Kampf gegen Rassismus - Attacke, ich bin deutsch!

Fragen sind ihre Waffe, die Angst ihr Motor: Die Dokumentarfilmerin Mo Asumang hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sie wegen ihrer Hautfarbe beleidigen. Das ist nicht leicht und manchmal auch gefährlich. Warum sie es trotzdem macht, erzählt sie hier

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Autoreninfo

Mo Asumang ist Dokumentarfilmerin („Roots Germania“, „Die Arier“), Autorin, Schauspielerin und Filmproduzentin. Sie kam 1963 als Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers zur Welt und ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen. Sie zeigt ihre Dokumentarfilme in Schulen und hält Vorträge über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Dafür wurde sie gerade vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.  

So erreichen Sie Mo Asumang:

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Angenommen ich wüsste, dass die Nazis kurz vor der Machtübernahme stehen. Und wir hätten nur ein Jahr Zeit, die Brut aufzuhalten, was würde ich tun? Manchmal stelle ich mir deshalb vor, ich bin meine eigene Großmutter. Sie war bei der SS Schreibkraft, hat geheime Dokumente für die Nazis geschrieben. Sie hat damals alles mitgemacht, aber wenn ich jetzt sie bin, mache ich es anders. 

Ich werde mich wehren. Das muss ich tun, denn sind sie einmal an der Macht, war‘s das. Dann sind plötzlich 3.000 Richter weg, und es könnte noch schlimmer kommen. Ich habe nicht viel Zeit. Meine Strategie, ich werde wo ich kann mit den Feinden der Demokratie ins Gespräch kommen. Meine Geschichte beginnt in Verbindung mit einer Neonaziband mit dem Namen „White Aryan Rebels“. Die Pseudoarier haben aus einem für mich unsichtbarem Raum ihren Song „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“ an ihre Mitläufer rausgeschossen, in Erwartung, dass diese mir Angst machen, und das taten sie auch. Aber das ist noch nicht alles.

„Schau mal, sie haben Ohren“

Die Angst ist nun mein Motor. Sie hilft mir, Dinge zu tun, die ich in der Gemütlichkeit meiner Komfortzone niemals wagen würde. Im Hinterkopf auch immer Oma Charlotte und die Frage, wie ich unsere Familiengeschichte transformieren kann. 

3.000 Neonazis auf dem Alexanderplatz und ich mitten drin. Oma Charlotte wäre vorbeigegangen. In Gedanken rufe ich sie und sage „schau mal, sie haben Ohren, haben Münder, sag doch mal was, mal sehen, was passiert“. Als ich dann selbst versuche, mit einem Rassisten ins Gespräch zu kommen, merke ich, das ist nicht so leicht. Der Schweiß läuft einem ja den Rücken runter, meine Beine zittern, und mir ist speiübel. Trotzdem, ich gebe nicht auf, mag nicht so ein Jammerlappen sein. Ich versuche es weiter. Sie drehen sich alle weg. Ich sehe nur Rücken. Das ist fies, aber was sagt mir das? Haben sie etwa Angst?

Fragen in Extremsituationen

In den folgenden Jahren gehe ich auf viele, sehr viele Nazidemonstrationen und treffe mich sogar mit dem KuKluxKlan in den USA, um Mitternacht, irgendwo am Waldesrand. Das Gespräch mit dem Klansman findet statt, aber die beiden Maschinengewehre auf dem Rücksitz seines Pickup Trucks ermahnen mich nicht zu weit zu gehen. Vermutlich ist er ein stinknormaler Jung, wenn er seine Mütze mit den beiden dunklen Augenlöchern abzieht. „Warum verbrennt Ihr ein Kreuz“ frage ich ihn.

