Rechtsextremismus im Internet - ... und täglich grüßt die Killerspiel-Debatte

Nach dem Anschlag von Halle hat Innenminister Horst Seehofer angekündigt, die Polizei werde Gaming-Portale wie die ins Visier nehmen, die Stephan B. zu seinem Attentat inspiriert hatten. Für den digitalpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, läuft dieser Vorstoß ins Leere

Inszeniert wie ein Videospiel: der Attentäter von Halle nach seiner Festnahme / picture alliance
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Autoreninfo

Manuel Höferlin ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses Digitale Agenda und digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

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Sicher kennen Sie den Klassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Genau, das ist der Film, in dem Bill Murray denselben Tag immer wieder aufs Neue durchleben muss. In eine solche Zeitschleife fühlte auch ich mich erst kürzlich wieder versetzt. Im Zusammenhang mit dem Anschlag von Halle ließ sich Innenminister Seehofer zu der Aussage hinreißen, viele der Täter und potentielle Täter kämen aus der Gamerszene. Damit hat er eine uralte Debatte um einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen Terror und sogenannten Killerspielen wieder einmal aus der Mottenkiste geholt. Es ist zudem eine Debatte, die seit jeher mit der gleichen Oberflächlichkeit und Polemik geführt wird. 

Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass rechtsextreme Gesinnung auch auf Gaming-Plattformen verbreitet ist, denn die Szene ist ein Spiegel der Gesellschaft. Es mag durchaus zutreffend sein, dass der Attentäter von Halle den Ablauf der Tat auf perfide Weise einem Spiel nachempfunden hat. Dennoch wäre es grotesk anzunehmen, dass eine Computersimulation beim Täter den letztendlichen Entschluss hervorgerufen hat, einen Anschlag in die Realität umzusetzen. Wer wirklich dazu bereit ist, in der echten Welt zu töten, der wird nicht erst durch ein Spiel dazu motiviert.

Spaltung zwischen Gamern und Nicht-Gamern

Daneben gibt es konkrete Hinweise darauf, dass sich der Attentäter vom Olympia-Einkaufszentrum in München über das Forum „Anti-Refugee-Club“ auf der Gaming-Plattform „Steam“ mit Gleichgesinnten weltweit vernetzt hat. Dennoch wäre es naiv anzunehmen, dass man der virtuellen Vernetzung von Extremisten endgültig und vollständig Einhalt gewähren kann, wenn man sich einzig auf Gamer fokussiert. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Gaming Community und der Plattformbetreiber wachsam zu sein. Aber Radikalisierung findet im Internet in vielen Formen und auf unterschiedlichten Plattformen statt. 

Deshalb hat die interfraktionelle Parlamentsgruppe eSports & Gaming, dessen Vorsitzender ich bin, kürzlich eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht und sich dabei klar gegen Behauptungen positioniert, die eine grundsätzliche Affinität zwischen Gaming und rechtsextremen Gefährdern suggerieren. Pauschale Vorverurteilungen, die – abseits von Fakten – Vorbehalte und Unverständnis gegenüber einer gesamten Kulturszene schüren, sind nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Solche undifferenzierten Äußerungen werden den mehr als 30 Millionen Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht, die in Deutschland regelmäßig am Smartphone, an der Konsole oder am PC Games spielen. Diejenigen, die solche undiffernzierten Äußerungen kundtun, provozieren damit eine gesellschaftliche Spaltung zwischen Gamern und Nicht-Gamern. 

Scheindebatte 

Es ist allzu offensichtlich, dass die Scheindebatte um Killerspiele immer wieder aus demselben Grund hervorgeholt wird: Es geht einzig und alleine darum, vom eigentlichen Kernproblem abzulenken: Extremismus und Fremdenfeindlichkeit sind realer Bestandteil unserer Gesellschaft, den es dort zu bekämpfen gilt! Rechte Gewalt ist  genauso real wie etwa linke Gewalt und im Osten ebenso verbreitet wie im Westen. Viel zu lange wurde dieses Problem aber politisch kleingeredet, und viel zu lange wurde der Bevölkerung vorgegaukelt, der Staat würde die rechte Szene unter Kontrolle haben. Aber nicht erst seit den NSU-Morden wissen wir, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr wird immer deutlicher, dass (rechts-)extreme Gesinnung schon lange und tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und dass sich dieses Problem nicht durch einen simplen Fingerzeig in Richtung Games lösen lässt. 

So wie Bill Murray die Zeitschleife durchbrechen konnte, indem er sein Verhalten reflektiert und geändert hat, müssen auch die Innenminister in Deutschland Ihren Umgang mit dieser Problematik reflektieren und ändern. Eine Instrumentalisierung der Gamerszene ist weder fair noch zielführend. Hate Speech, Extremismus und Radikalisierung muss gesamtgesellschaftlich bekämpft werden. Der radikalen Gesinnung muss dort entgegengetreten werden, wo sie entsteht; nicht erst dort, wo sie ausgelebt wird

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