Kirchlicher Wirbel um Uwe Steimle - Denn sie sollten wissen, was sie tun

Eine kirchliche Friedensinitiative hat den Kabarettisten Uwe Steimle erst zum Schirmherren ernannt und sich kurz darauf wieder von ihm getrennt. Grund seien dessen „grenzwertige Aussagen“ gewesen, hieß es. Was zum Himmel hat der Verein von einem Kabarettisten erwartet?

Uwe Steimle: Wo soll sich denn ein Kabarettist äußern, wenn nicht in der Öffentlichkeit? / picture alliance
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Dr. Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Schriftsteller und Historiker, verfasste historische Sachbücher, Biographien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte.

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Die Pressemitteilung der Ökumenischen FriedensDekade, in der sie bekannt gab, dass sie die Zusammenarbeit mit dem unlängst zum Schirmherrn berufenen Uwe Steimle gekündigt hat, sorgte nicht nur für Aufregung, sondern warf bei vielen auch eine Frage auf: Was ist das für ein Verein, der den sächsischen Kabarettisten zum Schirmherrn auserkoren hatte? Darin liegt das erste Problem. Der nicht allzu populäre Verein, der alljährlich bis zum Buß- und Bettag Einzelveranstaltungen organisiert, hat als Motto der diesjährigen Gespräche „Krieg 3.0“ gesetzt, um vor einem 3. Weltkrieg zu warnen. Um größere Beachtung in der Öffentlichkeit zu finden, sucht sich der Verein jedes Jahr einen möglichst prominenten Schirmherrn. Da der Frieden in den Programmen des Kabarettisten eine große Rolle spielt und Steimle populär ist, könnte man in ihm eine ideale Besetzung sehen. 

Was ist politisches Kabarett?

Doch es kam anders. Steimle ist weder EKD-Funktionär, noch Politiker, noch Fernsehredakteur, auch kein Wissenschaftler, Steimle ist Kabarettist. Es mag sein, dass mit der Inflation von „Comedy“, von politisch korrekten Witzen und von der Satirefreiheit gedeckten Beleidigungen allmählich das Bewusstsein schwindet, was politisches Kabarett ist. TV-Sendungen, wie die „heute-show“, die kaum mehr vom „heute-journal“ zu unterscheiden sind, helfen nicht weiter. Wer sich erinnern will, was politisches Kabarett einmal war, dem sei dringend das großartige Buch von Werner Finck empfohlen: „Alter Narr, was nun?“, übrigens auch ein Sachse, der unter großen Risiken selbst im Dritten Reich kritisches, politisches Kabarett machte. 

Von der Ahnungslosigkeit, was Kabarett ist, zeugt die Pressemitteilung des Vereins. Grund für die Kündigung war, dass eine Welle heftiger Kritik „besonders bei unseren sächsischen Partnerinnen und Partnern sowie bei Initiativen, die gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus arbeiten“, losbrach, weil Steimle „grenzwertig oder als grenzüberschreitend angesehene Aussagen (...) in der Öffentlichkeit“ tätigte. Ja, wo zum Himmel soll sich denn ein Kabarettist sonst äußern, wenn nicht in der Öffentlichkeit? Im eigenen Keller? Was soll das für ein Kabarett sein, wenn es nicht „grenzwertig“ oder „grenzüberschreitend“ ist?

Überzeichnung gehört dazu

Kabarett lebt von der Grenzüberschreitung. Die FriedensDekade hat einen Kabarettisten zum Schirmherrn bestellt, die FriedensDekade hat einen Kabarettisten bekommen. Wenn ein zentraler Kritikpunkt lautet, dass seine „Aussagen...keine eindeutige Distanzierung von rechtspopulistischen Positionen bzw. der Pegida-Bewegung erkennen“ ließen, verkennt der Verein, dass Kabarett nicht mehr möglich ist, wenn zu jeder Pointe eine Gebrauchsanweisung oder eine gespielte Fußnote mitgeliefert werden muss. Lächerlich wird es, wenn man beanstandet, dass Steimles Äußerungen der Komplexität nicht gerecht werden. Die Überzeichnung gehört zu den Stilmitteln des Kabaretts. Wie soll eine Überzeichnung der Komplexität gerecht werden? Die Einordnung ist Sache des Publikums, oder anders formuliert: Gutes Kabarett setzt den mündigen Zuschauer voraus. Kabarettistisch gefragt: Verwechselt der Verein Kabarett mit einer Parteiversammlung?
 
Bleibt die Frage, ob der Verein den falschen Mann zum Schirmherrn erhoben hat? Jedenfalls sieht man das in der FriedensDekade inzwischen so, wenn man sich viel Asche aufs Haupt wirft und selbstkritisch äußert, man hätte im Vorfeld besser recherchieren müssen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, als was sich der Verein versteht. Als eine Organisation, die Debatte, Dialog, Meinungsstreit befördern will? Dann wäre Uwe Steimle der richtige Schirmherr. Oder als eine Organisation, die es sich in einer gespaltenen Gesellschaft und in einer sich spaltenden Kirche bequem macht? Einer Organisation, die ihre ideologischen Vorurteile pflegt und das Gespräch mit all denen, die man selbstgerecht in die rechte Ecke schiebt, verweigert? Dann aber sollte man auf die Debatte, die die Unterschiedlichkeit der Meinungen, Betrachtungen und Einschätzungen voraussetzt, verzichten. Allerdings wäre man dann eher eine partei-politisch definierte Wärmestube für einen Teil  der Christen – aber eben nur für einen Teil.

Bote und Botschaft verwechselt

Uwe Steimle wäre gerade durch das Provozierende, das Ungebundene, das Freigeistige, das Unberechenbare eine Chance für den Verein, zur gesellschaftlichen Debatte beizutragen. Ein Grundirrtum des Vereins besteht darin, zu glauben, dass Steimle die politische Polarisierung der Gesellschaft befördert. Diese Polarisierung ist vorhanden. Wer Steimle dafür kritisiert, verwechselt Bote und Botschaft. Der Verein spricht von seinem gesellschaftlich hochbedeutsamen Gesamtanliegen. Doch wird er dem durch Diskursausschluss nicht gerecht. Man zieht sich in die eigenen Positionen, von denen man selbstgerecht meint, dass es die einzig richtigen seien, zurück. Wem ist damit gedient? Wer sollte nach diesem Eklat jetzt noch die Schirmherrschaft übernehmen können? Sicher, Leute wie der Kulturbeauftragte der EKD, der den Begriff des Feindes in die politische Debatte einführen und sogar noch theologisch begründen will, finden sich immer. 

Um die Situation auf den ersten Blick noch verzwickter zu machen, fordern in einer online-Petition „die Freien Wähler Dresdens und weitere engagierte Bürger“, dass sich der Verein bei Uwe Steimle entschuldigt. Zu den engagierten Bürgern gehören der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz, der ehemalige Sächsische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Michael Beleites und der Politikwissenschaftler Werner Patzelt.

Doch auf den zweiten Blick steckt in der heillosen Situation eine große Chance. Der Verein sollte seine Entscheidung zurücknehmen und mit Uwe Steimle intensiv über die Ausgestaltung seiner Schirmherrschaft sprechen, denn so und nur so können Brücken gebaut und Diskussionen ermöglicht werden, in denen unterschiedliche Sichten auf die Realität und verschiedene Erfahrungen erstens akzeptiert und zweitens diskutiert werden. Das wäre wirklich gesellschaftlich hochbedeutsam – und christlich wäre es überdies.

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