„Für Jesus Christus, weil der von der Dunkelheit ins Licht ging“ sagt er. „Aber Jesus liebt doch auch die Schwarzen“ fällt mir da zum Glück noch ein. Sein Körper schlängelt sich ins Aus. Ich spüre, dass eine simple Frage bei Rassisten etwas bewegt. Ob Oma das vielleicht sogar versucht hat? Ich stelle fest, ich muss gar nicht diskutieren. Nur Fragen stellen, solche, die in seiner Community sonst keiner stellt, keiner! Sein Versuch, auf etwas zu antworten, mit dem er sich so noch nie beschäftigt hat, bringt ihn ins Wanken, das schenkt mir Zeit und Kraft, weiter zu fragen. Später nenne ich dieses Fragen in Extremsituationen „TalkMo“, ich möchte, dass das auch andere können. Man kann das lernen.

Mit der unsichtbaren Oma an der Seite

Jetzt bin ich in der Zwickmühle, denn instinktiv weiß ich, ohne mich wird er nicht wachsen, wird da nicht rauskommen. Fragt ja kein Nazi den anderen „sag mal Nazi, warum bist Du denn eigentlich ein Nazi, geh mal nach Hause und denk drüber nach“ Das machen sie nicht, sie wollen ja safe in ihrer Abwehrhaltung, ihrer Negativität, ihrer „der andere ist schuld Haltung“ verharren. Rassisten hassen innere Veränderung. Und gerade deshalb bringe ich sie jetzt zu ihm oder ihr. Jetzt oder nie. Manchmal fühle ich mich trotzdem schwach, auch mit meiner unsichtbaren Oma an meiner Seite. Dies ist auch ein Hilferuf.

Dann, wieder eine dusselige Rassistendemo – und mein Versuch, mit einem Nazi zu flirten, denn er sieht irgendwie nett aus, darf man das sagen? Nach einer halben Stunde plötzlich ein kleines Lächeln seinerseits und von schräg rechts ein Arm, der ihn zur Seite reisst, ein Mund, der sagt „wir dürfen nicht mit der da reden“. Ich frage, warum dürft ihr nicht mit mir reden?

Das Fragen ist meine Waffe  

Es kommt nichts. Zu Hause male ich mir aus, was passieren könnte, wenn „Atze, oder Hans oder Marcel“ mit mir nen Kaffee trinken gehen?. Wir würden uns gegenseitig unsere Geschichte erzählen, er mir und ich ihm. Wir wären raus aus dem Kopf und drin im Gefühl. Käme da der Anruf „Atze, kommst Du mit zur nächsten Nazidemo?“, was würde er nun sagen? Vielleicht ganz einfach: „Nein.“ Jedes Gespräch hat Kraft, aber vor allem das Fragen ist meine Waffe. 

Als ich früher bei Pro Sieben, ORB/rbb und Viva moderiert habe hätte ich mir niemals vorstellen können, dass ich mal so oft mit Rassisten zu tun haben werde. Ich dachte immer, ich bin ja hier geboren, auch meine Mutter und Oma sind so richtig „echte Deutsche“, ich spreche die Sprache, und das Wort Identität ist mir förmlich auf den Leib gesprayt, Attacke ich bin deutsch. Aber was macht man, wenn einem einer im Vorbeigehen sagt:  „geh zurück nach Afrika!“ oder „dein Vater ist ein Genentführer, der hat die Gene Deiner weißen Mutter geraubt, um seine Rasse aufzuwerten“. Und was machen wir, wenn Propaganda im großen Stil übers Netz und TV flimmert? 

Aufklärung über Hatespeech

In einer Zeit, in der der Nationalismus in Deutschland, Europa und sogar weltweit ansteigt, brauchen wir viele neue Wege, damit umzugehen. Wenn ich jetzt in Schulen und Universitäten über Hatespeech, Rassismus und Antisemitismus rede, wenn ich beschreibe, wie ich trotzdem die Begegnungen mit den ewig Gestrigen halte, flüstert mir Oma ins Ohr: „Sprich weiter, stell Fragen, talkmo‘ – und lasst sie nicht mit sich selbst allein“.

Von Mo Asumang ist zuletzt das Buch erschienen „Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis", Fischer, 14,99 Euro. 

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