Zu den untrüglichen Zeichen des nahenden Herbstes gehört das plötzliche Überangebot an Kürbissen aller Art. Vom kleinen Zierkürbis mit dekorativen Maserungen bis zum Monster-Exemplar, das einige hundert Kilo auf die Waage bringt, wird so ziemlich alles ausgestellt und feilgeboten, was aus dieser Pflanzenfamilie stammt.
Als Lebensmittel ist der Kürbis auch in Deutschland schon lange verbreitet. Meine Erinnerungen an die Kindheit und Jugend sind da aber eher negativ. Denn da gab es ihn fast nur süß-sauer eingelegt als Kompott. Für mich ein geschmacklicher Albtraum - irgendwann begann ich, den Verzehr dieser Speise konsequent zu verweigern. Auf der geschmackspolizeilichen Fahndungsliste steht „Kürbis süß-sauer“ jedenfalls ziemlich weit oben.
„Verstörte Selbstzweifel“ in deutschen Küchen
Später tauchte dann die inzwischen anscheinend unvermeidliche Kürbissuppe auf. Egal ob Buffet, Restaurant oder private Geselligkeit – ohne Kürbissuppe scheint ab September gar nichts mehr zu gehen. Aber in der Regel nicht etwa in einer „bodenständigen“, am Eigengeschmack orientierten Form, sondern „verfeinert“, „neu interpretiert“ oder „kreativ weiterentwickelt“, dass sich die Suppenschüsseln biegen.
Seit langem vertrete ich die These, dass dieser Küchen-Exotismus in einem tiefsitzenden deutschen Minderwertigkeitskomplex wurzelt, da die deutsche Küche – zu Unrecht – im Vergleich mit der französischen, italienischen oder auch thailändischen als eher „plump“ gilt. Ich habe übrigens auch in Frankreich schon mal richtig schlecht gegessen, aber das nur nebenbei.
Illusion von Weltoffenheit
Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl (ja, diesen Beruf gibt es wirklich) nennt das einen „verstörten Selbstzweifel, der durch paradoxe Ansprüche immer weiter verschärft wird“. Die Köche sähen sich in der Zwickmühle gefangen. „Sie sollen radikal-regional kochen, aber am besten so, dass man es nicht als deutsch erkennt. Was bleibt, ist die grob verfeinerte Illusion von Weltoffenheit, die im Grunde bloß kulinarischer Massentourismus und zwanghafte Überwindung traditioneller Errungenschaften ist“, so Kofahl gegenüber Cicero.
Natürlich mache auch ich in der Saison ein paar Mal Kürbissuppe. Aber nicht „kreolisch“, „indisch“ oder „thailändisch“ beziehungsweise das, was die Schöpfer dieser Kreationen dafür halten. Sondern ziemlich einfach und gradlinig, wobei man beim würzen gerne mal vom altdeutschen Minimalismus abweichen darf.
Einfach, aber genial
Standard-Grundlage ist der Hokkaido-Kürbis, der sich sich durch einen zart nussigen und nur leicht süßlichen Geschmack auszeichnet. Er ist – wenn er nicht zu groß oder zu alt ist – auch sehr faserarm und hat eine weiche, essbare Schale, was die Zubereitung sehr einfach macht. Den Stiel und den Blütenansatz sollte man jedoch großzügig entfernen. Danach den Kürbis aufschneiden und mit einem Löffel Kerne und Fasern entfernen. Anschließend in Spalten und dann in Würfel schneiden. Jetzt kann‘s losgehen.
In einem großen Topf gehackte Zwiebeln und Knoblauch mit Butter oder Öl anschwitzen. Dann die Kürbiswürfel kurz mitdünsten lassen und schließlich mit Gemüsebrühe aufgießen. Mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss und eventuell etwas frisch geriebenem Ingwer (Betonung liegt auf etwas!) würzen und so lange köcheln, bis der Kürbis weich ist. Schließlich die Suppe unter Zugabe von Schlagsahne oder Creme Fraiche im Mixer oder mit dem Stab pürieren. In Suppenteller füllen und noch ein paar trocken geröstete Kürbiskerne und – für Feinschmecker – ein wenig Kürbiskernöl dazugeben. Fertig.
Uneingeschränkt genehmigt ist eine Kürbis-Karotten-Suppe, bei der man zwei Teile Kürbis und einen Teil Karotten verwendet. Alle anderen „Interpretationen“ bitte der Geschmackspolizei zur Genehmigung vorlegen. Und jetzt: Wohl bekomm‘s!
Kürbissuppe
Zutaten für 4 Personen
1 Hokkaido-Kürbis (ca 1 Kilo)
800 ml Gemüsebrühe
1 mittelgroße Gemüsezwiebel
2-3 Knoblauchzehen
150 ml Schlagsahne oder 3 gehäufte Esslöffel Creme fraiche
Salz, Pfeffer, Muskatnuss, eventuell Ingwer
optional: Kürbiskerne, Kürbiskernöl