Der Fall Nemi El-Hassan - Rassismus auf Kosten der Gebührenzahler

Um 14- bis 29-jährige Zuschauer zu gewinnen, haben ARD und ZDF 2020 42,2 Millionen Euro in die Formate ihres Jugendkanals Funk investiert. Hier hat der WDR auch die Palästinenserin Nemi El-Hassan entdeckt. Ihre Karriere wirft ein Licht auf eine fragwürdige Nachwuchsförderung.

Die Opferrolle als Geschäftmodell: Nemi El-Hassan / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Neulich war Nemi El-Hassan zu Gast bei der „Kanackischen Welle“ bei Funk, dem Jugendkanal von ARD und ZDF. So nennt sich ein mehrfach preisgekrönter Podcast, der Palästinensern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Plattform gibt. 

Am 5. Juni ging es um das Thema „Palästina eine Heimat, viele Schicksale“. Zu Gast war eine Frau, die der WDR schon als neue Co-Moderatorin des Wissensmagazins „Quarks“ vorgesehen hatte. Nemi El-Hassan. Sie sagte dort einen Satz, der viel über ihr Selbstverständnis verrät: „Sobald man für die palästinensische Sache eintritt, wird man direkt in einer bestimmten Richtung verortet. Kooperationen werden aufgekündigt, man hinterlässt verbrannte Erde. Man macht sich dreimal Gedanken, wie und ob man sich äußert.“ Die Palästinenserin als Opfer? 

Ein Shitstorm und seine Folgen 

Um Nemi El-Hassan ist eine politische Kontroverse entbrannt, seit die Bild-Zeitung enthüllt hat, dass sie vor sieben Jahren bei einer antisemitischen Demo am Al-Kuds-Tag in Berlin gesehen wurde. Diese Anti-Israel-Demos sind seit zwei Jahren verboten, weil Teilnehmer dort immer härtere Töne angeschlagen haben. Einige forderten sogar, Juden sollten vergast werden. 

Nemi El-Hassan sagt, sie habe das nicht getan. In einem aktuellen Statement hat sie sich von der Demo distanziert und ihre Teilnahme als Fehler bezeichnet. Sie habe lediglich Solidarität mit Palästinenserinnen und Palästinensern ausdrücken wollen, beteuert sie. Aber da war der Shitstorm schon entbrannt. Inzwischen hat der WDR angekündigt, er werde ihre Moderation vorerst aussetzen und die Angelegenheit prüfen. 

Sympathien für Islamisten? 

Der Sender ist gut beraten, das in aller Sorgfalt zu tun.

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Denn an der Personalie scheiden sich die Geister, und der Riss verläuft genau entlang einer unsichtbaren Linie, die Juden und Palästinenser trennt. Während El-Hassans Anhänger bemüht sind, sie als Opfer einer Hetzkampagne des Springer-Verlags zu stilisieren, die eigentlich auf den WDR zielt, fahren ihre Gegner immer schwereres Geschütz gegen sie auf. 

 

In einem offenen Brief an den WDR schreibt Elio Adler, die Rolle des Fernsehens bei der Integration sei nicht zu unterschätzen. Deswegen sei Diversität wichtig, auch bei den Moderatoren und Moderatorinnen. Doch dafür sollten Vorbilder genutzt werden, die über den Verdacht erhaben seien, sie sympathisierten mit „Islamisten“. 

Ein Schloss vor dem Twitter-Account

Adler ist Vorsitzender der WerteInitiative jüdisch-deutsche Positionen e.V., sein Wort hat Gewicht. Nun könnte man sagen, El-Hassan war 19 Jahre alt, als sie an der Demo teilnahm, damals noch mit Kopftuch. Es sei so etwas wie eine Jugendsünde gewesen. Doch obwohl ihr Twitter-Account inzwischen hinter einer Schranke verschwunden ist, tauchen immer neue Tweets von ihr auf, die den Schluss nahelegen, dass sich an ihrer israel-feindlichen Einstellung bis heute nichts geändert hat.  

Erst am 21. Mai schrieb sie: „Es war jahrelang so schwer zu schweigen in einem Land, in dem immer wieder erklärt wird, Leute wie ich seien für den Antisemitismus verantwortlich, solche Narrative schnüren mir die Kehle zu.“ Am selben Tag twitterte sie, sie habe auch geschwiegen, wenn „Freundinnen völlig unreflektiert nach Tel Aviv gefahren sind, um einen Sommer voller Leichtigkeit und Partys zu verbringen“.

