Ron Woods 75. Geburtstag - Wie Ronnie mir mal eine Serviette schenkte

An diesem Mittwoch wird der legendäre Rolling-Stones-Gitarrist ein Dreivierteljahrhundert alt. Die Menschheit hat Ron Wood sehr viel zu verdanken, insbesondere in Sachen Rock und Blues. Aber er hat noch andere Qualitäten: zum Beispiel seine unverstellte Lässigkeit und sein malerisches Talent. Außerdem verschenkt er manchmal Haushaltswaren. Erinnerungen an eine persönliche Begegnung.

Ron Wood bei einem Konzert in Manchester im November 2019 / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Nicht nur wird Ron Wood heute 75 Jahre alt – es ist auch auf den Tag genau 47 Jahre her, dass er sein erstes Konzert mit den Rolling Stones spielte. Erlebt hatte er die Band bereits 1964 beim „Richmond Jazz & Blues-Festival“ – damals natürlich noch mit Brian Jones, den er nach dessen Tod und einem eher kurzen Zwischenspiel von Mick Taylor dann als Gitarristen ersetzen sollte. „Es müsste verdammt viel Spaß machen, bei ihnen mitzuspielen“, erinnerte sich Wood in einem Interview an seine erste Begegnung mit den Rolling Stones. „Und wer weiß, eines Tages bin ich vielleicht dabei.“ 1975 war es dann tatsächlich so weit, und Wood wurde zunächst als Aushilfs-Gitarrist für eine Amerika-Tournee verpflichtet. Der Rest ist Rock-Geschichte.

Ich möchte hier niemanden mit einer musikalischen Würdigung dieses großen Meisters langweilen, das Internet ist ohnehin voll davon. Auch will ich nicht der (reichlich albernen) Frage nachgehen, ob denn nun Keith Richards oder eben Ron Wood der bessere Gitarrist sei. Die hat Richards übrigens selbst schon beantwortet, als er einmal sagte, Wood würde sich ihm als Instrumentalist jedenfalls überlegen fühlen. Allerdings schien ihm das komplett egal zu sein – ein Keith Richards hat es einfach nicht nötig, sich mit Kollegen zu messen. Fakt ist: Die beiden harmonieren perfekt miteinander, zumindest auf der Bühne, wo ich sie schon einige Male erlebt habe. Zum ersten Mal übrigens im Frankfurter Waldstadion, Sommer 1990.

Ich hätte es damals schlicht für unmöglich gehalten, dass ich ihm einmal persönlich begegnen würde. Und nicht nur das: Elf Jahre später saß bei einem Abendessen durch Zufall sogar fast direkt neben Ron Wood himself, als dieser im Herbst 2001 in seinem eigenen Londoner Club das Erscheinen seines Soloalbums „Not for Beginners“ feierte. Ein paar Journalisten durften auch dabei sein, darunter ich. Warum das so war, weiß ich nicht mehr – wahrscheinlich hatte sein Plattenlabel einfach ein paar überregionale Zeitungen durchstöbert und war dabei auf meinen Namen gestoßen. Wie auch immer, zu so einem Event lässt man sich nicht zweimal bitten.

Soloalbum mit Familie und Freunden

Es ist ja nun schon eine Weile her, aber ein paar Dinge vergisst man nicht. Zum Beispiel, dass Ron Wood damals bei der Plattenpräsentation in Kensington unfassbar cool wirkte, und zwar nicht mit dieser blöden aufgesetzten Coolness, wie sie andere Stars seiner Kragenweite oft zur Schau stellen. Der Typ war einfach nur er selbst, ließ sich ohne Allüren auf jedes Gespräch ein und knarzte und nuschelte so vor sich hin. Natürlich war er sehr stolz auf sein Album – wohl wissend, dass sich niemand so richtig für dieses Soloprojekt interessierte und alle in ihm nur den legendären Stones-Gitarristen sahen. „Not for Beginners“ war übrigens ein sehr direktes, schnörkelloses Blues-and-Boogie-Album, bei dessen Entstehen nicht nur Woods Kinder beteiligt gewesen waren, sondern auch etliche Bekannte aus der Musikszene. Darunter sogar Bob Dylan und der Elvis-Presley-Gitarrist Scotty Moore. 

