Pornostar Stormy Daniels - Der Präsident, ich – und Er

Ausgerechnet ein Pornostar wird in den USA als neue Ikone des Feminismus gefeiert. Jetzt kam Stormy Daniels nach Berlin, um für sich und ihre Enthüllungen einer angeblichen Affäre mit US-Präsident Donald Trump zu werben. Doch wie glaubwürdig ist ihr Buch?

Gerissene Geschäftsfrau oder Opfer von Sexismus? Stormy Daniels auf der Erotik-Messe „Venus“ in Berlin / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Eines gleich vorweg. Ja, der beste Freund von US-Präsident Donald Trump ist nicht besonders groß. Seine Länge verhält sich umgekehrt proportional zum Ego des mächtigsten Staatsmannes der Welt. Sein Penis ist aber „auch nicht furchtbar winzig. Kleiner als der Durchschnitt vielleicht – nicht der aus Pornos.“   

Der kleine Unterschied, er ist also kleiner, als die Welt schon lange befürchtet hatte. Und es entbehrt nicht der Ironie, dass wir diese Erkenntnis ausgerechnet einer Frau verdanken, die es als Pornostar gewohnt ist, Potenz in Zentimetern zu messen. Die Frau nennt sich Stormy Daniels. Sie hat in den USA eine steile Karriere gemacht, von der Stripperin zur „Frau, über die Amerika spricht.“ Gestern war die 39-Jährige in Berlin, um ihre schlüpfrigen Enthüllungen auf der Buchmesse Frankfurt vorzustellen – pardon, um die Erotikmesse Venus zu eröffnen. Im kurzen Strickkleid und High Heels schnitt sie das rote Band vor dem Eingang durch. Und wenn Sie jetzt sagen, Stormy, wer? Was ist das denn für eine schmuddelige Geschichte? Wen interessiert in Zeiten von #metoo, warum diese Frau den besten Freund des Präsidenten angeblich so genau beschreiben kann, dass die Polizei danach eine Phantomskizze anfertigen könnte, dann lassen Sie es sich gesagt sein: Ganz Amerika.

Der Präsident, ich – und Er

Daniels Geschichte ist die Geschichte einer wundersamen Emanzipiation, von der Erotik-Darstellerin zur – nein, Sie haben sich nicht verhört – neuen Ikone des Feminismus. Und die zentrale Rolle darin spielt ausgerechnet ein Mann, der bekannt dafür ist, dass er Frauen nicht mehr Wertschätzung gegenüberbringt als, sagen wir mal, einem Steak. Die Rede ist vom US-Präsidenten. Hat er nicht gerade den Zorn von Millionen Amerikanerinnen auf sich gezogen, als er öffentlich die Frau nachäffte, die beinahe seinen persönlichen Favoriten für das Richteramt am Supreme Court, Brett Kanvanaugh, aus dem Rennen geworfen hätte, als sie Kavanaugh beschuldigte, er habe sie als 17-Jähriger vergewaltigt? 

Am 3. Juli 2006, so steht es in dem gerade erschienenen Buch von Stormy Daniels, will sie in einem Hotelzimmer in Las Vegas ungeschützten Sex mit dem US-Präsidenten gehabt haben. Es ist kein Moment, der ihre 300seitige Autobiographie tragen kann, die vom Aufstieg eines Mädchens erzählt, das als Stripperin einen Weg aus der Tristesse des Trailerparks findet, in dem sie aufwächst. „Ich würde mal schätzen, der Sex hat zwei bis drei Minuten gedauert. Und er war vermutlich der ödeste in meinem ganzen Leben.“ Und doch werden die meisten Leser das Buch nur deshalb kaufen. Daniels, die im richtigen Leben Stephanie Clifford heißt, verdient ihr Geld heute als Drehbuchautorin und Regisseurin von Pornos. Das merkt man ihrem Buch an. „In aller Offenheit. Eine Frau gegen Trump.“ Der Titel klingt wie eine Kampferklärung. Dabei liest sich das Buch stellenweise wie das Script für eine Sitcom. Der Präsident, ich – und Er.

Go for it, baby!

Ihre Wege kreuzen sich bei einem Golfturnier. Trump, damals noch bekannt als milliardenschwerer Immobilien-Tycoon und als Star der Casting-Show „The Apprentice", entspannt sich beim Einlochen. Daniels, blondgefärbte Haare, Oberweite 80 G, soll die männlichen Teilnehmer bei Laune halten. Ihre Filmfirma hat ein Loch gemietet, um Werbung für sich zu machen. So steht es im Buch. Eine gute Gelegenheit für den Pornostar, Kontakte zur Upper Class zu knüpfen. Der Präsident lädt sie zum Abendessen ein. Sie will erst nicht. Er ist nicht ihr Typ. Und wer hat schon Lust, mit einem Egomanen auszugehen, der nur ein Gesprächsthema kennt. Ich, ich, ich. Stormy Daniels will nicht. Behauptet sie jedenfalls. Ihr damaliger Freund, ein PR-Agent, stimmt sie um. Vielleicht kann Trump sie in seiner Show unterbringen. Go for it, baby!

