„Allegro Pastell“ von Leif Randt - Wach, nicht überspannt

Der Schriftsteller Leif Randt war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert – sein Roman „Allegro Pastell“ porträtiert die sorglose Instagram-Generation.

Das Credo von Randts Generation: „Sachen so sagen, wie sie sind, ohne darunter leiden zu müssen.“ / Maurice Weiss
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Autoreninfo

Max Link arbeitet als freier Autor in Berlin und schreibt für verschiedene Zeitschriften und gern über Pop.

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Leif Randt sitzt im Enzo’s, einem gemütlichen Restaurant nahe dem Rathaus Berlin-Neukölln, eine Cola Light vor sich. Es ist Montagabend, drei Tage, bevor er den Preis der Leipziger Buchmesse, für den er mit seinem Roman „Allegro Pastell“ nominiert war, nicht gewinnen wird. Ich habe Leif Randt in den letzten Jahren oft im Enzo’s getroffen. Für ihn ist es „ein Ort der alten BRD, mitten in Neukölln, unweit von den Bars der kreativen Freelancer und der Start-up-Genies“. An einem derart aus der Zeit gefallenen Ort lässt es sich besser über die Gegenwart nachdenken. Wir bestellen Fisch und Weißwein, es laufen italienische Klassiker der achtziger Jahre, der Kellner kennt uns.

Auch „Allegro Pastell“ – benannt nach der Allegro-Schule in Berlin-Tiergarten, in der sich Randt einmal wöchentlich zum Badminton trifft – spielt immer wieder in aus der Zeit gefallenen Imbissen und Restaurants, wie zum Beispiel dem Da Jia Le in Schöneberg. Von diesen Orten aus reflektieren die Millennials Tanja und Jerome, beide um die dreißig, über sich, ihre Beziehung und vor allem das Verhalten ihrer Mitmenschen.

Es geht im Buch um eine On-off-Beziehung, die die beiden vom Frühjahr 2018 bis zum Sommer 2019 zwischen Frankfurt und Berlin führen. Wie der namenlose Ich-Erzähler in Christian Krachts „Faserland“, in gewissem Sinne dem großen Bruder von „Allegro Pastell“, bewegen sich die Protagonisten Tanja und Jerome fließend und selbstverständlich durch deutsche und europäische Großstädte, ohne jemals ihr soziales Milieu zu verlassen.

Verkappte Gesellschaftskritik?

Sie arbeiten in kreativen Berufen, er ist Webdesigner, sie Autorin. Ihre Freunde sehen gut aus, sind popkulturell bewandert und bespiegeln sich auf Instagram. Echte Probleme gibt es nicht. Leif Randt macht aus diesem sorglosen Szenario einen Roman, der das Lebensgefühl vieler junger Menschen in Deutschland gut beschreibt. „Mittlerweile hatte Jerome das Gefühl, einer sehr kleinen Generation anzugehören, die fast nur aus ihm selbst bestand, und für diese Generation waren Facebook-Profile, Dating-Apps und Spekulationen auf Kryptowährungen gleichbedeutend mit einer emotionalen Nähe zur CDU.“ 

Was Leif Randt, 1983 in Maintal bei Frankfurt geboren, Absolvent am Literaturinstitut in Hildesheim, auszeichnet, ist sein unverkennbarer, abgeklärter Ton, der sich auch durch die Vorgänger „Schimmernder Dunst über Coby County“ und „Planet Magnon“ zieht. Er erinnert mitunter an den nüchternen Stil Michel Houellebecqs und möglicherweise liegt es daran, dass Kritiker Randt von der ersten Besprechung an unterstellen, insgeheim Gesellschaftskritiker zu sein. Einer, der aufzeigen wolle, wie leer das Leben in Wirklichkeit sei, wenn es einem zu gut gehe. „Ein typisch deutscher Impuls, immer eine Gesellschaftskritik mit im Blick zu haben“, wird er später sagen.

Ein Missverständnis. Bei Leif Randt bespiegeln und analysieren sich die Figuren nicht deswegen andauernd, weil die Wohlstandsgesellschaft sinnentleert ist, sondern weil sie das Beste daraus machen wollen. In einem Essay hat Leif Randt diese Haltung so benannt: Post-Pragmatic-Joy. „Sachen so sagen, wie sie sind, ohne darunter leiden zu müssen. Wach sein, aber nicht überspannt, mittendrin, aber nicht verloren.“

Könnte das Buch eine Jugendbewegung auslösen?

Der Roman hat einen Hype generiert, wie ein Buch ihn dieser Tage nur generieren kann. Das Feuilleton der Zeit bescheinigt ihm, einen Roman geschrieben zu haben, an dem „künftig kein Millennial“ vorbeikomme und der so gut ist, dass er eine neue Jugendbewegung auslösen könne. Darüber ist auch Leif Randt erstaunt. An einem Samstagabend, zwei Tage vor unserem Treffen, hatte Randt in der TV-Bar in Schöneberg eine kleine Buchvorstellung für Freunde und Bekannte geplant. Ein befreundeter Autor musste ihn erst darauf bringen, sein neues Buch zumindest im kleinen Kreis zu präsentieren. 

Am Samstagabend um 21 Uhr war die TV-Bar brechend voll. Leif Randt liest mit tiefer Stimme eine Stelle vor, die in Frankfurt spielt, Frankfurter Freunde machen sich bemerkbar. Man sieht viele Künstler und Autoren. Die Barkeeperin trägt ein Shirt mit dem Logo des Clubs Berghain, auf dem statt „Berghain“ aber „Bernie“ steht: Man konnte sich wie in einem Roman Randts fühlen.

Doch auch wenn der Roman Randts bis dato bester, klarster Versuch ist, die Jetztzeit in einen Roman zu packen – eine Jugendbewegung wird er gewiss nicht auslösen. „Irgendwie beschädigt der Hype das Buch auch“, meint Randt. Ihm ist diese Einordnung ein wenig unangenehm. Aber dann muss er gleich darüber lachen. Da ist sie wieder, die postpragmatische Haltung: „Sachen so sagen, wie sie sind, ohne darunter leiden zu müssen.“

Dieser Text ist in der April-Ausgabe des Cicero erschienen, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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