Rückkehr des US-Präsidenten ins Weiße Haus - Donald Trump Erlöser

Donald Trump hat seine Rückkehr ins Weiße Haus wie die Auferstehung des Messias inszeniert. In God's Own Country mag ein solches Spektakel durchaus Eindruck schinden, doch als Erlöserfigur taugt der 45. US-Präsident längst nicht mehr.

Donald Trump salutiert nach der Rückkehr ins Weiße Haus / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Donald Trump ist der Meister aller Passionen und als solcher Herr über Tod und Auferstehung. Das Spektakel, das der 45. Präsident der Vereinigten Staaten am gestrigen Montag anlässlich der Rückkehr aus dem Walter-Reed-Militärkrankenhaus veranstalten ließ, kann als bisheriger Höhepunkt einer Mission verstanden werden, die zumindest für viele seiner Anhänger nicht mehr ganz von dieser Welt ist. Wer also Ohren hat zu hören, der höre: „Lasst Euch nicht vom Corona-Virus dominieren und habt keine Angst“, so Trump auf einer ersten Pressekonferenz nach seiner Rückkehr auf der Terrasse des Weißen Hauses.

Mitten in der Blauen Stunde, in der der Vorhang zwischen Tag und Nacht in zwei Hälften zerreißt, teilt ein vermeintlich von Covid-19 genesener Superheld seine messianische Mission mit seinen Wählern und Gläubigen - eine Mission, die ihn in den zurückliegenden Nächten durch Fieber, Atemnot und Schwäche geleitet hat. Nun aber ist es offenbar geworden und Donald Trump stützt sich auf die erlösende Botschaft: In der Welt habt Ihr Angst, doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Zurück an die Front

Es ist davon auszugehen, dass derlei Worte in Gottes eigenen Ländereien durchaus auf fruchtbaren Boden fallen können. In den USA, dem Land, in dem sich zumindest die evangelikalen Teile der Bevölkerung stets als Bewohner eines „New Israel“ verstanden haben und wo seit den Tagen der Pilgrims ein moderner Laizismus mit einer merkwürdigen Form von Zivilreligion in Konkurrenz steht, liegt die Hand zuweilen näher an der Bibel, denn an der Pschyrembel. Donald Trump selbst hatte es vorgemacht: Nicht einmal vier Monate ist es nun her, dass er bereit war, einen Aufruhr unter Amerikas Bürgern zu riskieren, nur weil er sich vor der Washingtoner St. John’s Kirche mit der Heiligen Schrift in der Hand fotografieren lassen wollte.

Doch für die Errettung der amerikanischen Welt geht einer wie Trump immer aufs Ganze: „Als Euer Anführer muss ich zurück an die Front“, ließ er am Montag seine Anhänger wissen. „Ich weiß, dass es Risiken gibt, aber ich muss das tun.“ Donald Trump Erlöser – einer, der den Kopf der Schlange zertreten hat, einzig aus Glauben und aus nacktem Willen. 

Am dritten Tage auferstanden

Nur so konnte er die Mächte der Finsternis besiegen. Drei Nächte hat er im Krankenhaus verbracht, am dritten Tage aber ist er auferstanden. Aufgefahren ist er in den Himmel. Dort saß er am gestrigen Abend zwar nicht zur Rechten des Herren, dafür aber an der Seite eines Piloten des US-Marine Corps, der ihn mit einem der typischen Sikorsky H-3 Sea King"-Hubschrauber sicher in den Garten des Weißen Hauses flog.

Allein die Landung war ein Spektakel: Über seinen Twitter-Account posaunte Trump die frohe und mit pathetischer Musik unterlegte Botschaft der Auferstehung heraus: Unzählige Kameraperspektiven, schnelle Schnitte und Gegenschnitte sowie ein Soundteppich der dem amerikanischen Action-Kino entnommen sein könnte, feierten das mirakulöse Geschehen seiner unerwarteten Heilung.

Ein Mann der Wunder

Donald Trump ist eben der wahre Wunderknabe. Glory, Halleluja! Schon bei seiner ersten Wahl 2016 hatte niemand den tumben Millionär mit seiner zynisch-vulgären Sprache so recht auf dem Zettel. Dann die Impeachment-Versuche, die Ermittlungsverfahren, die Krankheit und nun die spektakuläre Heilungsgeschichte. Alles wirkt bei Trump wie der Einbruch des Unerwartbaren in eine Welt der exakten Vorhersagen und Statistiken. „Ich denke, dass Gott wollte, dass er Präsident wird“, meinte einmal die einstige White House-Sprecherin Sarah Sanders über diesen sonderbaren Miracle Man aus dem Oval Office. 

Nun aber, nachdem die Passion des Präsidenten und einstigen Partylöwen an ihr Ende zu kommen scheint, könnte sich bald Wasser in den heiligen Wein ergießen. Denn während das historische Vorbild für die Ereignisse der letzten Tage, der Zimmer- und Leidensmann aus Galiläa, mit seinen Wundertaten stets das Heil der Anderen im Blick gehabt haben dürfte, geht es Donald Trump bei seiner Erlösung einzig um die Errettung der eigenen Haut.

Richter über die Toten

Zwar ist auch er gekommen, zu richten, die Lebenden und die Toten, doch sein Urteilsspruch ist reiner Zynismus: „Wir können das Virus schlagen. Wir haben die besten Mediziner und die besten Medikamente“, so Trump nach seiner Rückkehr. Es ist eine Verhöhnung der mittlerweile 215.000 Corona-Toten allein in den USA. Das ist keine Heilsgeschichte, das ist Häresie. 

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