Verlag streicht Nazi-Namen von Jura-Werken - Überfällige Umbenennung

Nach langem Zögern benennt der Verlag C.H. Beck den BGB-Kommentar „Palandt“ endlich um. Der Namensgeber Otto Palandt war Mitglied der NSDAP und trieb im Dritten Reich die sogenannte Arisierung des Rechtswesens voran.

Aus dem „Palandt“ wird demnächst der „Grüneberg“
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Von Jochen Zenthöfer erscheint in diesen Tagen das Buch Plagiate in der Wissenschaft - Wie „VroniPlag Wiki“ Betrug in Doktorarbeiten aufdeckt, transcript Verlag, Bielefeld, 188 Seiten, ISBN: 978-3-8376-6258-0, 19.50 Euro. Zenthöfer berichtet seit acht Jahren als Sachbuchrezensent in der FAZ. über Plagiate in Doktorarbeiten – nicht nur bei Politikern.

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„Namen von Juristen, die in der NS-Zeit aktiv waren, werden auf den Titeln nicht beibehalten“, erklärt heute der führende deutsche Fachverlag für juristische Werke, C.H. Beck aus München. Allerdings erfolgt die Umbenennung erst 76 Jahre nach Kriegsende – und auf Druck von Initiativen wie „Palandt umbenennen“ sowie dem bayerischen Justizminister. 

Der Verlag habe sich entschlossen, jene Werke seines Programms umzubenennen, auf denen als Herausgeber oder Autoren noch Namen von Juristen genannt sind, die während der nationalsozialistischen Diktatur eine aktive Rolle eingenommen hatten. Das erklärte der Verleger Hans Dieter Beck soeben in München: „In Zeiten zunehmenden Antisemitismus ist es mir ein Anliegen, durch unsere Maßnahmen ein Zeichen zu setzen.“

Das überfällige Zeichen hätte freilich schon früher gesetzt werden können. Initiativen wie „Palandt umbenennen“ um den umtriebigen Juristen Janwillem van de Loo forderten seit langem, verstärkt seit dem Jahr 2017, ein Handeln des Verlages. Im Mittelpunkt steht der größte Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Seit dem Jahr 1938 ist das Standardwerk nach dem ehemaligen Präsidenten des Reichsjustizprüfungsamtes und Mitglied der NSDAP, Otto Palandt, benannt. 

Namensgeber trieb „Arisierung“ des Rechtswesens voran

Palandt trieb in der Akademie für Deutsches Recht die sogenannte Arisierung des Rechtswesens voran. „Er war maßgeblich daran beteiligt, Frauen aus dem Studium der Rechtswissenschaften zu drängen und forderte, junge Juristen müssten lernen, ,Volksschädlinge zu bekämpfen‘ und die ,Verbindung von Blut und Boden, von Rasse und Volkstum‘ zu begreifen“, berichtet die Initiative.

Der Verlag C.H. Beck hatte die Geschichte des Kommentars in eigenen Publikationen kritisch aufarbeiten lassen. Seit einigen Jahren erschien auch ein Hinweis über den Namensgeber im Kommentar selbst. Zudem engagiert sich der Verlag, der aus einer juristischen Sparte und einem schöngeistigen Bereich besteht, seit Jahrzehnten für den interreligiösen Dialog. Wichtige Standardwerke über die NS-Zeit und die Judenverfolgung sind bei C.H. Beck erschienen. 

Doch zu einer Umbenennung des „Palandt“ konnte man sich bislang nicht durchringen. Begründet wurde dies mit dem Argument, dass der „Palandt“ eine Marke geworden sei, der sich von seinem ursprünglichen Namensgeber gelöst habe. Auf dem Titel stand daher auch „Palandt“ ohne Nennung eines Vornamens. 

Kommentiert hatte Otto Palandt in dem nach ihm betitelten Werk nie, seine „Mitarbeit“ beschränkte sich nach Angabe der Umbenennungsinitiative darauf, das nationalsozialistische Regime glorifizierende Vorworte abzufassen. Vermutlich war es dadurch nun einfacher, den Namen zu ändern. Bereits auf der nächsten, im November 2021 erscheinenden Auflage wird auf dem Umschlag der Name des aktuellen Koordinators der Autorinnen und Autoren, des Richters am Bundesgerichtshof Christian Grüneberg, genannt werden. Aus „Palandt“ wird also „Grüneberg“. Ob das auch so bleibt, wenn Grüneberg eines Tages ausscheidet, verrät der Verlag momentan nicht. 

Roman Herzog und Rupert Scholz rücken auf

Der Loseblattkommentar zum Grundgesetz von Maunz/Dürig wird künftig den Namen Dürig/Herzog/Scholz tragen. Damit rücken zwei frühere CDU-Politiker, der verstorbene Bundespräsident Herzog und der ehemalige Verteidigungsminister Scholz, in die Herausgeberzeile auf. Beide haben sich als versierte Verfassungsjuristen einen Namen gemacht. Gestrichen wird der Name Theodor Maunz, der 1933 der NSDAP und der SA beitrat und später den Führerstaat verteidigte. Er konnte nach dem Krieg noch in der CSU Karriere machen. 

Die berühmte rote Gesetzessammlung „Schönfelder“ wird künftig von dem Vorsitzenden der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Mathias Habersack, herausgegeben. Der bisherige Namensgeber Heinrich Schönfelder war auch Mitglied der NSDAP und anderer nationalsozialistischer Organisationen; er starb als 42jähriger im Sommer 1944 als Soldat im Krieg. 

Die nun erfolgte Umbenennung war überfällig und ist richtig. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte heute: „Das ist eine bedeutsame Entscheidung. Die Umbenennung ist notwendig. Namensgeber für Gesetzessammlungen und Kommentare müssen integre Persönlichkeiten sein. Keine Nationalsozialisten.“ Eisenreich hatte im Frühjahr dieses Jahres eine Studie über Palandt und Schönfelder beim Institut für Zeitgeschichte (IfZ) unter der Leitung des Historikers Andreas Wirsching in Auftrag gegeben. Die Untersuchung erstreckt sich nicht auf Theodor Maunz, Begründer des Grundgesetzkommentars Maunz/Dürig. Seine aktive Rolle in der NS-Zeit wurde bereits wissenschaftlich aufgearbeitet.

Die Initiative „Palandt umbenennen“ hat sich übrigens heute selbst umbenannt in: „Palandt umbenannt“.

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