Den Plattenverkäufen half das Star-Aufgebot wenig, „Not for Beginners“ wurde zum Flop – wie so ziemlich alle Soloalben von Ron Wood. Aber auf Kassenerfolg kam es ihm erkennbar nicht an, er hatte einfach seinen Spaß daran, zwischendurch immer mal wieder sein eigenes Ding zu machen. Außerdem bot sich damit auch noch die Möglichkeit, das Cover selbst zu gestalten. Für alle, die es nicht wissen: Ron Wood ist nämlich nicht nur ein großartiger Gitarrist, sondern auch ein talentierter Maler und Grafiker. Künstlerisch hat sein Werk allerdings einen leichten Hang zum Kitschigen, weshalb Mick Jagger wahrscheinlich nie zugelassen hätte, dass „Ronnie“ das Artwork für ein Stones-Album übernimmt. Bei „Not for Beginners“ galten dagegen keine Einschränkungen, weshalb Wood aus mir unerklärlichen Gründen eine selbst gemalte mongolische Reiterhorde als Covermotiv wählte. Wer es sieht, vermutet dahinter also eher zentralasiatische Volksmusik und keinen erdigen Blues. Aber egal.

Sehr beeindruckt hat mich, wie gesagt, die Lässigkeit, mit der Ron Wood an diesem Tag durch seinen eigenen Club schlurfte und wie wenig sein typisches Bluesrocker-Outfit zum Interieur dieser Lokalität passte. Denn es handelte sich wohlgemerkt um keinen Musikclub, sondern tatsächlich um einen typischen Londoner „Social Club“ mit gediegenen Möbeln, Kamin und Ohrensesseln, in denen bei anderer Gelegenheit die zahlenden Mitglieder aus der örtlichen Finanzbranche Platz zu nehmen pflegten. Deswegen gab es dort auch echte Butler in Livree, von denen einer den Auftrag hatte, Wood den ganzen Tag über einen prächtigen Eiskübel mit französischem Weißwein hinterherzutragen. Für den kleinen Durst zwischendurch genehmigte sich der Hausherr ab und zu ein Guinness aus der clubeigenen Bar. Das Leben als Rockstar hat schon seine Vorteile.

Kate Moss war auch dabei

Der Abend begann dann mit einem Konzert, für das neben Sohn und Tochter Wood auch Slash von „Guns N‘ Roses“ sowie, wenn ich mich recht entsinne, Mick Hucknall als Mitmusiker gewonnen werden konnten. Kate Moss saß im Publikum, die mit einer großen Entourage angerauscht kam und in der ersten Reihe Platz nahm: Ein Stuhl in der Mitte war für „Kate Moss“ frei gehalten, auf den umliegenden etwa 20 Sitzgelegenheiten lagen Reservierungszettel mit der Aufschrift „Kate Moss’s friend“. Das klingt jetzt alles unglaublich glamourös, und natürlich war ich schwer beeindruckt von dieser ganzen Prominenz. Noch beeindruckender fand ich allerdings, dass die anwesenden Berühmtheiten völlig unprätentiös waren und offenbar einfach nur einen netten Blues-Abend mit ihrem Freund Ron feiern wollten. Selbst das erwähnte Supermodel stand hinterher mit einer Bierflasche in der Hand vor der Bühne herum. Das nennt man wohl britisches Understatement. Stones-Kollegen waren übrigens nicht anwesend.

Die von Ron Wood signierte Serviette

Ich fasse mich kurz: Nach dem Konzert lud Ron Wood zum Abendessen in sein Club-Restaurant ein, und durch eine seltsame Fügung saß ich nur zwei Plätze von ihm entfernt. Ich stellte ihm bei dieser Gelegenheit übrigens die unfassbar dämliche Frage, wie ihm eigentlich Mick Jaggers damals ebenfalls frisch erschienenes Soloalbum „Goddess in the Doorway“ gefällt, worauf Wood ganz lakonisch antwortete: „Well, it’s Mick’s new album.“ Und irgendwie schräg dazu grinste. Dann tat ich noch etwas, das man als Journalist wirklich nie tun sollte: Ich bat Ron Wood um ein Autogramm. Und weil er gerade kein Papier zur Hand hatte, signierte er einfach die neben ihm liegende Stoffserviette. Um meine Distanzlosigkeit jetzt vollends zu decouvrieren, verrate ich ein Geheimnis: Ich habe mir diese Serviette später rahmen lassen und an die Wand gehängt.

Heute, an seinem 75. Geburtstag, werde ich mit einem Glas Weißwein in der Hand vor der gerahmten Serviette einen Toast auf Ron Wood ausbringen. Möge er noch viele Jahre bei den Rolling Stones Gitarre spielen! Und natürlich auch Soloalben machen. Man sieht ja, wofür es gut ist.

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