Aber dann betritt sie das Penthouse des Präsidenten. Und da steht kein Essen auf dem Tisch. Da steht ein mittelalter Sugar-Daddy im schwarzen Pyjama und Pantoffeln. Und spätestens jetzt ist klar, was Trump wirklich will. Spätestens jetzt wäre jede normale Frau bei drei auf den Bäumen gewesen. Nicht so Stormy Daniels. Sie zieht das Date bis zum Ende durch. Ihre Begründung dafür klingt mehr als fadenscheinig. Trump, so schreibt sie, habe ihr in die Augen, nicht in den Ausschnitt geschaut. Außerdem sei sie hungrig gewesen, sehr hungrig. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. 

„Yeti-Eier“ und ein „Mario-Kart-Turbopilzpimmel“

Der Leser schaut ihr durch das Schlüsselloch zu, wie sie den mächtigsten Mann der Welt erst dazu verdonnert, sich einen Anzug anzuziehen. Wie sie ihm mit einem zusammengerollten Magazin mit ihm als Cover-Modell den Hintern versohlt, um ihn scharf zu machen. Wie sie dann nach dem Essen durch sein Schlafzimmer muss, um seine Toilette zu benutzen, wo sie seinen Kulturbeutel inspiziert: Old Spice, ein billiges Two-in-One Shampoo mit Conditioner, eine Nagelschere aus Gold. Und wie er sie dann auf dem Rückweg abfängt, schon ausgezogen bis auf Unterhose und Unterhemd. Es kommt, wie es kommen muss. Und spätestens jetzt kippt die Geschichte ins Absurde. Denn Daniels stilisiert sich zum Opfer.

„Da liege ich stinksauer, dass mich ein Typ mit Yeti-Eiern und einem Mario-Kart-Turbopilzpimmel gevögelt hat“, schreibt sie. Der Präsident streitet das ab. Aber soll man ihm das glauben? Die Affäre ist in den USA zum Politikum geworden. Es geht nicht um die Frage, ob Trump Stormy Daniels mit seinem besten Freund bekannt gemacht hat. Es geht um ein Schweigegeld in Höhe von 130.000 Dollar, das Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen dem Porno-Star zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl 2016 überwiesen haben soll – angeblich, um zu verhindern, dass Daniels die Geschichte ihrer Affäre in der TV-Show „Good Morning America“ auspackt, vor Millionen Zuschauern. Es wäre der PR-Gau für den Präsidenten gewesen. Seine Wähler sind Hardcore-Christen. Und seine Frau Melania hat gerade den gemeinsamen Sohn Barron zur Welt gebracht, als er sich beim Einlochen auf dem Golfturnier entspannt. Wie stünde er da?

Vom Porno-Star zur Ikone des Feminismus

Schweigegeld zu zahlen, das ist in den USA kein Kavaliersdelikt. Es gilt als Wahlkampfbeeinflussung. Michael Cohen hat sich inzwischen von Trump distanziert, um seine eigene Haut zu retten. Er hat vor Gericht gesagt, dass er die 130 000 Dollar in Trumps Auftrag überwiesen hat, um Daniels zum Schweigen zu bringen. Trump hat sogar eingeräumt, dass er ihm das Geld zurückerstattet hat. Doch die Affäre streitet er ab. Es ist alles etwas undurchsichtig. Den Ermittlern rennt langsam die Zeit davon. Im November stehen in den USA Zwischenwahlen an. Wenn die Demokraten die Mehrheit gewinnen, könnten sie ein Impeachment-Verfahren gegen Trump anstrengen. Was vielleicht erklärt, warum Stormy Daniels, die wichtigste Zeugin in dieser Affäre, gerade von der Linken umgarnt wird. Die linksliberale New York Times feiert sie schon als neue Ikone des Feminismus. Ausgerechnet Stormy Daniels. Eine Frau, die ihre beiden aufgeblasenen Brüste „Blitz und Donner“ nennt. Die sich stets darüber definiert hat, was Männern gefällt. Die als Pornostar die Ideale des Feminismus verramscht hat. 

Ob erfunden oder echt – die Affäre hat sie in den USA ins Rampenlicht katapultiert. Kaum erschienen, ist das Buch schon in die Bestseller-Charts geschossen. In der Talkshow von Jimmy Kimmel sollte sie unter einer Auswahl von Fliegenpilzen den heraussuchen, der dem besten Freund des Präsidenten am ähnlichsten sah. Sie griff den zweitkleinsten. Eine Republikanerin, die der Nation den Präsidenten zeigt, wie ihn noch keiner gesehen hat. In den USA ist das Großes Kino.

Rückenwind durch #metoo

Fragt man Daniels, warum sie die Schweigegeld-Vereinbarung gebrochen hat, sagt sie, Michael Cohen habe sich auch nicht daran gehalten. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es geht ihr darum, die Deutungshoheit über ihre Geschichte zu behalten. Und es geht um 20 Millionen Schadensersatz. Diese Summe fordert der Präsident jetzt von ihr. Vor dem Hintergrund dieses Rechtsstreites kam ihr das Angebot  des PanMacMillan-Verlags wie gerufen. Sie sagt, ihre Ehe sei an der Enthüllung der Affäre mit Trump zerbrochen. Drei Personenschützer würden sie und ihre siebenjährige Tochter jetzt rund um die Uhr bewachen, seit sie 2011 eine Morddrohung von einem Unbekannten bekommen habe. In einem Land, das durch die Debatte über #metoo sensibilisiert ist für jede Form von sexueller Gewalt, verfehlen solche Worte nicht ihre Wirkung. Der kleine Unterschied, er ist eben doch größer, als man denkt.

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