Zeit für sommerliche Schmorgerichte - Ratatouille, um die Welt zu retten

Unser Genusskolumnist hat ein Problem mit der „wabbligen“ Konsistenz von Auberginen. Doch nachdem er das einigermaßen gelöst hatte, machte er sich mit Freude an die Zubereitung einer Ratatouille. Die ist nicht nur lecker, sondern passt auch großartig in den kulinarischen Zeitgeist: gesunde Zutaten und nicht nur voll vegetarisch, sondern sogar voll vegan.

Ein Gericht für den kulinarischen Zeitgeist: Ratatouille / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es gibt Gerichte, die habe ich früher nicht gegessen und daran hat sich nichts geändert. Zum Beispiel mit Milchreis habe ich es immer mal wieder versucht, aber das schmeckt mir einfach nicht. Ein eher distanziertes Verhältnis habe ich auch zu Auberginen, die ich immer als recht unangenehm schleimig empfunden habe. Und Zucchini finde ich schlicht langweilig.

Beides gehört zu den Grundbestandteilen eines beliebten mediterranen Gerichtes, das auch hierzulande bei vielen Zeitgenossen längst einen vorderen Platz auf der „Must do“-Liste der regelmäßig zu kochenden Gerichte hat: Ratatouille. Die passt auch großartig in den kulinarischen Zeitgeist: gesunde Zutaten und nicht nur voll vegetarisch, sondern sogar voll vegan. Eine Karriere, die dem eher einfachen, bäuerlichen Gericht aus der provenzalischen und okzitanischen Küche wohl nicht in die Wiege gelegt war.

Verführerische Gemüseauslage

Nun interessiert mich der kulinarische Zeitgeist eigentlich nicht die Bohne, jedenfalls nicht meine eigenen Genussgewohnheiten und meine Empfehlungen betreffend. Aber neulich begab es sich an der Gemüseauslage eines Bio-Supermarkts, dass, wie von Geisterhand angeordnet, alles, was man zu einer Ratatouille braucht, direkt nebeneinander lag: Tomaten, Paprika, Zucchini, Auberginen und Zwiebeln. Ich wertete das als ein Zeichen, es trotz meiner recht tief verwurzelten Ratatouille-Skepsis mal wieder zu probieren. Nicht auszuschließen, dass die cleveren Gestalter der Gemüseauslage genau auf diesen Effekt gesetzt haben, um zu einem Kombi-Kauf diverser Gemüsesorten zu animieren.

Fehlten eigentlich nur noch Knoblauch und Olivenöl (bei mir immer vorrätig) und Rosmarin (wächst auf dem Balkon). Na, dann konnte es ja losgehen. Aber für mein Auberginen-Schleim-Problem musste ich noch eine Lösung finden – und fand sie in einem meiner schlauen Bücher. Würfeln, etwas salzen (das zieht die Flüssigkeit), abgießen und kräftig mit Küchenkrepp trocknen. Hat funktioniert!

„Bissfest-Propheten“ liegen hier falsch

Gewürfelt werden auch die großzügig vom Strunk befreiten Tomaten und Paprika und die Zucchini. Knoblauch und Zwiebel werden fein gehackt, Rosmarin und Basilikum ebenfalls. Wer‘s mag, kann auch noch Thymian dazugeben. Neumodische „Bissfest-Propheten“ setzen darauf, das Gemüse jeweils separat mit entsprechend verschiedenen Garzeiten anzudünsten und erst dann zusammen zu rühren. Wird von der Geschmackspolizei aber abgelehnt!

Ratatouille ist ein sämiges, geschmortes Eintopfgericht, das seinen charakteristischen Geschmack nur durch das gemeinsamen Garen der Zutaten entfalten kann. Streng VERBOTEN ist ferner das Schälen von Tomaten und Paprika und die Verwendung von Tomatenmark. Und frische Tomaten durch Dosenprodukte zu ersetzen. Das ist zumindest äußerst zweifelhaft.

Ernährungssoziologe diagnostiziert „Gemütskrankheit“

Für den Ernährungssoziologen Daniel Kofahl ist der Bissfest-Wahn bei „moderner“ Ratatouille auch Ausdruck einer „Gemütskrankheit in diesem Land, jede gute Tradition, die doch nicht ohne Grund eben eine gute Tradition ist, einfach über Bord zu werfen“. Auch das Schälen von Tomaten ist ihm ein Gräuel. „Wer das macht, versucht wahrscheinlich auch vor dem erotischen Liebesspiel seinen Partner bzw. die Partnerin zu häuten, aus Angst, da könnten sich irgendwelche Todeskeime auf der Haut befinden. Ich empfehle hier wie dort – also bei Paprika, Tomate und Mensch – für die Hygiene den Einsatz von Wasser. Das sollte reichen“.

Zu Dosentomaten hat Kofahl allerdings eine differenzierte Position: „Natürlich sind frische, schmackhafte Tomaten immer unschlagbar. Nur leider gibt es diese so selten. Also in schmackhaft.“ Sowohl saisonal als auch logistisch sei es manchmal unumgänglich, auf die Dose auszuweichen, und in der Tat sei „die Dose kein Teufelsprodukt, sondern einfach eine Art der Konservierung“.

Es müssten halt gute Dosentomaten sein, „da gibt es durchaus Qualitätsprodukte, die einem aushelfen können, wenn mal wieder nichts brauchbares in der Auslage des Lebensmittelhandels zu finden ist“. Ja, da muss ihm ihm Recht geben und kann z.B. die „Pelati non Pelati“ von der Fattoria La Vialla wärmstens empfehlen. Denn die werden mit Schalen verarbeitet, was dem Geschmack sehr förderlich ist.

Einfach langsam garen lassen

Jetzt kann‘s losgehen. Olivenöl in einer Pfanne oder einem Schmortopf erhitzen (es darf nicht rauchen!), Zwiebel und Knoblauch 4–5 Minuten andünsten, dann das übrige Gemüse und die Kräuter dazu und alles bei schwacher bis mittlerer Hitze rund 15 Minuten mit Deckel garen.

Die oftmals empfohlene Zugabe von Gemüsebrühe ist vollkommen überflüssig, das Gemüse schwitzt beim garen genug Flüssigkeit aus. Erst dann mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dazu vorzugsweise ein frisches Baguette. Und schon haben wir ein schmackhaftes, leichtes, mediterranes Gericht und retten nebenbei auch noch ein bisschen die Welt – denn schließlich ist es vegan. Jedenfalls diesmal, denn den Rest habe ich am nächsten Tag als Beilage zu einem Lammsteak verzehrt.
 

Ratatouille
Zutaten für 4 Personen

250 g Zuchini
1 kl. Aubergine
400 g Tomaten
1 Gemüsezwiebel
2 kl. Paprikaschoten
2-3 Knoblauchzehen
Olivenöl
Basilikum, Rosmarin, Thymian, Salz, Pfeffer
optional: Oregano und ein wenig Chili

 

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