Bio-Deutsche haben den IQ einer Kartoffel 

Nemi El-Hassan ist ein Kind von Funk. Der Jugendkanal von ARD und ZDF finanziert einen Satire-Kanal, den sie seit 2013 mit Mitstreitern betreibt. Er heißt „Datteltäter“, und er spiegelt deutschen Zuschauern augenzwinkernd ihre eigenen Vorurteile gegenüber dem Islam. Das ist auf den ersten Blick amüsant. Besucher aus Bayern müssen sich zum Beispiel von Muslimen die Frage gefallen lassen, wo sie herkommen, man könne sie ja kaum verstehen. Aber auf Dauer ermüdet die Täter-Opfer-Umkehr. Was bleibt, ist der Eindruck: Bio-Deutsche haben den IQ einer Kartoffel. 

Dabei gilt Funk als die letzte Rettung des öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Dem sterben langsam die Zuschauer weg. Im ZDF sind sie im Durchschnitt 60, in der ARD noch älter. Dagegen verirren sich 14- bis 29-Jährige nur selten in ihren Programmen. Und genau diese Gruppe. will der ÖR mit 70 Formaten umgarnen. Sie können dort gestreamt werden, wo man Teenager und junge Erwachsene eher findet als im linearen Fernsehen: auf YouTube, Facebook oder Instagram. 42,2 Millionen Euro ließen sich die Sender diese Investition in die Zuschauer von morgen kosten. 

Geld, das gut angelegt ist? Das darf getrost bezweifelt werden. Schließlich gibt es bei Funk kaum Formate, die es im Dschungel von Social Media nicht auch auf dem freien Markt gibt. Sitcoms, Investigativ-Magazine oder Sex-Ratgeber. Darunter sind aber auch echte Perlen wie die TV-Kritiken von Philipp Walulis, die böse Satire des Comedians Aurel Mertz oder die Reportagen des „Y-Kollektivs“. 

Objektivität, Unparteilichkeit, Ausgewogenheit 

Als eines der Aushängeschilder gilt aber auch die mehrfach preisgekrönte „Kanackische Welle“. Eine Plattform von Palästinensern für Palästinenser. Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden. Der Medienstaatsvertrag gilt schließlich auch für die sozialen Kanäle des öffentlich-rechtliche Rundfunks. Der ist verpflichtet, auch Minderheiten eine Stimme zu geben und die Meinungsbildung zu fördern – und er soll dabei auf Objektivität, Unparteilichkeit und Ausgewogenheit achten. 

Doch genau von diesem Anspruch ist die „Kanackische Welle“ weit entfernt. Betrieben wird die Plattform von zwei Palästinensern, die beide als freie Journalisten für den öffentlich-Rechtlichen Rundfunk arbeiten, Marcel Aburakia und Malcolm Ohanwe. „Die Palästinenser“, so witzeln sie, „haben ARD und ZDF unterwandert, höhö.“ Das soll selbstironisch klingen. Dabei verstehen die beiden keinen Spaß, wenn es um ihre Mission geht.   

Der Opfer-Mythos als Geschäftsmodell 

Dem Klischee des kriminellen Palästinensers setzen sie ein anderes Klischee gegenüber: das des Palästinensers, der nichts dafür kann, dass er, so das Narrativ, in der gesellschaftlichen Hackordnung ganz unten stehe – noch unter den Juden. Es ist eine beliebte Strategie linker Identitätspolitik. Wer sich selbst als Opfer stilisiert, muss sich nicht die Frage gefallen lassen: „Hab ich selbst keine Fehler gemacht?“ 

Es gibt Lehrer, Richter oder Polizisten, die könnten diese Frage beantworten. Aber solche Interviewpartner kommen in dem Podcast vorsichtshalber gar nicht erst zu Wort. Lieber spricht man über „Polizeigewalt“, „Racial Profiling“ oder „Fetischisierung von Kanacken und Schwarzen“. Über Themen, die ihre Zielgruppe von jeder kritischen Überprüfung verschonen. Hier können sie ihre Opferkarte besser ausspielen als in einer Sendung, in der es um Juden und Palästinenser ging. Dort habe man „keine gemeinsame Sprache“ finden können, resümierten die beiden selbstkritisch. 

