Schwimmbad-Schlägereien - „Das Wort Migrationshintergrund ist peinlichst vermieden worden“

Meistgelesener Text im Juli: Bei der gegenwärtigen Hitze in Deutschland wollen sich viele in Freibädern abkühlen. Doch es häufen sich Meldungen über Prügeleien und Bedrohungen. Michael Weilandt, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Badewesen, spricht über Ursachen

In deutschen Freibädern scheint momentan ein Disziplinproblem zu herrschen / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

So erreichen Sie Chiara Thies:

Anzeige

Michael Weilandt ist Diplom Sportwissenschaftler und stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V. Dort leitet er den Bereich „Forschung & Regelwerk“.

Herr Weilandt, gegenwärtig häufen sich Meldungen über Prügeleien in Schwimmbädern. So kam es jüngst mehrfach zu aggressivem Verhalten im Düsseldorfer Rheinbad oder dem Halterner Freibad. Stellen Sie einen Trend hin zu gestiegenen Aggressionen fest?
Wir erhalten tatsächlich mehr Rückmeldungen. Wir hören in diesem Jahr öfter von Disziplinproblemen in Bädern. Das muss aber nicht repräsentativ sein. Das mediale Echo sagt erst mal nichts aus über tatsächliche Fallzahlen. Nur weil jetzt viel berichtet wird, heißt es nicht, dass es schlimmer geworden ist. In Essen gibt es seit 20 Jahren Security, um die Disziplin aufrecht zu erhalten. Außerhalb von Freibädern ist das längst Gang und Gäbe. Es scheint die Leute aber erst zu interessieren, seit das auch in Freibädern geschieht – insbesondere die Politiker. Wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun.

Wo treten diese Disziplinprobleme denn auf?
Es ist tendenziell ein eher städtisches, und insbesondere ein großstädtisches Problem. Derartige Gruppenbildungen von jungen Männern finden eher selten auf dem Land statt. Tatsächliche Gewaltausübung ist eher ein Randproblem. Im Rheinbad ist es zunächst zu verbaler Gewalt gekommen, da haben sich Gruppen gegenseitig angeschrien und es gab Drohungen gegen das Personal. Es kommt aber nicht permanent zu Prügeleien in Freibädern.

Sie sprechen von Gruppen junger Männer. Ist die Ursache für diese Randale eine Altersfrage?
In der Regel sind es in der Tat junge Männer, die zu körperlichen Ausschreitungen neigen. Wir müssen aber auch nicht um den heißen Brei herumreden: Es ist in Düsseldorf peinlichst vermieden worden, das Wort Migrationshintergrund in den Mund zu nehmen. Das ist einerseits nachvollziehbar. Denn wenn man es ausspricht, werden viele Menschen das ganz stark in eine falsche Richtung überzeichnen. Wenn man es aber verschweigt, ist das auch ein Problem. Dann spielt man diesen Leuten erst recht in die Hände. In vielen Bädern, in denen es zu solchen Vorfällen kommt, sind es junge Männer – und eben oft auch muslimische Männer. Die kommen in Gruppen zusammen und sind tendenziell lauter. Das ist erstmal nichts Schlimmes, sondern einfach deren Art und mag uns fremd vorkommen. Das hat aber noch nichts mit Gewalt zu tun. Manchmal kommt es aber trotzdem dazu, aber dieses Problem haben wir mit jungen deutschen Randalierenden auch. 

Michael Weilandt / privat

Sie haben auf der Onlineseite Ihres Verbands ebenfalls Hinweise für Freibäder in Bezug auf Flüchtlinge. Wieso das?
Als die Flüchtlingswelle kam, war nicht Aggressivität das Problem. Wir haben damals viele Menschen aus Kulturkreisen bekommen, für die die Situation Schwimmbad eine völlig neue war.  Wir haben dann die grundsätzlichen Freibadregeln in neun Sprachen übersetzen lassem und den Badbetreibern als Hinweisschilder zu Verfügung gestellt. Da gab es auch das Thema sexuelle Belästigung, offenbar war es für viele Flüchtlinge ungewohnt, eine Frau in Bikini zu sehen. Was natürlich nichts entschuldigt. Wir haben deshalb auch diesbezüglich mehrsprachliche Verhaltensregeln in die Hinweisschilder aufgenommen. Unser Ziel ist es, so die Sicherheit für alle zu erhöhen. 

Glauben Sie denn, dass Ihre Regeln helfen? Die bestehen ja und es kommt trotzdem zu Vorfällen.
Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen gibt seit langem eine Muster Haus- und Badeordnung heraus, die die Grundlage für das Verhalten im Bad ist und im Falle eines Hausverbots die rechtliche Begründung darstellt. Die Hausordnung gilt für 4.991 Hallen- und Freibäder in Deutschland und kann natürlich nicht alle Vorfälle in einzelnen Bädern abbilden Das wichtigste Instrument für den Badbetreiber ist das Hausverbot, das im Zweifel auch mithilfe der Polizei durchgesetzt wird. Hinderlich sind verwaltungsrechtliche Beschränkungen, die zum Teil dazu führen, das Hausverbot erst nach Wochen wirksam werden kann. Die betroffenen Badbetreiber verfolgen im Augenblick eine Politik der kleinen Nadelstiche: Es wird jedes Fehlverhalten sofort sanktioniert und versucht die erforderlichen Maßnahmen konsequent durchzuführen.

Was fordern Sie von Politikern, um die Situation zu verbessern?
Es wäre hilfreich, wenn die Politiker sich der sozialen Probleme in ihren Städten verstärkt annähmen und den Badbetreibern Hilfe zu Teil werden ließen. Diskussionen um Begrenzungen der Besucherzahl in Freibädern helfen da nicht weiter, sondern lenken nur von den eigentlichen Ursachen ab. Die Badbetreiber brauchen in solchen Situationen Unterstützung aus der ganzen Gesellschaft, insbesondere durch die Polizei.

Was ist davon zu halten, wenn die große Hitze als Grund für Aggressivität herangezogen wird?
Naja, wenn es heiß ist, kommen mehr Leute ins Freibad und damit natürlich auch mehr Chaoten. Es kommen eben alle auf die Idee, bei schönem Wetter ins Freibad zu gehen. Nun können wir die Sonne aber schlecht für das Verhalten Einzelner verantwortlich machen. Die meisten Leute liegen bei 36 Grad auf ihrem Handtuch und sind froh, wenn sie sich nicht bewegen müssen.

Anzeige