Salvator mundi - Demonstration eines Machtanspruchs

Kolumne: Grauzone. Das für 450 Millionen Dollar versteigerte Da-Vinci-Gemälde „Salvator mundi“ hat ein saudischer Prinz gekauft. Es wird jetzt im Louvre-Ableger in Abu Dhabi ausgestellt. Dabei geht es nicht um Kunst oder Religion, sondern ums Prestige

Keine christliche Ikonografie, bloß Ware auf dem Markt der Sinnstiftung und der Eitelkeiten / Foto: Christie's
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Ein saudischer Prinz kauft ein Christusbild. Für 450 Millionen Dollar. Und nicht nur das. Er lässt es nicht in irgendeinem Safe verschwinden, sondern stellt es aus. In Abu Dhabi. In der dortigen Niederlassung des Louvre. Was für ein erstaunlicher Vorgang. Und was für ein Sittengemälde unserer globalisierten Welt.

Denn glaubt man einer Meldung der New York Times, so steckt hinter dem Kauf des Leonardo da Vinci zugeschriebenen Gemäldes „Salvator mundi“ Prinz Bader bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan al-Saud – ein Mann aus dem Umfeld des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Damit ist klar: Die gesamte Transaktion hat zunächst eine immanent politische Bedeutung. Denn hier geht es nicht um Liebhaberei. Hier geht es auch nicht um die Befriedigung eines persönlichen Spleens. Beide – weder Prinz Bader noch Kronprinz Mohammed bin Salman – sind bisher durch übertriebene Kunstliebhaberei oder überzogene Feingeistigkeit aufgefallen. Doch von symbolträchtiger Machtpolitik verstehen sie etwas.

Ein Prestigeobjekt zu sehen im Prestigeobjekt

Schließlich liegt Abu Dhabi nicht in Saudi-Arabien, sondern in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und das dortige Museum für Bildende Kunst gilt als eines der Prestigeobjekte des derzeitigen Emirs beziehungsweise seines Bruders Muhammad bin Zayid Al Nahyan.

Als der Bau vor genau einem Monat in Anwesenheit des französischen Staatspräsidenten eingeweiht wurde, schwadronierte Emmanuel Macron in der ihm eigenen Schwülstigkeit davon, dass Abu Dhabis Louvre Frankreichs ganzer kultureller Stolz sei: „Er wird Ost und West zusammenbringen und zeigt unsere Fähigkeit, das Dunkel mit Licht zu bekämpfen.“

Nun ja. Nicht auszuschließen, dass Macron tatsächlich meint, was er sagt. Deutlich handfester sind da die Saudis. Denn die unterstreichen hier symbolisch einen Machtanspruch: Die Vereinigten Arabischen Emirate mögen so unabhängig sein, wie sie wollen, sie sind saudisches Einflussgebiet. Und wer das nicht akzeptiert, der möge nach Katar schauen.

Widersprüche, wohin man schaut

Wer aber morgen noch an der Macht sein möchte, der muss sich modern geben. Als modern empfunden wird aber vor allem die westliche Populärkultur: Also investiert man in glitzernde Hochhäuser und Formel-1-Strecken. Und wenn das widerspenstige Katar sich eine Fußball-WM in die Wüste holt, dann baut man im Gegenzug eben den Louvre an den Persischen Golf – und zahlt Frankreich knapp eine Milliarde Euro, um das Museum 30 Jahre lang auch „Louvre“ nennen zu dürfen.

Noch grotesker wird das Ganze scheinbar dadurch, dass ausgerechnet ein Bildnis Jesu Christi der Publikumsmagnet der arabischen Louvre-Filiale werden soll. Immerhin ist in der Heimat des großzügigen Kulturstifters, des Prinzen Bader, die Einfuhr von Bibeln ebenso bei Strafe verboten wie das Tragen christlicher Symbole oder das Mitführen christlicher Devotionalien. Das Errichten von Kirchen ist in Saudi-Arabien ohnehin untersagt und die Konversion zum Christentum ein todeswürdiges Verbrechen.

Doch darin liegt kein Widerspruch. Denn um Kunst oder Religion geht es hier nicht. Hier geht es vielmehr ums Prestige, um die Zurschaustellung wirtschaftlicher Potenz und vor allem ums Geld – und den Fetischcharakter, den insbesondere die Ware Kunst im globalisierten Kapitalismus annimmt.

Brisant auf eine andere Weise

Karl Marx hat in seinem Kommunistischen Manifest hellsichtig bemerkt, dass der Kapitalismus alles Gewachsene und Traditionelle unterminiert: „Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können.“

Das gilt selbstverständlich auch und vor allem für die Kunst und die Religion. Beides wird zur Ware auf dem Markt der Sinnstiftung und der Eitelkeiten. Der Kapitalismus ist der große Profanisierer. Er transformiert Bedeutungen in Warenwerte. Dinge, die Menschen einmal heilig waren, stutzt er zurecht auf ihren Handelswert.

Insofern ist der Kauf des „Salvator mundi“ durch einen arabischen Prinzen und seine Dauerausstellung in einem muslimischen Land auf eine ganz andere Weise spektakulär, als sie auf den ersten Blick scheint.

Gezeigt wird hier nämlich keine christliche Ikonografie, sondern vielmehr eine Ikone des globalen Marktes und damit ein Götzenbild des Kapitalismus – jener vitalen Religion, der selbst der konservativste Islam nichts entgegenzusetzen hat. Und so gesehen, ist die Dauerausstellung des 450-Millionen-Dollar-Abgottes in den Emiraten tatsächlich ein brisantes Unterfangen.

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