Die Grenzen der Objektivität 

Cicero hat beim Programm-Geschäftsführer von Funk, Philipp Schild, nachgefragt, nach welchen Kriterien er die Formate aussuche. Und ob er gelegentlich kontrolliere, ob journalistische Mindeststandards eingehalten werden. Doch eine Antwort gibt es nicht. Stattdessen verschickt das ZDF eine längst bekannte Pressemitteilung, in der steht, dass das ZDF nichts davon gewusst habe, dass Nemi El-Hassan an der umstrittenen Al-Kuds-Demo teilgenommen und dass sie auch eine islamistische Moschee in Hamburg besucht habe. Dass der Sender sie als kritische Journalistin erlebt habe und nicht an ihrer Professionalität zweifele. 

Es ist ein merkwürdiges Verständnis von Journalismus, das Sendungen wie die „Kanackische Welle“ vermitteln. Die Grenze zwischen Journalismus und Aktivisten ist fließend geworden. Ein guter Journalist müsse sich gemein mit dem Gegenstand seiner Berichterstattung machen. Es ist genau das Gegenteil von dem, was der bekannte ARD-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs als Credo für guten Journalismus gepredigt hatte. 

Das Fernsehen als Alternative zum Klinkenputzen 

Wohin das führt, zeigt auch das inzwischen abgesetzte Format „Karakaya Talk“. Auch dieses Format verstand sich als Sprachrohr für medial unterrepräsentierte Stimmen – allerdings nur für solche, die auf derselben linken, identitätspolitischen Welle surfen wie die hijab-tragende Moderatorin Esra Karakaya. Die hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihre Sendung ein Geschäftsmodell sei. Eine Möglichkeit, auf einen Schlag mehr Anhänger für das zu gewinnen, was sie „Graswurzelarbeit“ nennt. Das Fernsehen als kräfteschonende Alternative zum klinkenputzenden Aktivismus. Langfristig wollte sie so viele Abonnenten gewinnen, dass sie mit Werbung Geld verdienen konnte. 

Die Rechnung ging jedoch offenbar nicht auf. Wer sich die Talkshow anschaut, versteht warum. Ihren Gästen vermittelte Karakaya das Gefühl, sie müssten betroffen sein, um sich äußern zu dürfen. Wer ihr widersprach, setzte sich dem Verdacht des spätkolonialen Paternalismus aus. Die Berliner Modedesignerin Jana Heinemann bekam das in einer Sendung zum Thema „Blackfishing“ zu spüren. Untertitel: „Bist Du schwarz oder tust du nur so?“ 

Der ÖR als Kokon für Aktivisten 

Was ihr einfiele, Stoffe mit afrikanischen Mustern für ihre Kollektion zu verwenden, wurde sie von der schwarzen Journalistin Fabienne Sand gefragt. Für sie sei das ein Zeichen von kultureller Wertschätzung, antwortete Heinemann arglos. Sie musste sich belehren lassen, dass sie gewissermaßen ein Verbrechen begangen habe: kulturelle Aneignung. Dass es nur legitim sei, Stoffe von afrikanischen Frauen zu kaufen und nicht von weißen, „die halt andere struggles haben oder keine“. Bei den Zuschauern kam das gar nicht gut an. Ein schwarzer Zuschauer schrieb: „Wow, ich habe tatsächlich auf Youtube noch nichts gesehen, was noch rassistischer als diese Talkrunde war. Heftig, wie offen Ihr Euren Hass auf Menschen mit anderer Hautfarbe auslebt.“ 

Erreicht Funk mit solchen Formaten die breite Masse der Jugendlichen? Wohl kaum. Aber, das ist die bittere Pointe der Geschichte, darum geht es den Machern auch gar nicht. Sendungen wie „Karakaya Talk“ und die „Kanackische Welle“, das „Nummer-eins-Podcast im Einwanderungsland Deutschland“, richten sich eben nicht an die Mehrheitsgesellschaft. Sie sind Kokons, in denen Aktivisten ihren ganz persönlichen Kampf gegen alle führen, die nicht ihre Meinung teilen.

Wenn man böse wäre, könnten man sagen: Sie verbreiten Rassismus auf Kosten der Gebührenzahler. 

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