lesen. Deshalb wolle man die Bildung von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis zum Master und zur Meister-/Technikerprüfung kostenlos machen.

Nichts steht im SPD-Wahlprogramm allerdings davon, dass Privatschulen abzuschaffen seien. Das Wort Privatschule kommt gar nicht erst vor. Nebenbei, nicht per se muss das Bildungsangebot einer Privatschule besser als das einer öffentlichen sein. Weil im Sportunterricht etwa Segeln angeboten wird, mag das vielleicht elitär klingen, entscheidet aber kaum alleine über die spätere berufliche Karriere.

Schwesig will, was sich alle Eltern wünschen

Positiv gewendet zeigt der Fall Schwesig, wenn man ihn denn als solchen überhaupt bezeichnen muss, schlicht etwas Selbstverständliches: Manuela Schwesig will das beste für ihr Kind, so wie wohl alle Eltern das beste für ihr Kind wollen. Jeder sollte mit all seinen Mitteln dafür sorgen dürfen, dass es dem eigenen Kind gut geht. Wenn es nun einmal Privatschulen gibt, an denen sich das eigene Kind etwa wohler fühlt oder es dort bessere Chancen hat, dann nur zu! Die FDP in Mecklenburg-Vorpommern sieht das ähnlich. Die Regierungschefin habe sich anhand von Qualität und familiärer Bedürfnisse frei entschieden, sagte etwa der dortige FDP-Bundestagskandidat Hagen Reinhold.

Es ist nur so: Manuela Schwesig und mit ihr Martin Schulz und die SPD haben sich unter dem Slogan „Zeit für Gerechtigkeit“ ein schwer erreichbares, beziehungsweise schwer messbares Ziel gesetzt. Als Ministerpräsidentin ist sie dafür bildungspolitisch dennoch hauptverantworlich. Bildung ist nach wie vor Ländersache. Will sie glaubwürdig bleiben und mit ihr der Kanzlerkandidat und die SPD, muss Schwesig wirklich alles dafür tun, öffentliche Schulen finanziell wie personell sehr gut auszustatten. Die Schüler dort, und so lesen die Wähler das SPD-Programm, sollen die exakt gleichen Chancen haben wie Schüler an privaten Schulen. Und die Realisten unter den Wahlberechtigten erwarten zumindest vergleichbar gute Chancen.

Die Erwartungen werden nicht weniger

Die Empörung über Schwesigs Privatsache vor allem seitens der Lehrerverbände wird zudem nachvollziehbarer, wenn man die Hauptprobleme sozialdemokratischer wie grüner Bildungspolitik in vielen Bundesländern betrachtet. Möglichst langes gemeinsames Lernen samt Inklusion von Kindern mit jeglichem Handicap mögen zwar redliche Ideen sein. Wer diese Ziele aber derart laut propagiert, muss auch die finanziellen wie personellen Mittel liefern. Hier ein Kind, das kaum Deutsch spricht, dort ein Kind mit Lese- und Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche. Hier ein Kind mit ADHS, dort ein schüchternes, aber hochbegabtes. Dazwischen all die anderen, die ebenfalls gefördert werden wollen. Das kostet Aufmerksamkeit und Zuwendung durch dafür ausgebildete und anständig bezahlte Menschen, also Geld.

Mit der Entscheidung, ihr Kind auf eine private Schule zu schicken, hat Schwesig die Messlatte für sich und die SPD in jedem Fall höher gelegt. Fatal, verräterisch, elitär oder heuchlerisch wird dieses Verhalten erst, wenn die Bildungspolitik der SPD scheitern sollte. Die Empörten aus den übrigen Parteien jedoch müssen sich am Ende jedoch ebenfalls daran messen lassen. Auch Linkspartei und CDU tragen in vielen Ländern Bildungsverantwortung. Es sollte uns egal sein, welches Kind auf eine Privatschule geht. Es sollte uns aber auch egal sein, wenn ein Kind auf eine öffentliche Schule geht. Eben weil es keinen Unterschied machen sollte. Diesen Zustand zu erreichen, sollten alle Politiker anstreben.

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