Katholiken und Protestanten - Einheit aus Not

Kolumne: leicht gesagt. Die Feierlichkeiten zum 500-jährigen Reformationsjubiläum sollten die Verbundenheit von katholischer und evangelischer Kirche betonen. Doch die Differenzen sind nach wie vor groß

Eine Wiedervereinigung beider Kirchen ist immer noch ausgeschlossen / picture alliance
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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Jetzt ist die evangelische Konfession 500 Jahre alt. Der gestrige Geburtstag wurde groß gefeiert, von und in allen Landeskirchen. Vor allem jedoch am Wirkungsort Luthers von den Spitzen Deutschlands, den politischen wie denen der Religionen. Es sagt sich leicht, dass nun wieder großes Miteinander zwischen Katholiken und Protestanten herrscht. Tatsächlich ist das aber nur eine Einheit aus der Not heraus – äußerer wie innerer.

In der Wittenberger Schlosskirche, sozusagen dem Kreißsaal der Reformation, gedachten die Kirchenführer sowie Bundespräsident und Bundeskanzlerin mit Festgottesdienst und Staatsakt des vielleicht erfolgreichsten Deutschen. Am 31. Oktober 1517 hatte er, der damals 33 Jahre alte Martin Luther, seine 95 Thesen veröffentlicht. Er hatte sie an diesem Tag dem Erzbischof von Mainz geschickt.

Ob Luther sie auch „angeschlagen“ hat an die Wittenberger Kirchentür ist nicht bekundet. Keinesfalls aber sollte es ein „Anschlag“ gegen die bestehende Ordnung sein, sondern nur eine – vermutlich vom Hausmeister in Luthers Auftrag ausgehängte – Einladung zur theologischen Debatte.

Akt der Befreiung

Doch das wurde auf dem Fest verkürzt, der eigentliche Anschlag Luthers auf Rom verklärt: das Verbrennen der Bannbulle drei Jahre später. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, würdigte den Beginn der Reformation als „Akt der Befreiung“ – für Luther persönlich, für die Kirche und für die Welt.

Im Rückblick mag das tatsächlich so erscheinen, wenn auch dieser „Befreiung“ erst einmal ein mörderisches Jahrhundert folgte. Die Reformation und der 30-jährige Krieg rissen Wunden, die bis in unsere Lebenszeit hinein noch sichtbare Narben hinterließen. So konnte es bis vor wenigen Jahren ein Stigma für Kinder sein, wenn deren Eltern nicht dieselbe Konfession hatten.

Protestanten und Katholiken vereint

Am Reformationstag wurden die konfessionellen Differenzen feierlich verdeckt. Bedford-Strohm und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, übergaben gemeinsam ein Kreuz an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie werteten dies als „Versprechen der Christen“, für Friede, Versöhnung und Gerechtigkeit einzutreten. „Wir wollen kräftig Zeugen der Hoffnung sein“, sagte Marx.

Zuvor hatte Bedford-Strohm den Katholiken symbolisch die Hand ausgestreckt. Er wandte sich in seiner Rede direkt an Papst Franziskus: „Wann immer du einmal hierher nach Wittenberg kommst, dann werden wir dich ein halbes Jahrtausend nach der Verbrennung der Bannbulle von ganzem Herzen willkommen heißen!“

Luthers Bruch mit der katholischen Kirche

Was freundlich klingt, dürfte schwerlich in Luthers Sinne sein. Denn der verbrannte seinerzeit nicht nur die Bannbulle, sondern entzündete am 10. Dezember 1520 einen anti-päpstlichen Scheiterhaufen, der die totale Trennung von Rom markieren sollte. Anschaulich beschrieben und gedeutet hat das Luthers wohl wortmächtigster Biograf, Richard Friedenthal:

„Luther schritt zu der Aktion, die deutlicher als jedes gedruckte Wort seinen Bruch mit der Kirche aller Welt vor Augen stellte: Er verbrannte die Bannbulle. Er tat aber mehr, und das war die beispiellose Radikalität seines Vorgehens: Er verbrannte zuerst und vor allem die Dekretalen, das Haupt- und Grundbuch des Papsttums und der Kirche als Institution. Die Zeitgenossen haben das mit Recht als das Unerhörte des Vorgangs empfunden; die Bannbulle war nur eine Zugabe.“

Luther hatte es gewagt, das gesamte, in Jahrhunderten aufgebaute, Gesetzeswerk der Kirche symbolisch zu vernichten. Das markierte das Ende der mittelalterlichen Machtstellung der Kirche, das war die Scheidung von Rom – Luther wollte diesen tiefen Bruch.

Eine Wiedervereinigung ist ausgeschlossen

Nun kann man sagen, Zeit heilt alle Wunden – und 500 Jahre sind eine lange Zeit. Dennoch hat sich im Kern bis heute wenig geändert an den kirchlichen Rechtsauffassungen. Teils verschärfte Rom sogar noch seine Haltung. So ist die „Unfehlbarkeit des Papstes“ in Glaubensfragen  Jahrhunderte nach Luther, nämlich 1870, verbindlich festgelegt worden.

Es ist also absolut undenkbar, dass es zur Wiedervereinigung beider Kirchen kommt. Dazu fehlen trotz brüderlich wirkender Gesten und freundschaftlichem Händeschütteln die Grundlagen. Indirekt machte der Münchner Kardinal Marx sogar klar, wer – wenn überhaupt – die Regeln einer Wiedervereinigung bestimmen würde. Das jedenfalls kann man heraushören aus seinem Hinweis, die Kirche sei „älter und größer als die Zerstrittenheit der Konfessionen“.

Differenzen überwinden

Und dennoch betonen nun Katholiken und Protestanten ihre Gemeinsamkeit. Vatikan und die evangelisch-lutherische Kirche feiern das zu Ende gehende Reformationsgedenkjahr als Erfolg. In einer Stellungnahme des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Päpstlichem Ökumenerates äußern beide Kirchen „tiefe Dankbarkeit für die spirituellen und theologischen Gaben“ der Reformation. Gleichzeitig bitten sie um Vergebung für ihr „Versagen“ und die gegenseitigen Kränkungen der vergangenen 500 Jahre.

Beide Kirchen verpflichten sich, den „gemeinsamen Weg zur größeren Einheit fortzusetzen“. Um die verbleibenden Differenzen zu überwinden, wollen sie vor allem ihr Verständnis von Kirche, Eucharistie und kirchlichem Amt prüfen, um bei den theologisch besonders strittigen Themen einen Konsens zu erreichen. Wollen, prüfen, das sind Worte, mehr nicht.

Gemeinsamkeit wäre wichtig

Gewiss sind es keine Vorsätze, die die Reformation rückgängig machen und die einheitliche Kirche zur Folge haben werden. Es sind aber Zeichen der Not beider großen Kirchen. Die nämlich immer kleiner werden, jede für sich. Und die beide wahrnehmen, dass in einer Welt immer neuer, irrer, religiös verbrämter Anschläge „ein feste Burg“, wie Luther sie pries, besser gemeinsam gesichert werden sollte.

Darin aber, und hier sollte sich niemand von dem demonstrativen Miteinander dieses Jahres täuschen lassen, werden Protestanten wie Katholiken auch zukünftig ihren eigenen Haushalt führen – möglicherweise weitere 500 Jahre lang.

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