Die Denkmäler Frankreichs - Vom Staat im Stich gelassen

Der Wiederaufbau von Notre Dame wirft Fragen nach der Instandhaltung anderer Denkmäler Frankreichs auf. Von der Dorfkirche bis zur großen Kathedrale wäre der französiche Staat für die Erhaltung der Gotteshäuser zuständig, aber scheitert. Er könnte von Deutschland lernen

Von der Finanzierung der Erhaltung des Kölner Doms könnte Frankreich noch einiges lernen / picture alliance
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Thibaut de Champris, geboren 1962 in Paris, leitete von 2012 bis 2017 das Institut Français in Mainz

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Mit der ständig wachsenden Bedeutung von Paris als Hauptstadt ist auch deren Bischofskirche zu einem Symbol der Nation geworden. Deshalb wollen nun alle die Kathedrale retten und Millionen für den Wiederaufbau spenden. Aber es steckt hinter dieser emotionalen Aufladung viel Verlegenheit. Der Feuersturm vom 15. April wirft nämlich viele Fragen auf.

Ist der Staat als Eigentümer quasi aller Kirchen in Frankreich nicht längst mit dieser Aufgabe überfordert? Was ist mit den weitaus größeren und feineren Kathedralen des französischen Norden – von den unzähligen, mehr oder weniger verfallenden Gotteshäusern in Stadt und Land nicht zu sprechen? Während diese sich mit kargen denkmalpflegerischen Mitteln zufriedengeben müssen, wird die Pariser Kathedrale höchst wahrscheinlich Nutznießerin der in allen möglichen Bereichen einseitigen Fokussierung des Landes auf Paris sein.

Auf Touristen angewiesen

Aber ist sie nicht zunächst deren Opfer geworden? Nicht nur, dass die Revolution sie zum Kultort der „Göttin der Vernunft“ und zum Weinlager degradierte und Bonaparte zum Theater seiner Selbstinszenierung. Auch die schon viel früher einsetzende Schwächung der Kirche – eine Folge der Zentralisierung der Macht – machte Notre Dame zunehmend vom Willen des Staates abhängig.

Durch das Gesetz von 1905, das eine Trennung von Staat und Kirche herbeiführen sollte, wurden alle bis dato gebauten Gotteshäuser dem Staat übereignet. Seitdem ist ein Pariser Ministerium für den Erhalt sowohl von Notre Dame als auch von der Dorfkirche in der Pampa zuständig. Da aber die Staatshilfe zu gering ist, ist der Dom auf die Besucher aus der ganzen Welt angewiesen. Sie sind es, die den Großteil der Erhaltungskosten der Kathedrale finanzieren, fast dreimal mehr als die staatlichen zwei Millionen Euro pro Jahr.

Vorbild Kölner Dom

Das ist ein Teufelskreis. Weil man in der jetzigen Situation die Touristen massenweise braucht, nagt schon lange auch der Massentourismus an der Bausubstanz von Notre Dame wie von Versailles und verschärft wiederum die Erhaltungs- und Finanzierungsfrage. In den Kölner Dom werden zum Vergleich zwölf Millionen pro Jahr investiert, zu 60 Prozent durch Domkapitel und Erzbistum, zu 30 Prozent durch den Zentral-Dombau-Verein und seine 17.500 Mitglieder.

Die Verantwortung für das Baudenkmal wird hier gerecht verteilt: An erster Stelle ist der Urheber und Nutzer für den Erhalt des Gebäudes zuständig, in diesem Fall die Kirche. Staatliche Hilfe (in NRW: neun Prozent) kommt hier als Zusatz, weil der Kölner Dom ein überragendes Denkmal ist. Man kann über die Kirchensteuer denken, was man will, am Brand von Paris und am Zustand so vieler Kirchen in Frankreich sieht man, wohin ihre Abschaffung langfristig führen könnte.

Von ausländischen Mäzenen abhängig

Schon vor der Katastrophe hatte man überlegt, angesichts klammer Kassen zumindest für Notre Dame ein System weltweiter, privater Finanzierung aufzubauen. Aber schon das Schloss Versailles ist weitgehend von einem Netzwerk reicher, meist ausländischer Mäzenen abhängig. Solide und gesund ist das nicht. Wichtige Denkmäler werden kommerziellen Interessen ausgesetzt, anstatt ihre Pflege samt Öffentlichkeit mit starken, subsidiären Partnern zu sichern.

Die Kirchen müssen nur für die nach 1905 gebauten Gotteshäuser aufkommen (und tun es aus Geldnot schleppend oder nicht), und ein florierendes Stiftungswesen gibt es in Frankreich nicht, wenn man von den zwei immer wiederkehrenden Milliardären und Konkurrenten Pinault und Arnaud absieht, die sich nach dem Brand einen bizarren Wettkampf um die höchste Spende geliefert haben – mit Summen, die um das Vielfache höher liegen als die von der Regierung in Aussicht gestellten Beträge.

Schön, dass es zumindest die beiden gibt, könnte man meinen. Eine tragende Lösung für die Denkmalpflege wie auch für die Kulturförderung insgesamt sind aber solche prestigeorientierte Spendenstrategien sicher nicht. Es bleibt abzuwarten, ob die Feuerkatastrophe nicht nur einen Schock auslöst, sondern auch einen Paradigmenwechsel einleitet.

 

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