Susanne Eisenmann über Bildung - Stärkt den Föderalismus!

Mathias Brodkorb und Katja Koch lassen in ihrem neuen Buch „Abiturbetrug“ kein gutes Haar am deutschen Bildungsföderalismus. Bildungspolitikerin Susanne Eisenmann (CDU) hält dagegen und warnt vor einem unreflektierten Lobpreis zentralistischer Lösungen.

Kann sich der Generalkritik am Föderalismus nicht anschließen: Susanne Eisenmann (CDU) / dpa
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Gleichheit, Gleichheit über alles? Der zutiefst freiheitliche, Macht verteilende statt konzentrierende deutsche Föderalismus hat wenige Freunde. Was liegt da näher, als das Kind mit dem Bade auszuschütten, wie es zwei fraglos sachkundige Autoren, Mathias Brodkorb und Katja Koch, in ihrer Philippika „Abiturbetrug“ unternehmen? Die Lösung, die sie mit vielen schönen Reden preisen, ist aber der Schottergarten unter den Bildungsblütenmeeren: Der Bund soll es richten, es braucht mehr Zentralismus!

Kerngegenstand des Buches ist der deutsche Sehnsuchtsabschluss, das Abitur. Das offenbart leider, wie wenig ihnen die anderen Bildungsabschlüsse präsent sind. Der Mittlere Bildungsabschluss und auch der Hauptschulabschluss bieten Berufswege und Chancen, die hier völlig unter den Teppich gekehrt werden. Wer, wie Brodkorb und Koch, völlig zu Recht ein niveauvolles Abitur und eine Stärkung der beruflichen Bildung fordert, kann Letztere nicht völlig ignorieren.

Generalkritik statt Analyse

Indem die vielversprechenden Ansätze zu einem einheitlicheren Abituraufgabenpool sowie zum Länderstaatsvertrag arg negativ beurteilt werden, setzen die Autoren auf Generalkritik statt auf Analyse. Nicht alles, was sich langsam entwickelt, ist „Fake“ – sondern eher, um die Autoren zu zitieren, ein „Riesenschritt für den Bildungsföderalismus“! Es geht durchaus voran – die KMK hat unlängst einheitliche Leistungsanforderungen für die gymnasiale Oberstufe und das Abitur in den Naturwissenschaften in allen 16 Bundesländern beschlossen.

Nicht unproblematisch ist der Verweis auf Bürger­umfragen, die eine Abschaffung des Bildungsföderalismus nahelegen. Die Konsequenzen: ein zentraler Verwaltungsmoloch, der die regionalen Unterschiede in Deutschland auf einem aller Wahrscheinlichkeit nach niedrigeren Niveau festschriebe. 

Föderalismus stärken, nicht einstampfen

Dass das „Abitur auf dem Bierdeckel“ eine Wunschvorstellung ist, wissen die Autoren. Der Teufel steckt nämlich im Detail, wie jeder weiß, der sich mit Bildungsfragen befasst. Gut gefallen haben mir die kritischen Einlassungen zum Kompetenzbegriff, der ja eher Holzweg als Königsweg ist. Kompetenz geht nur mit Inhalten – da haben Brodkorb und Koch absolut recht. Auch die Idee eines Kanons halte ich für prinzipiell gut. Schillers Freiheitsdramen sind auch für Schüler in Greifswald, Düren und Rosenheim empfehlenswert. „In tyrannos“ – das ist 2020 so aktuell wie 1781.

Dass indes der Bund eine bessere Bildungspolitik zustande bringen würde als die Länder, lässt sich mit Blick auf originäre Bundeszuständigkeiten wie die Außen- und Sicherheitspolitik und die hinreichend bekannten Probleme hinterfragen. Wer etwas verbessern will, stärke den Föderalismus, anstatt ihn einzustampfen. Eine Länderneugliederung böte die Chance für eine Frischzellenkur.

Als Bildungspolitikerin kann ich mir den Hinweis nicht verkneifen, dass im Gesamtbild der letzten Jahre nicht wenige Parteifreunde des Sozialdemokraten Brod­korb ein eher überschaubares Engagement für eine konsequent und deutschlandweit auf Qualität, Leistung und Vergleichbarkeit setzende Bildungspolitik an den Tag legen.

Mathias Brodkorb / Katja Koch: Der Abiturbetrug. zu Klampen, Springe 2020. 152 Seiten, 16 €.

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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